Wie früher ist es nicht mehr, das ist auch Erwin Oester schon aufgefallen. «Es tut sich etwas», sagt der Adelbodner. Er sitzt auf seinem Balkon, lässt den Blick schweifen, zu den Bergen, die hier oben ganz nah sind. Den Adelbodner Hausgletscher sieht Oester von seinem Hof aus zwar nicht. Aber er weiss auch so, dass der Wildstrubel-Gletscher kleiner geworden ist in den letzten Jahren. Und natürlich tut ihm das weh, so wie vielen Leuten in Adelboden.
Erwin Oester ist bald 40 Jahre alt, in Adelboden geboren und aufgewachsen. Er führt einen Bauernhof, und weil das allein nicht zum Leben reicht, führt er auch eine Bergbahn. Oester hat zwei Berufsleben, und in beiden spielt die Natur eine gewaltige Rolle. Als Bauer hat er gemerkt, dass die Pflanzen länger wachsen. Als Bergbahnbetreiber, dass der Schnee seltener wird. Das Bauernhaus, in dem er gerade auf dem Balkon sitzt, bewohnt er mit seiner Frau und den sechs Kindern, von denen eines vielleicht dereinst den Hof übernehmen wird.
Als die Schweiz über das CO2-Gesetz abgestimmt hat, das etwas dazu beitragen soll, das Klima zu schützen, da hat Erwin Oester ein Nein eingelegt. Ein entschlossenes noch dazu. Im Abstimmungskampf ging es oft um Gletscher, um Murgänge, um fehlenden Schnee. Die Umweltministerin Simonetta Sommaruga betonte, wie die Schweiz unter dem Klimawandel leidet. Sie implizierte damit, dass es bei der Abstimmung auch darum gehe, die schöne Landschaft zu retten, vor allem die in den Bergen.
Doch ausgerechnet die, die gerettet werden sollten, lehnten das Klimagesetz wuchtig ab. Leute wie Erwin Oester aus Adelboden, Berner Oberland, Einwohnerzahl etwa 3300. Der Nein-Anteil im Dorf: 77.3 Prozent. Die Stimmbeteiligung? Gewaltige 75 Prozent. So wie in Adelboden sah das vielerorts aus im Berggebiet. Nicht überall war die Sache so deutlich. Doch die Rufe aus den Alpen waren letzten Sonntag unüberhörbar. Nein aus Zermatt. Nein aus Andermatt. Nein aus dem Engadin. Nein, und das besonders lautstark, aus dem Berner Oberland.
Die Frage geht an Erwin Oester, den sechsfachen Vater, der jünger wirkt, als er tatsächlich ist. Zu ihm gibt es noch zu sagen, dass er der Präsident der SVP-Sektion Adelboden ist. Jener Partei also, die das CO2-Gesetz quasi im Alleingang gebodigt hat, gegen alle Parteien, gegen den Grossteil der Wirtschaft, auch: gegen den Bauernverband. Allerdings, sagt Bauer Oester, sei das alles nicht so wichtig im Berner Oberland.
Dann erzählt er, wie viel für das Klima schon getan wird in den Bergen. Er zeigt auf seine Sonnenkollektoren, erzählt von der Holzheizung, seinem Biohof, den Öko-Flächen, rund 40 Prozent. «Ich bin der Ansicht, dass ich meinen Teil leiste, und zwar aus eigenem Antrieb, ohne staatlichen Zwang», sagt er. So wie ihm gehe es vielen in der Gegend. Man schätze die Natur, unternehme viel für ihren Schutz. Aber man wolle keine höheren Abgaben, von denen man dann nicht wisse, wie viel in der Verwaltung versickert. Er sagt:
Oesters Hof liegt in einem der Weiler, die Adelboden umgeben. Man kennt das Dorf im ganzen Land für seine Skirennen, ein Slalom und ein Riesenslalom, jeden Winter zu Beginn des Januars auf dem Chuenisbärgli. Hans Pieren ist den steilen Hang als junger Rennfahrer einst selbst heruntergefahren. Später wurde er Rennleiter des Rennens in seinem Heimatdorf.
