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Corona-Proteste: Vierjähriger bekommt Pfefferspray ab

Versorgung für das Kind: Ein Vierjähriger hatte Pfefferspray abbekommen, als Protestierende in Schweinfurt durch die Polizeiabsperrung drängen wollten.
Versorgung für das Kind: Ein Vierjähriger hatte Pfefferspray abbekommen, als Protestierende in Schweinfurt durch die Polizeiabsperrung drängen wollten.screenshot: telegram

Vierjähriger bekommt an Querdenker-Demo Pfefferspray ab – so reagiert die Mutter

Eine Demonstration gegen die Coronapolitik endet mit Verletzten. Bei einem der sogenannten «Spaziergänge» bekommt auch ein Kind Pfefferspray ab. Werden Kinder etwa als Schutzschilde benutzt?
27.12.2021, 19:1827.12.2021, 19:51
Lars Wienand / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Ein laut schreiendes Kind. Polizisten, die daneben stehen, Demonstranten davon abhalten wollen, die ärztliche Versorgung des Kindes zu filmen und für ihren Einsatz beschimpft werden. Diese Szenen ereigneten sich am zweiten Weihnachtsfeiertag bei zum Teil gewalttätigen Protesten in Schweinfurt . Die Eskalation löst neue Debatten aus: Werden Kinder von Demonstranten als Schutzschilde genutzt?

Das ist passiert:

Einige Hundert Menschen aus der « Querdenker »- und Impfgegnerszene trafen sich am Sonntagabend gegen 18 Uhr zu dem, was sie «Spaziergang» nennen , was faktisch aber eine unangemeldete Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung ist.

Die Polizei wollte die Protestierenden am Zug durch die Stadt hindern und richtete zu diesem Zweck Sperren ein. Teilnehmer versuchten dann mehrfach diese Sperren zu durchbrechen. Das war auch um kurz nach 19 Uhr wieder der Fall: Die Polizei erklärt in einer Pressemitteilung, dass Einsatzkräfte «nach mehrfacher Ankündigung» auch Pfefferspray einsetzten, um das Durchbrechen der Demonstranten zu verhindern.

Eine Frau, mutmasslich die Mutter, schildert in einer auf Telegram verbreiteten Sprachnachricht die Vorfälle detaillierter. So habe sie mit ihren Kindern durchgewollt, weil den Kleinen kalt gewesen und ihr Auto in der Richtung abgestellt gewesen sei. Sie sei einem Bus gefolgt. Die Polizei bestätigt, dass die Situation entstand, als ein Linienbus durch die Kette gelassen werden musste und Demo-Teilnehmer das ausnutzen wollten. In diesem Moment kam es zum Pfeffersprayeinsatz.

Das geschah dem Kind:

Die Frau gibt in der Sprachnachricht an, sie sei mit drei Kindern unterwegs gewesen, eines auf der Babytrage auf dem Rücken, ein anderes im Kinderwagen und das Dritte lief vor ihr her. Die Frau nennt sich auf Telegram «Mamamitleibundseele». Das Baby auf ihrem Rücken habe nichts abbekommen, ihre achtjährige Tochter und ihr vierjähriger Sohn im Kinderwagen schon. Der Polizei ist nur von dem Vierjährigen bekannt, dass er «mit der Pfefferspraywolke in Kontakt» kam und wegen einer Augenreizung behandelt werden musste.

Das übernahm ein Sanitätsteam der Polizei, das dem Kind die Augen spülte. Die Polizei und die Frau in der Sprachnachricht berichten übereinstimmend, dass das Kind später keine Beschwerden mehr hatte. Die mutmassliche Mutter hatte offenbar in dem Kanal «Impffrei Schweinfurt» gefragt, ob es okay sei, Kinder mitzubringen und war dazu ermutigt worden. Der Kanal ist nicht mehr zugänglich.

Das geschieht nun:

Die Mutter erhielt eine Ordnungswidrigkeitenanzeige nach dem Versammlungsgesetz. Die Polizei wird den Vorfall aber auch dem Jugendamt melden, das eine eventuelle Gefährdung des KIndeswohls prüfen könnte. Der Rechtsanwalt Markus Haintz aus der «Querdenker»-Szene rief Zeugen auf, sich bei ihm zu melden. Er verbreitete, die Polizei habe absichtlich in Richtung der Kinder mit dem Reizstoff gesprüht und ein Verbrechen begangen, um Menschen vom Demonstrieren abzuhalten. Er stelle Kontakt zu «internationaler Presse» her. Die Polizei dazu: «Diese Behauptungen entsprechen nicht der Wahrheit. Pfefferspray wurde gegen unfriedliche, volljährige Versammlungsteilnehmer eingesetzt. Das Kind kam lediglich mit der Sprühstosswolke kurzfristig in Kontakt.»

