Schweiz
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Bomben-Bastler von der Streetparade muss das Land verlassen

Am Bezirksgericht Bremgarten fand die Verhandlung gegen M.R. statt.
Am Bezirksgericht Bremgarten fand die Verhandlung gegen M.R. statt.bild: Sandra Ardizzone

Bomben-Bastler von der Streetparade muss das Land verlassen

2019 deponierte M.R. aus Bremgarten eine Bombenattrappe am Zürcher Utoquai. Mit sechs Monaten bedingt kam er damals glimpflich davon. Nun wurde ihm aber ein ganz anderes Delikt zum Verhängnis.
23.05.2021, 05:51
Pascal Bruhin / ch media
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Ein Unbekannter ist er ganz und gar nicht, der Beschuldigte, der sich gestern Nachmittag am Bezirksgericht Bremgarten zu verantworten hatte. Als «Bomben-Bastler von der Streetparade» erlangte M.R. (Name der Redaktion bekannt) schweizweit zweifelhafte Bekanntheit (die AZ berichtete).

Während der Streetparade 2019 hatte der damals in Bremgarten wohnhafte Deutsche am Utoquai in Zürich einen Rucksack mit Kabeln, einem Handy, Metallteilen und gefüllten Flaschen deponiert. Dass es sich um eine Bombenattrappe handelte, stellte sich erst später heraus. Vom Bezirksgericht Zürich wurde er im Dezember 2019 wegen Schreckung der Bevölkerung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Nächstes Delikt folgte kurz nach dem Schuldspruch

Nun sass der heute 33-Jährige wieder vor Gericht. Und zwar für eine Reihe von Straftaten, die er im Mai 2020, also nur wenige Monate nach dem Schuldspruch von Zürich, verübt haben soll. Sachbeschädigung, versuchter falscher Alarm, versuchte Sachbeschädigung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte warf ihm die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten vor.

An jenem Nachmittag soll der Sozialhilfebezüger bei den Sozialen Diensten im Rathaus Bremgarten erschienen sein. Weil er seine zuständige Beraterin sprechen wollte und diese nicht erblickte, wurde er wütend. Er griff nach einem Feuerlöscher und begann, damit herum zu sprühen.

Daraufhin leerte er Frostschutzmittel, das er mitgebracht hatte, auf einen Tisch im Gang und entzündete es. «Allahu Akbar», soll er dabei gerufen haben. Nach wenigen Sekunden löschte er das Feuer selbst. Im weiteren Verlauf seines Wutausbruchs schlug M.R. mit dem Feuerlöscher einen Desinfektionsmittelspender von der Wand.

Danach zündete er ein Stück Papier unter dem Feuermelder an, um so einen Alarm auszulösen. Dies gelang ihm nicht. Er soll den Feuerlöscher gegen die Scheibe der Schaltertüre geschlagen haben, die jedoch nicht zu Bruch ging. Als wenig später die Polizei eintraf, versuchte er, auch die beiden Beamten zu besprühen. Doch der Feuerlöscher war leer und die Beamten konnten M.R. zu Boden werfen.

Die Staatsanwaltschaft forderte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, zusammen mit der zu widerrufenden Strafe des Streetparade-Falles, sowie einen Landesverweis von sechs Jahren.

Beschuldigter sitzt seit dem Tattag im Gefängnis

In Handschellen wurde M.R. gestern dem Bremgarter Gesamtgericht vorgeführt. Seit dem Tattag sitzt er in Untersuchungshaft und im vorzeitigen Strafvollzug. Mit gesenktem Blick lauschte er den Aussagen der beiden Polizeibeamten, die separat als Zeugen befragt wurden. Beide bestätigten den Vorfall, wie ihn die Anklageschrift beschrieb. In seiner Befragung sagte M.R. dann:

«Ich kann mich nur noch erinnern, dass die Polizei gekommen ist.»

Die gezogene Waffe des einen Beamten habe ihn eingeschüchtert und er hätte dem Befehl, den Feuerlöscher aus der Hand zu legen, nicht folgen können. Dass er auf die Polizisten gezielt haben soll, stritt er ab. Er versicherte:

«Ich würde nie auf einen Polizisten schiessen, der eine Dienstwaffe in der Hand hält.»

Wieso es überhaupt zur Tat kam, konnte M.R. dem Gericht nicht plausibel erklären. «Ich kam mir alleingelassen vor», meinte er. Zudem habe er Stimmen im Kopf gehört. Eine paranoide Schizophrenie attestierte ihm denn auch das psychiatrische Gutachten. Ebenso wies ihm dieses aber eine geringe Therapiebereitschaft und eine erhöhte Rückfallgefahr aus.

Verteidigung forderte Freispruch von zwei Vorwürfen

Die Verteidigung forderte auch aufgrund der psychischen Probleme eine milde Strafe. Vom Vorwurf der versuchten Sachbeschädigung, sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte sei er freizusprechen. Sie sah eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten als angemessen, wobei auf einen Widerruf der bedingten Strafe aus Zürich sowie auf den Landesverweis zu verzichten sei.

Eineinhalb Stunden zog sich das Gericht zur Beratung zurück und verkündete dann sein einstimmig gefälltes Urteil: M.R. wurde in allen vier Anklagepunkten schuldig gesprochen. Verurteilt wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, darin eingeschlossen die widerrufene Strafe aus Zürich. Zudem wurde M.R. für drei Jahre des Landes verwiesen.

Da er jedoch bereits 496 Tage, also länger als die erteilte Strafe, in Haft gesessen hat, durfte M.R. das Gericht als freier Mann verlassen. Für die Überhaft erhielt er eine Genugtuung von 5280 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann an das Obergericht weitergezogen werden. (aargauerzeitung.ch)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bivio
23.05.2021 09:13registriert März 2018
Warum hat das Gericht die Strafe nicht so angesetzt, dass es keine Überhaft gibt? Dann müsste der Steuerzahler diesem Deppen nicht auch noch über 5000 Fr. zahlen.
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cille-chille
23.05.2021 09:45registriert Mai 2014
Da wird sich wohl ein sicherlich verwirrtes Wesen, mit einer nicht nur schönen Biographie hinter diesem Menschen befinden.
Nichts desto trotz... Wenn jemand dermassen austicken kann und sich, so wie er es tat, uneinsichtig zeigt und gleich noch ein obendrauf haut, braucht er und vor Allem unsere Gesellschaft die nötigen Konsequenzen und den Schutz vor ihm.
Solche Landesverweise empfinde ich oft als eher zu tief.
Wenn mir jemand wiederholt in meinen Vorgarten sch****t, bleibt dieser verschlossen.

Ihm wünsche ich, dass er seinen Frieden findet..... Am besten in DE
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Booker
23.05.2021 06:52registriert September 2016
Unglaublich. Wenn er wirklich noch Geld erhalten hat für die Überhaft, welche er aber absolut verdient hat, wieso muss er damit nicht zumindest einen kleinen Teil des Schadens zurückzahlen ?
6 Monate Landesverweisung ist hier auch viel zuwenig. Ihm sollten die Kosten für seine Straftaten auferlegt werden und erst wenn er diese abbezahlt hat, aber frühestens nach x Jahren, darf er wieder einreisen.
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