Schweiz
Wirtschaft

Gastrosuisse fordert Verzicht auf Covid-Zertifikat

Gastrosuisse fordert Verzicht auf Covid-Zertifikat: «Es schafft eine falsche Sicherheit»

Casimir Platzer, der Präsident von Gastrosuisse, wehrt sich gegen den Einsatz des Covid-Zertifikats. Weil sich auch Geimpfte anstecken können, sei der Impfausweis hinfällig, sagt der oberste Beizer des Landes.
09.08.2021, 06:39
Nina Fargahi / ch media
Mehr «Schweiz»

Er hat manch einen vor den Kopf gestossen. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder hat sich im «SonntagsBlick» für eine Zertifikatspflicht ausgesprochen für Veranstaltungen, Restaurants und Fitnesscenter. Ausserdem sollten Selbsttests nicht mehr gratis sein, so Mäder.

Casimir Platzer, Praesident GastroSuisse, posiert nach einer Medienkonferenz ueber die Probleme in der Politik auf die Branche des Gastgewerbes, aufgenommen am Dienstag, 27. Oktober 2020 in Zuerich. ( ...
Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer.Bild: keystone

In gewissen Arbeitsverhältnissen müsse auch geprüft werden, ob die Arbeitgeber die Impfung vorschreiben sollten, insbesondere in Alters- und Pflegeheimen. Für Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer sind diese Aussagen nicht nachvollziehbar:

«Ich finde es schade, dass der Wirtschaftsdachverband die direkt betroffenen Branchenverbände nicht konsultiert, bevor er solche Forderungen stellt.»

Der Verband Hotelleriesuisse, der zu Economiesuisse gehört, bestätigt: Die Forderungen von Mäder waren nicht abgesprochen. Denn Hotelleriesuisse sieht die Sache anders: «Wir lehnen eine Zertifikatspflicht grundsätzlich ab», sagt Patric Schönberg von Hotelleriesuisse.

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

Den Einsatz des Covid-Zertifikates finde man an bestimmten Orten zwar sinnvoll und angebracht, aber jedes Hotel entscheide selbst, wie es damit umgehen wolle. Platzer ist überzeugt: Man dürfe einen Grossteil der Bevölkerung nicht vom gesellschaftlichen Leben ausschliessen:

«Die Forderung nach einer Zertifikatspflicht in Restaurants führt auf Umwegen zu einer faktischen Impfpflicht, und das ist aus meiner Sicht höchst problematisch.»

Kafi oder Glas Wein gehört zum Alltag

In diesem Land würden die Beizen jeden Tag rund 2.5 Millionen Gäste empfangen. «Ein Kafi oder ein Glas Wein gehört für viele zum Alltag. Wenn man sich hierfür jedes Mal testen lassen muss, reichen die Testkapazitäten nicht aus.» Und: «Das Covid-Zertifikat lässt die Leute in einer falschen Sicherheit wiegen.» Denn auch Geimpfte könnten ansteckend sein und das Virus weiterverbreiten.

Ein getesteter Ungeimpfter könnte sogar sicherer als ein ungetesteter Geimpfter sein. Wenn man die Wirkung des Covid-Zertifikats genauer analysiere, dann müsste man eigentlich auf den Einsatz verzichten. Denn es komme offensichtlich auch zu Ansteckungen dort, wo das Zertifikat verwendet werde.

«Wichtig scheint mir, dass sich die Impfwilligen impfen können, aber dieser Stand sollte nun bald erreicht sein.» Danach müsste man in die Normalisierungsphase zurückkehren. «Das hat der Bundesrat mit seinem Drei-Phasen-Modell im Mai angekündigt», so Platzer.

Weil die meisten Risikogruppen mittlerweile durch die Impfung geschützt seien, sei die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitswesens deutlich tiefer als im Frühjahr. «Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben, und zwar so, dass allen in der Bevölkerung ein möglichst normaler Alltag gewährt werden kann», sagt der oberste Beizer.

Zwang und Ausschluss sind keine gute Strategie

Auch eine verhaltensökonomische Sichtweise legitimiert die Vorschläge des Economiesuisse-­Präsidenten Mäder nicht. So sagt der Verhaltensökonom Gilles Chatelain: Ein zentraler Aspekt von verhaltensökonomischen Strategien sei, dass Personen, die sich gegen eine erwünschte Handlung entscheiden – zum Beispiel aufhören zu rauchen –, keine persönlichen Nachteile erfahren dürfen. «Ich kann jemanden mit verhaltensökonomischen Massnahmen versuchen, zu einer Impfung zu motivieren.

Spricht sich die Person jedoch dagegen aus, darf sie dadurch nicht direkt benachteiligt werden», sagt Chatelain. Eine Diskriminierung von Nicht-Geimpften entspreche nicht den Grundsätzen der Verhaltensökonomie. So sagte auch Michael Jordi von der Gesundheitsdirektorenkonferenz kürzlich zu CH Media, dass man mit Expertinnen und Experten auf der Suche nach Ideen für niederschwellige Anreize sei, um die Menschen zur Impfung zu bewegen.» (bzbasel.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
23 Gründe, wieso watsons sich impfen lassen haben
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
331 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
snowflake_
09.08.2021 06:56registriert September 2019
Aha, Ungeimpfte sind sicherer als Geimpfte. Oder: Tatsachen verdrehen und ich mach mir die Welt so wie sie mir gefällt.

Solange Leute wie Platzer, Durchseuchungsfanatiker Eichenberger oder die Freunde der Verfassung in der Schweiz dank False Balancing mehr Medienpräsenz erhalten als Virologen, muss man sich nicht wundern, dass wir in Westeuropa das Schlusslicht bezüglich Impfen sind.
45382
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rethinking
09.08.2021 07:06registriert Oktober 2018
«Es schafft eine falsche Sicherheit» Billige Ausrede…

Es geht letztlich doch nur im die Angst dass weniger Kunden kommen…

Ist dies Schweizweit Vorgabe glaube ich aber nicht, dass es zu all zu Grossen Einbussen kommt…
29148
Melden
Zum Kommentar
avatar
goschi
09.08.2021 07:27registriert Januar 2014
"Wenn man sich hierfür jedes Mal testen lassen muss, reichen die Testkapazitäten nicht aus."

Aber die Impfkapazität, die reicht problemlos.


Mich regt sowas auf, wenn Leute solchen Quatsch medienwirksam verbreiten können, ohne dass es eingeordnet wird (Medienaufgabe war mal einordnen, nicht nur raushauen)

Genau darum geht es nicht mehr vorwärts, weil man lieber Relativierern und Laferis Platz gibt, als denen die Aufklärung betreiben.
26546
Melden
Zum Kommentar
331
Exporte von Schweizer Süssigkeiten steigen an

Im vergangenen Jahr wurden mehr Süssigkeiten aus der Schweiz exportiert. So legten die Exporte der Schweizer «Zuckerwaren» im Jahr 2023 deutlich zu. Einbussen verzeichneten dagegen die «Dauerbackwaren».

Zur Story