Fast 30 Jahre macht er das mittlerweile schon, und über die Jahre hat er festgestellt, dass es immer schwieriger wird, eine gute Piste zu präparieren am Chuenisbärgli. Die Wärme, der fehlende Schnee machen ihm zu schaffen. Das Rennen, das jährlich mehrere Millionen ganz reale Franken ins Dorf bringt und noch viel mehr an Werbeeffekt, hat schwer mit dem Klimawandel zu kämpfen. Und doch wollen die Adelbodner kein neues Klimagesetz.
Pieren beginnt mit einer Geschichte. Einst habe er bei seinem Sohn übernachtet, in Bern, weil er am nächsten Tag früh zum Flughafen musste. Am Abend habe er gefragt, wie der Fahrplan aussehe. Den brauche er nicht, beschied ihm dieser. «Und so war es dann auch: Ich stand um halb sechs Uhr morgens da, zuerst kam ein Tram, drei Minuten später wäre ein Bus gefahren», sagt Pieren, «ich konnte es nicht glauben.»
Was er damit sagen will: In der Stadt geht es vielleicht ohne Auto. Und damit auch mit den höheren Benzinpreisen, die das CO2-Gesetz gebracht hätte. Aber eben nicht im Berggebiet. Pieren sagt, die Oberländer machten viel, um im Einklang mit der Natur zu leben, und sie wüssten sehr gut, wie wichtig sie auch für den Tourismus sei. «Jetzt hatten sie den Eindruck, dass man ihnen einmal mehr dreinreden und das Leben in den Bergen noch teurer und komplizierter machen will», sagt Pieren. Er selbst nahm nicht teil an der Abstimmung, weil er im Frühsommer jeweils ein paar Wochen im Ferienhaus in Andalusien weilt.
Im Berner Oberland gab es viele Nein-Stimmen, doch es gibt dort auch: Jürg Grossen. Er ist Nationalrat für die Grünliberalen und deren Präsident, dazu auch von Swissolar und Swiss e-Mobility, also der Sonnenenergie- und der Elektromobilitätslobby. Er ist eines der Gesichter der Klimadebatte. Und Grossen kommt aus Frutigen, der Nachbargemeinde von Adelboden. Doch selbst dort, in seinem eigenen Dorf, sagten 72 Prozent Nein. Wenn er, der Einheimische, es nicht schafft, die Oberländer vom CO2-Gesetz zu überzeugen - wer dann?
Zuerst einmal schluckt Grossen leer, als er sich nochmals all die Zahlen anhören muss, 77 Prozent Ablehnung in Adelboden, 72 Prozent in Frutigen. «Ernüchternd», sagt er. Und erzählt dann, dass er schon seit mehr als zehn Jahren daran arbeite, in seiner Heimat zu vermitteln, warum Klimaschutz für diese Region wichtig und mit «so viel Wasser, Holz und Sonne» gar eine grosse Chance sei. Aber es gelinge ihm noch zu wenig. Grossen sagt, gerade in den Berggebieten hätten viele vom neuen CO2-Gesetz profitiert, auch finanziell, etwa über die Rückerstattung von Abgaben. «Doch leider haben wir es nicht geschafft, das zu vermitteln», so der Frutiger, der nicht daran denkt, seine Mission aufzugeben. Er will nun auf eine Politik der kleinen Schritte setzen. (aargauerzeitung.ch)
Seine Aussage, die Gesellschaft müsse sich „als Ganzes“ ändern, heisst in Wahrheit nur, dass zuerst die anderen etwas tun sollen, er aber nicht. Denn beim CO2 Gesetz wäre es exakt darum gegangen, dass sich die Gesellschaft als Ganzes ändert.
Einfach frustrierend, diese kurzsichtige Haltung.
Was er als seine Leistung für die Umwelt ausgibt, ist in Wahrheit vom Staat hoch subventioniert. Aber wenn es um Einnahmen geht um all diese Subventionen auch zu finanzieren..... böser Staat