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Wie die Saudis dem Westen helfen, Russland in die Knie zu zwingen

Wie die Saudis dem Westen helfen, Russland in die Knie zu zwingen

Leibwache vor den Portraits der saudischen Machthaber.Bild: EPA/AFP POOL
Es läuft alles über den Ölpreis
Der US-Präsident stattet Saudi Arabien einen Besuch ab. Dabei könnte er König Abdullah vorschlagen, mit billigem Öl den russischen Präsidenten in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. 
28.03.2014, 10:3023.06.2014, 14:44
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Ronald Reagan habe die Sowjetunion zu Tode gerüstet, lautet die gängige These zum Untergang von Breschnew & Co. Sie ist höchstens teilweise richtig. Der bedeutendste Faktor für den erstaunlichen Untergang der UdSSR ist nämlich erstaunlich banal: Ein Ölpreis von rund 10 Dollar pro Fass. Dieser Spottpreis hat in den 1980er Jahren die ehemalige Supermacht wirtschaftlich in die Knie gezwungen. 

Ein tiefer Ölpreis hätte auch für Wladimir Putin verheerende Konsequenzen. Ausser Kohlenwasserstoff hat Russland wirtschaftlich wenig zu bieten. Der Anteil der Industrie am russischen Bruttoinlandsprodukt ist von 18 auf 15 Prozent gesunken, und die Bevölkerung schrumpft. Würden die Einnahmen aus Öl und Erdgas wegfallen, hätte Russland daher grosse Probleme, die Renten seiner Pensionäre und die Ausbildung seiner Kinder zu finanzieren. Experten gehen davon aus, dass Russland einen Ölpreis von 110 Dollar pro Fass braucht, um seine Staatsfinanzen im Lot zu halten.

Saudi Arabien ist ein Swing-Producer

Der Ölpreis ist sehr volatil. Eine kleine Ursache kann grosse Wirkung haben. Daher liegt es auf der Hand, dass der Westen versuchen wird, die Ölwaffe gegen Putin einzusetzen. Saudi Arabien spielt in diesem Spiel eine bedeutende Rolle. Wie der Zufall es so will, stattet US-Präsident Barack Obama just in diesen Tagen einen Besuch beim saudischen König Abdullah ab. 

Saudi Arabien ist ein so genannter Swing-Producer. Will heissen: Es ist in der Lage, das weltweite Angebot an Öl und damit den Ölpreis zu beeinflussen. Als der Ölpreis vor rund sechs Jahren über 150 Dollar pro Fass stieg, sprangen die Saudis ein, steigerten ihre Produktion und konnten so das Schlimmste verhindern. Heute ist nicht die Weltwirtschaft, sondern die Geopolitik daran interessiert, dass sie dies erneut tun und für eine Ölschwemme auf den Märkten sorgen. 

Ölfässer auf einem Gelände in Jakarta, Indonesien.Bild: EPA

Werfen die Amerikaner ihre strategische Ölreserve auf den Markt?

Die Amerikaner könnten die Saudis dabei wirkungsvoll unterstützen. Sie verfügen über eine strategische Ölreserve in der Höhe von rund 700 Millionen Fass Öl. Diese Reserve ist heute dank Fracking nicht mehr nötig. Die USA könnten es sich daher leisten, täglich rund 500'000 Fass Öl auf den Markt zu werfen und so für billiges Öl zu sorgen und Putin mit einer Ölschwemme empfindlich zu schwächen.

In der ökonomischen Theorie tönt ein solches Szenario plausibel, in der politischen Praxis stellen sich ein paar knifflige Probleme. Das grösste davon besteht darin, dass der Haussegen zwischen den Saudis und den Amerikanern sehr schief hängt. Das hat verschiedene Gründe: 

Obama hat die Saudis mit seiner weichen Haltung verärgert

Die Saudis mögen Präsident Obama nicht. Mit seiner Versöhnungspolitik gegenüber dem Iran verärgert er das Königshaus in Riad. Die Perser sind Schiiten, die Saudis fanatische Sunniten und damit Todfeinde. Der wachsende Einfluss des Iran im Mittleren Osten ist für Saudi Arabien ein Albtraum, und sie machen die Politik von Obama dafür verantwortlich.

