Schweiz
Wirtschaft

Coop und Migros aufgepasst – «Plastic Attack» kommt in die Schweiz

Mit Einkaufswagen voller Plastikabfällen wollen Umweltaktivisten Detailhändler zum Umdenken motivieren. 
Mit Einkaufswagen voller Plastikabfällen wollen Umweltaktivisten Detailhändler zum Umdenken motivieren. Bild: twitter

Coop und Migros aufgepasst – «Plastic Attack» kommt in die Schweiz

Wenn nach dem Einkauf viel Abfall im Supermarkt zurückbleibt, nennt sich dies «Plastic Attack». Die Aktion aus England erreicht jetzt auch die Schweiz.
12.04.2018, 08:3907.06.2018, 08:10
Mehr «Schweiz»

Keynsham ist eine kleine Stadt im Südwesten Englands. Berühmt ist der Ort zwischen Bristol und Bath vor allem für seine Vergangenheit. Unter anderem für eine Schlacht im Mittelalter, als königliche Truppen auf Aufständische rund um den Herzog von Monmouth trafen. Nun wird Keynsham zum Schauplatz eines weiteren Kampfes. Des Kampfes gegen übermässig viel Plastikabfall. Ein Kampf, der sich nun auf die ganze Welt ausweiten könnte. Auch auf die Schweiz. Aber von vorn.

Alles fing vor zwei Wochen an, als sich 40 Umweltaktivisten zum gemeinsamen Wocheneinkauf im örtlichen Tesco-Supermarkt in Keynsham verabredeten. Doch von vornherein war vereinbart – es wird keine gewöhnliche Shoppingtour. Kaum bezahlt, packten die Aktivisten ihre Waren aus den Plastikverpackungen aus und liessen den Abfall zurück, der mehrere Einkaufswagen füllte. Ein Mahnmal, das Tesco sowie andere Supermärkte auffordern soll, weniger Plastikverpackungen zu produzieren.

Die Teilnehmer der «Plastic Attack» in Keynsham

Bild
Bild: Facebook/Keynsham Plastic Re-Action

Die Aktion warf medial hohe Wellen und fand Nachahmer. Bereits wenige Tage danach schwappte die Aktion von England auf Belgien über. Auch hier kauften Umweltaktivisten in einem Supermarkt ein und liessen den Abfall zurück.

Dass es bald auch in der Schweiz zu solchen «Plastic Attacks» kommen wird, steht eigentlich ausser Frage. Bereits wird auf Facebook für eine solche Aktion am 2. Juni in Zürich geworben. «Wir wollen, dass Supermärkte ihre unnötigen Plastik-Verpackungen überdenken! Wir wollen denn Müll nicht!», schreiben die Veranstalter. Als Ziel werden grosse Migros- und Coop-Filialen angegeben.

Plastic Attack Zürich Veranstaltung
Bild: facebook

Die beiden Detailhändler geben sich beide zurückhaltend. Die Migros will sich gar nicht zur geplanten Aktion äussern und Coop-Sprecherin Andrea Bergmann sagt dazu lediglich: «Für uns ist es wichtig, dass unsere Kunden beim Einkaufen nicht gestört werden und dass es nicht zu Beschädigungen oder Littering kommt.»

Hinter der geplanten Aktion in Zürich steht Ann Dautzenberg. Die Physiotherapeutin hat den Event auf Facebook gepostet und steht in Kontakt mit Aktivisten aus Belgien. «Ich rege mich schon seit langem über die unnötigen Plastikverpackungen in den Supermärkten auf», sagt die Physiotherapeutin zu watson. Die Aktion sei eine gute Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen und zum Nachdenken anzuregen. Sie hofft, dass es nicht beim Zeichen bleiben, sondern tatsächlich etwas bewirken wird.

Davon ist Marco Pfister von der Umweltorganisation Greenpeace überzeugt. «Was ein ‹Sturm der Entrüstung› auslösen kann, hat sich Mitte März gezeigt.» Pfister spricht damit die in einen Plastiksack verpackten Apfelschnitze an, welche für kurze Zeit in den Regalen der Migros standen. «Da hat die Migros auf den Kundenprotest schnell reagiert und das Produkt wieder aus dem Sortiment genommen.» 

