Leicester ist wieder Leicester! Offensichtlich hat es die bittere Trainerentlassung von Claudio Ranieri gebraucht, um auf die Erfolgsspur zurückzufinden. Nachfolger Craig Shakespeare ist aber keineswegs ein Magier. Blickt man auf die Aufstellung von gestern, ...
... fällt auf, dass sich diese eigentlich nur in einer Position von der Meistermannschaft der Saison unterscheidet: Der nigerianische Neuzugang Wilfred Ndidi spielt im Zentrum für den zu Chelsea abgewanderten N'Golo Kanté, der den Sieg der «Foxes» übrigens live im Stadion mitverfolgte.
Wieso der Meisterfussball unter Shakespeare plötzlich wieder funktioniert, ist wohl auf das fussballtypische Phänomen der gelösten Blockade zurückzuführen. Fakt ist, dass Leicester ihren erfolgreichen Retro-Fussball wieder mit absoluter Konsequenz zelebriert. Und dieser fusst auf folgenden sieben Eckpfeilern:
Der Zweikampf ist das simpelste Mittel, um den Gegner sehr direkt zu beeinflussen. Und die Leicester-Spieler haben dazu gestern keine Gelegenheit ausgelassen. Sie waren sich für keinen Zweikampf zu schade und haben diese mit der nötigen Leidenschaft und Härte, aber fast immer in den Banden der Fairness geführt.
Man prügelt redet es schon den Junioren ein:
Wo ist es am gefährlichsten?
Vor dem Tor.
Wo schicke ich also den Gegner hin?
Aussen rum.
Exakt!
Im gestrigen Fall bedeutete dies, dass die Spanier für die Engländer sehr berechenbar wurden und trotz oder wegen akuter Rechtslastigkeit nur wenig Gefahr erzeugen konnten. Sevillas erzwungene Flankenbälle waren ein gefundenes Fressen für die grossgewachsene Leicester-Defensive.
Wo ist es am gefährlichsten?
Immer noch vor dem Tor.
Genau! Und wie komme ich am schnellsten dorthin?
Geradeaus!
Der LCFC hält nichts von Tiki-Taka und Schnickschnack mit unnötigen Lateralpässen, die während der Saison zwischendurch zu sehen waren. Der Ball muss auf dem direkten Weg in die Offensive – egal wie.
Wenn der Ball dann in der Offensive ist, dann soll er möglichst aufs Tor kommen. Das passiert bei Leicester nicht sonderlich oft, darum ist es wichtig, die wenigen Chancen auszunutzen. Das vorentscheidende 2:0 durch Marc Albrighton – eine Mischung aus technischer Meisterleistung und Grümpi-Genialität – war einer von nur vier Schüssen auf das gegnerische Gehäuse. Sevilla hatte deren sechs.
Solche ausgelassenen Chancen wie die folgende kann sich Leicester nur selten leisten, die Selbstbestrafung von Jamie Vardy ist darum berechtigt.
Der «moderne Innenverteidiger» im Fussball (siehe Sergio Ramos, Mats Hummels oder Jesus Vallejo) ist neben seinem ausgeprägen Defensivgespür auch noch ähnlich feinfüssig und spielfreudig wie ein Spielmacher. Das ist bei Leicester anders. Ganz anders.
Wes Morgan und Robert Huth sind am Ball ähnlich virtuos wie die Eiche neben dem Stadion. Dafür sind sie überaus resolut im Zweikampf, absolut unzerstörbar und etwa doppelt so kopfballstark wie Philippe Senderos und Johan Djourou zusammen. Darum sind sie bei vielversprechenden Standards immer eine gefährliche Waffe.
Leicester hat in der Meistersaison auffallend viele Spiele mit einem Tor Unterschied gewonnen. Dazu gehört immer auch eine Prise Wettkampfglück, die man sich aber offensichtlich verdienen kann. Das war auch gegen Sevilla wieder so. Wäre Sergio Escuderos wunderbarer Weitschuss kurz vor dem 2:0 im Tor anstatt an der Latte gelandet, hätte das Spiel vermutlich eine ganz andere Wendung genommen.
Leicesters Defensive ist gut, aber nicht perfekt. Sie konnte sich in Notfällen aber immer auf ihre dänische «Wand» Kasper Schmeichel verlassen. Der 30-Jährige entschärfte mehrere aussichtsreiche Sevilla-Chancen und schaffte es als erster Goalie, in der Champions League sowohl im Hin- wie auch im Rückspiel einer K.o.-Runde einen Penalty zu halten.
In der Summe sind die Mittel der «Füchse» also weiterhin überschaubar, doch ihre Effektivität zeigte sich im Rückspiel wieder einmal eindrücklich. Trotz viel Ballbesitz fehlten Sevilla die Ideen und den gewohnten Rhythmus fand es nur selten. Verstänlich war, dass darum die Nerven der Andalusier strapaziert wurden. Was die dumme Aktion von Samir Nasri in der zweiten Halbzeit begründet, aber nicht legitimiert:
Unter Craig Shakespeare bringt Leicester seine Gegner wieder an ihre Grenzen. Das Resultat: Erstmals in dieser Saison drei Siege in Serie. Und so bleibt festzuhalten, dass das Märchen des letztjährigen Sensationsteams weitergeht. Wenn nicht in der Meisterschaft, dann halt in der Champions League. Wer wettet auf einen Leicester-Triumph?