Keynsham ist eine kleine Stadt im Südwesten Englands. Berühmt ist der Ort zwischen Bristol und Bath vor allem für seine Vergangenheit. Unter anderem für eine Schlacht im Mittelalter, als königliche Truppen auf Aufständische rund um den Herzog von Monmouth trafen. Nun wird Keynsham zum Schauplatz eines weiteren Kampfes. Des Kampfes gegen übermässig viel Plastikabfall. Ein Kampf, der sich nun auf die ganze Welt ausweiten könnte. Auch auf die Schweiz. Aber von vorn.
Alles fing vor zwei Wochen an, als sich 40 Umweltaktivisten zum gemeinsamen Wocheneinkauf im örtlichen Tesco-Supermarkt in Keynsham verabredeten. Doch von vornherein war vereinbart – es wird keine gewöhnliche Shoppingtour. Kaum bezahlt, packten die Aktivisten ihre Waren aus den Plastikverpackungen aus und liessen den Abfall zurück, der mehrere Einkaufswagen füllte. Ein Mahnmal, das Tesco sowie andere Supermärkte auffordern soll, weniger Plastikverpackungen zu produzieren.
Die Aktion warf medial hohe Wellen und fand Nachahmer. Bereits wenige Tage danach schwappte die Aktion von England auf Belgien über. Auch hier kauften Umweltaktivisten in einem Supermarkt ein und liessen den Abfall zurück.
Dass es bald auch in der Schweiz zu solchen «Plastic Attacks» kommen wird, steht eigentlich ausser Frage. Bereits wird auf Facebook für eine solche Aktion am 2. Juni in Zürich geworben. «Wir wollen, dass Supermärkte ihre unnötigen Plastik-Verpackungen überdenken! Wir wollen denn Müll nicht!», schreiben die Veranstalter. Als Ziel werden grosse Migros- und Coop-Filialen angegeben.
Die beiden Detailhändler geben sich beide zurückhaltend. Die Migros will sich gar nicht zur geplanten Aktion äussern und Coop-Sprecherin Andrea Bergmann sagt dazu lediglich: «Für uns ist es wichtig, dass unsere Kunden beim Einkaufen nicht gestört werden und dass es nicht zu Beschädigungen oder Littering kommt.»
Hinter der geplanten Aktion in Zürich steht Ann Dautzenberg. Die Physiotherapeutin hat den Event auf Facebook gepostet und steht in Kontakt mit Aktivisten aus Belgien. «Ich rege mich schon seit langem über die unnötigen Plastikverpackungen in den Supermärkten auf», sagt die Physiotherapeutin zu watson. Die Aktion sei eine gute Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen und zum Nachdenken anzuregen. Sie hofft, dass es nicht beim Zeichen bleiben, sondern tatsächlich etwas bewirken wird.
Davon ist Marco Pfister von der Umweltorganisation Greenpeace überzeugt. «Was ein ‹Sturm der Entrüstung› auslösen kann, hat sich Mitte März gezeigt.» Pfister spricht damit die in einen Plastiksack verpackten Apfelschnitze an, welche für kurze Zeit in den Regalen der Migros standen. «Da hat die Migros auf den Kundenprotest schnell reagiert und das Produkt wieder aus dem Sortiment genommen.»
Wow, @migros bietet neu auch Apfelschnitze für faule Menschen. Ich hoffe es sind genügend Konservierungstoffe enthalten. Sonst faulen auch noch die Äpfel. Man bedenke unseren ohnehin schon krankhaften Plastikverbrauch. Was denken wohl @GrueneCH @jGruene_jVertEs ? pic.twitter.com/6lvz6D4124
— Sebastian Rüthy (@SebastianRuthy) 13. März 2018
Auch der Umweltverband will die Engländer kopieren. Eine Regionalruppe von Greenpeace plant am 21. April im Kanton Waadt eine solche Aktion, die aber mit dem betroffenen Detailhändler abgesprochen sei, wie Pfister betont. Auf Facebook fordert Greenpeace zudem dazu auf, ihnen Bilder von unnötigen Plastikverpackungen zuzuschicken.
Gemäss der EU-Kommission wird europaweit jährlich rund 26 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon würden letztlich knapp 30 Prozent zur Wiederverwertung gesammelt. Der Rest landet auf der Müllkippe, in Verbrennungsanlagen oder in der Umwelt. Vor allem das letzte ist hochproblematisch.
«Jede Sekunde verschwinden 700'000 Kilogramm Plastik in den Meeren», sagte der EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans Mitte Januar vor den Medien. Wenn sich diese Politik nicht ändere, «wird es 2050 mehr Plastik als Fische, die im Meer schwimmen, geben».
Dass das Bewusstsein für das Problem in der Gesellschaft steigt, zeigen die No-Waste-Läden, die es mittlerweile in vielen grösseren Schweizer Städten gibt.
Solche kleinen Läden würden nicht ausreichen, ist sich Pfister sicher. «Die grossen Detailhändler müssen nachziehen».
Diese geben sich einsichtig. Man sei stets bemüht, den Verbrauch von Plastik laufend zu verringern, schreibt eine Sprecherin der Migros, «etwa auch in der Logistik». Und Bergmann von Coop: «Wir prüfen laufend, wo Verpackungsmaterial eingespart werden kann.» Sie nennt Zahlen: «Seit Sommer 2011 konnten wir über 3000 Tonnen Verpackungsmaterial reduzieren oder ökologisch optimieren.»