Auch der Umweltverband will die Engländer kopieren. Eine Regionalruppe von Greenpeace plant am 21. April im Kanton Waadt eine solche Aktion, die aber mit dem betroffenen Detailhändler abgesprochen sei, wie Pfister betont. Auf Facebook fordert Greenpeace zudem dazu auf, ihnen Bilder von unnötigen Plastikverpackungen zuzuschicken.

Gemäss der EU-Kommission wird europaweit jährlich rund 26 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon würden letztlich knapp 30 Prozent zur Wiederverwertung gesammelt. Der Rest landet auf der Müllkippe, in Verbrennungsanlagen oder in der Umwelt. Vor allem das letzte ist hochproblematisch.

«Jede Sekunde verschwinden 700'000 Kilogramm Plastik in den Meeren», sagte der EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans Mitte Januar vor den Medien. Wenn sich diese Politik nicht ändere, «wird es 2050 mehr Plastik als Fische, die im Meer schwimmen, geben».

Dass das Bewusstsein für das Problem in der Gesellschaft steigt, zeigen die No-Waste-Läden, die es mittlerweile in vielen grösseren Schweizer Städten gibt.

Solche kleinen Läden würden nicht ausreichen, ist sich Pfister sicher. «Die grossen Detailhändler müssen nachziehen».

Diese geben sich einsichtig. Man sei stets bemüht, den Verbrauch von Plastik laufend zu verringern, schreibt eine Sprecherin der Migros, «etwa auch in der Logistik». Und Bergmann von Coop: «Wir prüfen laufend, wo Verpackungsmaterial eingespart werden kann.» Sie nennt Zahlen: «Seit Sommer 2011 konnten wir über 3000 Tonnen Verpackungsmaterial reduzieren oder ökologisch optimieren.»

Menstruationsprodukte verursachen riesige Abfallberge

Video: srf

Plastik im Meer

1 / 21
Plastikmüll im Meer
Plastikmüll ist tödlich. (Bild: myplasticfreelife.com)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
62 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
N. Y. P. D.
12.04.2018 10:04registriert Oktober 2015
Wir erkunden das Universum bis in den letzten Winkel, fliegen bald zum Mars und die Autos fahren bereits selber herum.

Aber es ist noch immer nicht gelungen, einen Ersatz für Plastik zu finden, der die Umwelt nicht belastet.

Es wäre ein Multimilliardengeschäft wenn ein Unternehmen hier den Durchbruch erzielen könnte.
20417
Melden
Zum Kommentar
avatar
Leben und leben lassen
12.04.2018 10:21registriert April 2018
Das stimmt...es wird zuviel eingepackt ABER denkt daran, die Ware muss transportiert und eingeräumt werden! Wir produzieren selber Tomaten und Gurken.
10714
Melden
Zum Kommentar
avatar
Paul Badman
12.04.2018 10:07registriert November 2015
Das ist wieder so eine Inselsicht. Verpackung schützt auch Lebensmittel und macht sie länger haltbar (Stichwort Foodwaste). Zudem ist Plastik leichter und damit beim Transport umweltfreundlicher. Bei uns landet das im Kehricht und dann in der Verbrennung mit Fernheizung. Oder schmeisst ihr etwa den Plastik in den Wald? Im Laden gilt doch: was der Kunde nicht kauft, wird aus dem Sortiment genommen. Also kaufen und dann die Verpackung zurückbringen ist wirklich nur doof.
230141
Melden
Zum Kommentar
62
4-Tage-Woche: Erstes grosses Pilotprojekt in der Schweiz
Immer mehr Länder und Unternehmen testen die 4-Tage-Woche. Nun soll bald auch in der Schweiz ein gross angelegtes Pilotprojekt beginnen. Das Wichtigste zu den bisherigen Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Zur Story