Vladimir Petkovic muss weg! Wieso? WM-Achtelfinal verloren. Doppeladler. Shaqiri-Theater. Behrami-Theater. Einfach zu viel Theater und dann doch wieder zu wenig. Weil er schlecht und falsch kommuniziert. Weil er nicht nahbar ist, sich abschottet und im Tessin verschanzt. Er muss weg, ganz einfach. Aber ist es so einfach?
Nein. Ist es nicht. Ottmar Hitzfeld, sein Vorgänger, kam auch nie über einen Achtelfinal hinaus. Schlimmer noch: Unter ihm scheiterte die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft in der Qualifikation zur EM 2012. Und sowieso: Der Fussball unter Petkovic, 56, ist aufregender, attraktiver, schneller, unberechenbarer, dynamischer, besser. Auch der Punkteschnitt ist höher.
Petkovic macht einen guten Job. Nur, warum war Hitzfeld unantastbar, während Petkovic in den Deutschschweizer Medien mehr oder weniger deutlich lesen muss, seine Zeit als Nati-Trainer sollte spätestens nach der EM im kommenden Sommer zu Ende sein?
Als er im Juni 1987 mit 24 am Flughafen Zürich landet, wartet keiner auf ihn. Auch in St.Gallen, wo er mit etwas Verspätung doch noch eintrifft, findet man keine Verwendung für ihn, weil die beiden Ausländerplätze bereits besetzt sind. Sein Schweizer Berater weiss Rat. Schliesslich hat er noch jeden Spieler irgendwo untergebracht. Der FC Chur, ein B-Ligist, sucht einen Stürmer. Also macht der Berater aus dem Mittelfeldstrategen Petkovic den Stürmer Petkovic. Der Schwindel fliegt erst nach der Vertragsunterzeichnung auf. Was Arnold Mathis, den damaligen Präsidenten des FC Chur, in Rage bringt: «Sobald ich den Neuen habe, muss der Jugoslawe weichen. Er ist kein Goalgetter – leider hat mich sein Spielervermittler gehörig reingelegt.»
April 2008. Petkovic arbeitet schon mehr als zehn Jahre als Trainer im Tessin. Aber erst in jenem Frühling nimmt man ihn in der Deutschschweiz wahr, als er mit dem zweitklassigen Bellinzona bis in den Cupfinal vorstösst. «Komisch», sagte Petkovic damals, «das Interesse aus dem Ausland an meiner Person ist viel grösser als in der Schweiz.» Von wegen komisch! Es nervte, es nagte, es verletzte ihn, dass er über zehn Jahre lang in der Deutschschweiz nicht registriert wurde, er neben dem Trainerjob noch immer arbeiten musste, um das Leben seiner Familie zu verdienen. Er fühlte sich nicht wertgeschätzt. Böse Schweiz! Und irgendwie hatte er ja recht.
Als Anfang der 90er Bomben in seiner Heimatstadt Sarajevo einschlagen, ist für ihn klar: Es gibt kein Zurück. Er muss sich eine neue Heimat suchen. Aber wo? In einem Jahr ist er in Chur, dann in Sion, in Martigny, dann wieder in Chur. Und später im Tessin. Ein Spielball. Ohne finanzielles Polster und ohne Garantie, ob er in der nächsten Saison nochmals irgendwo einen Vertrag kriegt. Denn egal, wo er ist: Er ist bestenfalls geduldet. Auf seine Zeit als Spieler zurückblickend, sagte er vor wenigen Jahren: «Blieb der Erfolg aus, wurden immer die Ausländer verantwortlich gemacht. Von den Ausländern wurde erwartet, dass sie den Unterschied ausmachen.» Der ungeliebte «Jugo» muss den Erfolg bringen, Herr Petkovic? «Vielleicht ist das paradox.»
Doch dann, sehr viel später, im August 2008, kurz bevor er 45 wird, spürt er sie doch noch: Die Anerkennung. Petkovic wird YB-Trainer und zum gemachten Mann. Er muss nicht mehr nebenbei als Pädagoge oder Sozialarbeiter schuften. Er steht im Fokus, ist gefragt. Und wie sie ihn lieben, die YB-Fans. Für seinen atemberaubenden Offensivfussball. Für seinen Schalk. Für seine Nahbarkeit. Für seinen George-Clooney-Kopf. Ja selbst für sein «Mussen wir machen so weiter. Chaben wir viele Solutione in unsere Spiel». Was Giovanni-«Habe-fertig»-Trapattoni in München war, ist Petkovic in Bern – eine Kultfigur. Und der kroatisch-stämmige Bosnier, inzwischen auch Schweizer Staatsbürger, geniesst es.
Misstrauisch, bequem, eigenbrötlerisch, dünnhäutig, paranoid. Was man ihm heute vorwirft, ist zu Beginn seiner YB-Zeit weder sicht- noch erkennbar. Und trotzdem erkennen ehemalige YB-Weggefährten im heutigen Petkovic den Petkovic von damals vollumfänglich wieder. Vielleicht, weil der letzte Eindruck zählt.
