Auch der Bund ist über den Schwund der Biodiversität alarmiert

Auch der Bund ist über den Schwund der Biodiversität alarmiert

19.07.2017, 17:04

Zwei Tage nachdem verschiedene Umweltorganisationen den Schwund der Biodiversität in der Schweiz beklagt hatten, publiziert der Bund eine Studie mit dem gleichen Fazit: Fast die Hälfte der Lebensräume und mehr als ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten seien bedroht.

Am Montag hatten die Umweltverbände BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz einen Bericht zur Umsetzung der «Strategie Biodiversität» des Bundesrats vorgelegt. Sie kamen zum Schluss: Zur Rettung der bedrohten Biodiversität sei nichts geschehen, der Bund schaue nur zu.

Von den 18 strategischen Zielen des Bundesrats könne nur ein einziges erreicht werden. Nur bei 14 von 120 Teilzielen werde genug getan, um sie zu erreichen. Für die 106 anderen Teilziele werde nichts oder viel zu wenig unternommen.

Auch BAFU alarmiert

Am Mittwoch veröffentlichte nun das Bundesamt für Umwelt (BAFU) seine eigene Studie «Biodiversität der Schweiz» - und zeichnet darin ebenfalls «ein alarmierendes Bild»: Zahlreiche natürliche Lebensräume wie Trockenwiesen und Feuchtgebiete seien nur noch als Restflächen vorhanden.

Das Verschwinden dieser Gebiete erhöhe das Risiko, dass diejenigen Arten ausstürben, die von diesen Lebensräumen abhängig seien. Die Folge davon seien eine sinkende Vielfalt der Lebensräume und eine Homogenisierung von Landschaften und Artengemeinschaften.

Mehr Siedlungen und Klimaerwärmung

Als Grund für den Schwund der Biodiversität gibt das BAFU zum einen den wachsenden Flächenbedarf für Wohnraum an, aber auch die intensive Nutzung von Boden und Gewässern durch die Landwirtschaft. Zum anderen werde der Druck von invasiven Arten, Mikroverunreinigungen und die hohe Belastung durch Stickstoff durch die Klimaerwärmung immer grösser.

«Die Biodiversität ist die Grundlage für das Leben auf dieser Erde und betrifft uns alle», schreibt das BAFU. Sie erbringe unverzichtbare Leistungen für die Gesellschaft wie Trinkwasser, saubere Luft, fruchtbare Böden und schütze vor Naturgefahren. Der anhaltende Verlust an biologischer Vielfalt stelle eine Gefahr für den Wohlstand und die Lebensqualität der Menschen in der Schweiz dar.

Massnahmen gehen nicht weit genug

Im Rahmen der Strategie Biodiversität des Bundesrates hätten Bund und Kantone zwar verschiedene Massnahmen ergriffen, wie die Schaffungen von Waldreservaten und Biodiversitätsförderflächen im Agrarland, die Förderung von Gewässernaturierungen und den Schutz von Lebensräumen von nationaler Bedeutung wie Moorlandschaften.

Trotzdem anerkennt das BAFU, dass der Biodiversitätsverlust dadurch nicht gestoppt, sondern nur gebremst werden konnte. Die Schutzmassnahmen müssten in Zukunft konsequenter vollzogen werden, denn zahlreiche dieser Flächen könnten wegen mangelnder Qualität ihre Funktion nicht mehr zu erfüllen.

Der Bundesrat habe deshalb bereits 2016 die Mittel für Sofortmassnahmen zur Aufwertung der Biotope von nationaler Bedeutung und der Waldbiodiversität für die Jahre 2017 bis 2020 auf 135 Millionen Franken erhöht, sagte Gabriella Silvestri von der Abteilung Ökosysteme und Landschaften im BAFU auf Anfrage. Das Ziel des Berichts sei es jedoch nicht gewesen, die bundesrätliche Strategie zu bewerten, sondern lediglich den Zustand der Biodiversität aufzuzeigen.

Bund muss Handeln

Der Bundesrat will den Aktionsplan zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie in der zweiten Jahreshälfte 2017 beraten. Das reicht den Umweltorganisationen aber nicht. Sie sehen ihre Position mit dem BAFU-Bericht bestätigt: Die bisherigen Anstrengungen zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität reichten offensichtlich nicht, schrieben sie in einer Mitteilung vom Mittwoch.

BirdLife, Pro Natura und WWF fordern den Bund deshalb auf, «endlich einen griffigen und wirksamen Aktionsplan Biodiversität zu verabschieden und die dafür benötigten Gelder und personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.»

Ausserdem wollen sie selbst einen Rettungsplan entwickeln. Die 120 vom Bundesrat definierten Teilziele sollen auf die 25 wichtigsten verdichtet und nach den Sommerferien Bundespräsidentin Doris Leuthard vorgelegt werden. (sda)

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