Dorf-Oberhäupter im südlichen Afrika regieren ebenso gut wie gewählte Amtspersonen. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Fachjournal «Science Advances» publizierte sozialwissenschaftliche Studie. Vetternwirtschaft ist bei Häuptlingen sogar seltener als bei Beamten.
Untersucht wurden unterschiedliche Formen der Führung in Dörfern in Namibia. Ausgangspunkt der Studie war die politische Lage im seit 1990 unabhängigen Staat. Dort gibt es erst seit etwa 20 Jahren demokratische Basisinstitutionen auf lokaler Ebene. Oft bestehen ausserdem parallel traditionelle Autoritäten weiter.
Für ihre Untersuchung wählten die Wissenschaftler um Esther Blanco von der Uni Innsbruck und Björn Vollan von der Uni Marburg auf Zufallsbasis 32 ländliche Gemeinden aus. Aus jedem Dorf nahmen das traditionelle Oberhaupt, die demokratisch gewählten Obleute der Wasserentnahmestelle und zwölf Einwohner teil, insgesamt also 64 lokale Anführer sowie 384 Bürger.
Anschliessend erhielten die Führungspersonen verhaltensbezogene Aufgaben - etwa die Verteilung von Geld oder die Bestrafung von Fehlverhalten. So sollte etwa herausgefunden werden, wie fair diese entscheiden beziehungsweise ob sie Verwandte bevorzugen. Ausserdem wurden Oberhäupter wie Dorfbewohner zu den Regierungspraktiken der jeweiligen Führungspersönlichkeiten befragt. Darüber hinaus verglichen die Forscher die Studienregion mit bereits vorliegenden Umfragedaten aus anderen Gegenden Afrikas.
Resultat: Die lokalen Häuptlinge agierten nicht schlechter als die Wahlbeamten. Sie setzten sogar faire und demokratische Entscheidungsverfahren etwas besser um, neigten mithin noch etwas seltener zu Vetternwirtschaft. Beide Führungsgruppen zeigten ausserdem ähnliche soziale Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmale.
«Überraschenderweise gibt es keine Unterschiede zwischen den Obleuten, wenn man sie nach ihren Einstellungen zu demokratischen Wahlen, nach der Rechenschaftspflicht gegenüber den Dorfbewohnern oder nach Korruption fragt», so Blanco in einem Communiqué. Dies stimmte auch mit der Wahrnehmung der Dorfbewohner überein. Diese waren sogar insgesamt zufriedener mit der Leistung der traditionellen Oberhäupter.
Einschränkung der Autoren: Untersucht wurden nur Gemeinden mit nebeneinander bestehenden traditionellen wie gewählten Oberhäuptern. «Die Koexistenz der unterschiedlichen Führungstypen könnte dazu führen, dass alle höhere Ansprüche an ihr eigenes Verhalten stellen», meinte Blanco.
Die Forscher stellten auch fest, dass die Umsetzung demokratischer Strukturen in den Dörfern nicht in Idealform passierte. So wurden etwa Abstimmungen nicht geheim durchgeführt. «Die traditionellen Autoritäten hingegen übertreffen die erwarteten Standards häufig, indem sie legitim und rechenschaftspflichtig agieren und bei den Dorfbewohnern beliebt sind», so Blanco.
Eine Lösung sehen die Forscher in einer Kooperation: «Auf den traditionellen Institutionen aufzubauen oder mit ihnen zusammen zu arbeiten, statt sie aus Angst vor Despotismus links liegen zu lassen, könnte auf Dauer Vorteile für die Gemeinden in der Subsahara-Region bringen», betonte Vollan.
*Fachartikellink: https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.aay7651)
(cki/sda/apa)