Erst verliert er mit YB den Cupfinal gegen Sion. Trotz einer 2:0-Führung. Was ihn zur flapsigen Aussage verleitet: «Soll ich die Pistole holen?» Immerhin gelingt es ihm rasch, die Opferrolle abzulegen. Mit sieben Punkten Vorsprung auf den FC Basel geht YB im Dezember 2009 in die Winterpause. Und dann passiert, womit Petkovic überfordert ist. Basel verpflichtet den Berner Spielmacher Gilles Yapi für die kommende Saison. Petkovic wittert Verrat. Gegen aussen gibt er den Unerschütterlichen. Aber die steifen, trotzigen Auftritte offenbaren primär seine Unsicherheit und Verletzlichkeit. Diesen Eindruck kann er auch mit durchgestrecktem Rücken bei 1,90 m Grösse und mit hochgerecktem Kinn nicht kaschieren.
Es gibt YB-Leute, die reden von Paranoia. Unterhalten sich zwei Spieler, will Petkovic in Erfahrung bringen, was sie geredet haben. Und vor allem: Hatten sie über ihn geredet? Und dann die Kritiken. Dabei beteuert er, keine Zeitungen zu lesen. Doch das stimmt nicht. Er will alles wissen, alles kontrollieren und verliert dabei sehr viel. Den Titel, das Vertrauen der Spieler, die Liebe der Fans. Auch, weil Petkovic glaubt, die Management-Grundsätze der fussballfremden YB-Verwaltungsräte zu befolgen, wonach ein Angestellter wie Yapi, der von sich aus geht, freizustellen ist. Aber natürlich ist er aus seiner Sicht das Opfer.
Wenn er so drauf ist, wird’s schwierig. Dann drückt durch, was im krassen Gegensatz zu seiner Spielphilosophie steht: defensives Verhalten. Dann beginnt er bei jeder Antwort mit «Nein» und erklärt das Gegenüber zum Feind. Aber noch lieber, als sich der Situation zu stellen, verkriecht er sich. Wie nach dem verlorenen WM-Achtelfinal gegen Schweden, weil er mehr Feindseligkeit befürchtet, als ihm tatsächlich entgegenschlägt. Womit er sein royales Auftreten konterkariert. Doch worin gründet dieses Auftreten? Ein früherer YB-Mitstreiter sagt, Petkovic sei obrigkeitsgläubig. Nur stehen da jetzt nicht mehr viele über ihm, dem Nationaltrainer. Was mitunter auch begründet, warum von Verbandsangestellten kolportiert wird, er sei beratungsresistent.
Kürzlich sagte er in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger»: «Ich möchte aus mir einen besseren, gemütlicheren, lockereren Menschen machen.» Schön. Und es braucht gar nicht viel. Etwas weniger Misstrauen, etwas mehr Lockerheit, sich etwas häufiger an die eigenen Worte erinnern: «Gestern ist vorbei», behauptet er mal, sei sein Lebensmotto.
Nun, zuzutrauen ist ihm der Wandel. Er hat sich als Nationaltrainer schon einmal aus einer kniffligen Situation befreit. 2016 war es, kurz vor der EM. Der «Balkan-Graben» spaltete das Team. Und es rückten Spieler ins EM-Camp ein, die befürchteten, Petkovic hätte die Garderobe bereits verloren. Doch so nahbar und unverkrampft wie damals im Tessin hatten ihn die Nationalspieler nie zuvor erlebt. Das Resultat: Eine mehr als anständige EM.
Sieht man mal von Xherdan Shaqiri ab, hat Petkovic derzeit kein Problem im Team. Gelingt es ihm, die Fassade niederzureissen, auch mal etwas preiszugeben, was ihn sympathisch macht, das sphinxhafte und dieses unterschwellige Die-Schweiz-hat-mich-wegen-meiner-Herkunft-nicht-gern abzulegen, spräche nichts gegen eine Vertragsverlängerung. Selbst wenn man beim Verband schon jetzt über eine Alternative ab nächstem Sommer nachdenken sollte. Erstens: Wer sollte das sein? Zweitens: Was verspricht man sich davon? Klar, endlich mal einen Viertelfinal. Also sind wir bei diesem einen Spiel, beim WM-Achtelfinal gegen Schweden, das man Petkovic ankreiden kann. Das ist nicht sehr viel in über fünf Jahren.
Unter keinem Coach ausser Petkovic spielte die Schweiz einigermassen dominant.
Bei Kuhn waren es Aufopferungskämpfe, bei Hitzfeld gab es immer wieder spannende Jungspunde.
Aber weder der Eine noch der Andere lies schön spielen und wehe sie mussten das Spiel machen.
Petkovic leistet gute Arbeit und fertig. Das dauernde Gemotze ist zum kotzen
Vielleicht sollte Vladi die Interviews in Zukunft in einer Sprache halten die Er mag... Hopp Schwiiz
Mit der Verpflichtung Tamis, welcher zwar unbestritten über viel fussballerische Kompetenz verfügt aber trotzdem wohl die schlechtmöglichste Lösung für diesen Posten ist, hat der Verband gezeigt, dass er nicht über die Kompetenz verfügt und vielleicht auch nicht den Willen, Reformen anzugehen.
Aber die hiesigen Sport-Journalisten, deren Aufgabe es wäre diesen Misständen nachzugehen und Druck auf den Verband zu machen, schreiben den Trainer weg. Deskhead.