Auch in Syrien haben Saudis und Amerikaner das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Der herrschende Präsident Assad gehört zu den Alewiten, einer Untergruppe der Schiiten und wird daher vom Iran unterstützt. Die Saudis hätten es daher liebend gerne gesehen, wenn Obama seine Drohung nach dem Giftangriff wahr gemacht und militärisch in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen hätte. 

Auch die Saudis können sich billiges Öl nicht mehr leisten

Ein Problem für Riad sind auch die Vorgänge in Ägypten. Präsident Mubarak war ein enger Verbündeter des saudischen Königshauses. Abdullah & Co. verzeihen es daher den Amerikanern bis heute nicht, dass sie ihn während des arabischen Frühlings fallengelassen haben. Sie haben dafür gute Gründe: Saudi Arabien ist keine Demokratie. Es wird politisch dominiert von Herrschern, die, milde ausgedrückt, in die Jahre gekommen sind. Der König ist mehr als 90 Jahre alt, Kronprinz Salman nur unwesentlich jünger und soll auch gesundheitlich angeschlagen sein.

Der Spielraum der Saudis ist ohnehin beschränkt. Das Land hat zwar eine greise Regierung, aber eine sehr junge Bevölkerung. Um zu verhindern, dass sie auf dumme Gedanken kommt und mehr Freiheit und Demokratie fordert, wird sie vom Staat mit gut bezahlten Jobs bei Laune gehalten. Dafür braucht es die Milliarden aus dem schwarzen Gold. Ein Ölpreis unter 100 Dollar pro Fass würde daher bald auch für die Scheichs ein Problem. 

Wird Fracking in Europa ein Thema?

Rund ein Drittel des Erdgases in Europa kommt aus Russland. Auch die Europäer haben grosses Interesse daran, diese Abhängigkeit zu vermindern. Fracking wird daher in Europa zum Thema werden. Vor allem in Frankreich, Deutschland und möglicherweise auch in Polen gibt es grosse Vorkommen von Erdgas, die mit dieser neuen Technologie erschlossen werden könnten. Bisher hat man aber darauf verzichtet, hauptsächlich aus Gründen des Umweltschutzes. Fracking braucht grosse Mengen von Wasser, das mit Chemikalien angereichert wird. Das wiederum schürt die Angst vor einer Verschmutzung des Trinkwassers.

Hier werden Öl und Gas mit Fracking gewonnen: Gebiet um Monterey Shale in Kalifornien.Bild: Getty Images North America

Der Widerstand gegen das Fracking könnte sich angesichts der neuen geopolitischen Lage abschwächen. US-Vizepräsident Joe Biden hat sich letzte Woche bei seinem Besuch in Polen für eine Lockerung der Vorschriften für die Schiefergasbranche stark gemacht. Fracking ist jedoch keine kurzfristig verfügbare Wunderwaffe. «Selbst wenn der politische Wind für eine grössere Schiefergasförderung drehen sollte, dürfte die Produktion in Europa vor dem Jahr 2025 nicht einmal zehn Milliarden Kubikmeter jährlich erreichen» stellt das «Wall Street Journal» klar. Will heissen: Europa wird auf Jahrzehnte hinaus den weitaus grössten Teil seines Erdgasbedarfes importieren müssen. 

Der Westen wird einen langen Atem brauchen

Mit der gewaltsamen Eroberung der Krim hat Putin die Illusion einer friedlichen Weltordnung zerbrochen. Der Westen wiederum scheint erkannt zu haben, dass er diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts auf keinen Fall zulassen darf. Billiges Öl hin oder her: Es ist unwahrscheinlich, dass es bald zu einer gütlichen Einigung mit Putin kommen wird. Der Westen muss sich auf einen langen Konflikt mit Russland einstellen.  

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