Das wird daraus gemacht:

Auf Twitter trendeten die Hashtags #SW2612 und #Pfefferspray sehr schnell. Auf dem sozialen Netzwerk finden es vor allem schwere Vorwürfe gegen die Mutter, die mit kleinen Kindern in erster Reihe auf einer Kundgebung mit Gewaltbereiten und Rechtsextremisten sei. Teilweise hatte ein lokaler Vertreter der Neonazi-Partei III. Weg die Wortführerschaft bei der Demonstration, Teilnehmer waren auch immer wieder angestachelt worden, sich nichts gefallen zu lassen.

Verbreitet wurden auf Twitter auch Screenshots, die weitere Empörung über die «Querdenker»-Szene schürten: Darin wurde aufgefordert, mit Kindern in die erste Reihe zu gehen, weil die Polizei dann nichts tun könne oder emotionale Bilder entstünden. Kinder bekommen auf diese Weise die Funktion von Schutzschilden. Es ist aber fraglich, ob einige der etliche Monate alten Nachrichten in öffentlichen Gruppen nicht von Trollen geschrieben wurden. Manche Accounts waren kurz vor der Demonstration neu angelegt worden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte aber, komme häufiger vor, dass Eltern ihre Kinder als Schutzschilde gegen polizeiliche Massnahmen einsetzten. Das sagte GdP-Chef Oliver Malchow der «Rheinischen Post». «Diese Mütter und Väter nehmen in Kauf, dass ihr Kind in eine gewalttätige Auseinandersetzung gerät.» Der Vorfall in Schweinfurt sei dafür beispielhaft. 

Die rechtsextreme Partei «Freie Sachsen» verbreitete auf Telegram ein Foto des «III. Wegs» und die Nachricht des verletzten Kindes, um damit weiter aufzustacheln: Es sei nur eine Frage der Zeit, bis «das Regime» die ersten Bürger «töte», heisst es dort. In einigen Gruppen, in die diese Nachricht weitergeleitet wurde, gab es um das Posting Diskussionen und es wurde wieder entfernt. In anderen Kanälen gab es Kommentare, in denen die Todesstrafe für eingesetzte Polizisten gefordert wurde. Das Video des Kindes in der Behandlung der Sanitäter wurde auch in verschiedene Sprachen übersetzt und noch in der Nacht international verbreitet. 

Das geschah auf der Demo noch:

Bei der Demonstration wurden laut Polizei insgesamt acht Beamte durch Faustschläge und Fusstritte teils mittelschwer verletzt. Polizisten nahmen acht Menschen vorläufig fest – unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung, Körperverletzung und tätlichen Angriffs gegen Polizeibeamte. Einer der Teilnehmer aus der rechten Szene hatte ein bei der Demo verbotenes Einhandmesser dabei. Auch er wurde vorläufig festgenommen.

Bereits im Laufe des Montags sollten einige Beteiligte im beschleunigten Verfahren vor Gericht landen. Schweinfurt ist einer der Schwerpunkte der Anti-Corona-Proteste. Zwei Wochen zuvor war dort auch versucht worden, ein Polizeiauto anzuzünden.

Verwendete Quellen:

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149 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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P4nd4k1n9
27.12.2021 19:46registriert August 2020
„Sie wollte dort nur durch, da ihr Auto in die Richtung lag“!
Sorry, wenn ich mit meinen Kindern in eine solche Situation gerate, dann nehme ich den Umweg aussenrum, und wenn es 4 Querstrassen weiter weg von meinem Auto sind!!!
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Haarspalter
27.12.2021 19:30registriert Oktober 2020
Die betroffenen Kinder tun mir extrem leid.

Sie können nichts dafür, sind Opfer und werden nun zu allem Übel noch für Propagagandazwecke missbraucht.
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alberich
27.12.2021 19:39registriert Juli 2020
„Mamamitleibundseele“

Ich bin langsam zu alt, als dass ich das noch verstehen müsste!
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