Schweiz
Gesellschaft & Politik

Andrea Gmür (CVP) mischt mit Gedicht die Ratsdebatte auf

«Die Quotenfrau, die ist nicht dumm»: CVPlerin mischt mit Gedicht den Nationalrat auf

In Verwaltungsräten von grossen Firmen sollen künftig mindestens 30 Prozent Frauen sitzen. Eine bürgerliche Nationalrätin hat auf poetische Weise für die Gesetzesänderung geworben. Auch sonst geht es in der Vorlage um viel. 
14.06.2018, 16:1514.06.2018, 17:41
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Zum Thema Frauenquoten ist in der Schweiz eigentlich alles gesagt. Die Linken beklagen, dass die Schweiz «im internationalen Vergleich massiv hinten nach hinkt» (Susanne Leutenegger Oberholzer, SP). Rechte betrachten Quoten als «entwürdigend und beleidigend für Frauen, weil sie implizieren, Frauen würden es ohne fremde Hilfe nicht schaffen» (Claudio Zanetti, SVP).

So verlief der Diskurs auch heute wieder, als der Nationalrat im Rahmen der Aktienrechts-Revision eine Geschlechterquote für die Führungsgremien börsenkotierter Unternehmen diskutierte.

Doch dann, plötzlich, waren alle Augen aufs Rednerpult gerichtet. Mit ungewöhnlichen Mitteln warb eine Mitte-Politikerin für die Geschlechterquote. Andrea Gmür-Schönenberger (CVP) trug ihr Anliegen in Gedichtform vor:

Andrea Gmür mit einem Gedicht zur Frauenquote.Video: YouTube/CVP PDC PPD

«Für rote Köpfe und fast Tote sorgt ein Wort: die Frauenquote.

Ohne Prestige, schlecht der Ruf, als Gott die Quotenfrau erschuf.

Nur weiss ich leider nicht warum, die Quotenfrau, die ist nicht dumm. Sie ist die einzige Erlauchte, die eine Männergruppe brauchte.

Umgekehrt nennt sich das klar Hahn im Korb, ganz wunderbar. Niemandem käme in den Sinn, in seinem Hirn, da ist nix drin.»

Mit diesen Zeilen eröffnete Gmür ihr Votum. Um danach zu argumentieren, gemischte Teams seien «effizienter, agiler, klüger, intelligenter». Schliesslich richtete sie einen deutlichen Appell an ihre Kollegen im bürgerlichen Lager: 

«Ich erlaub' mir einen Tipp: Dagegen sein nur aus Prinzip, das wär' ein Zeichen leichter Blösse, ich hoffe gern auf Ihre Grösse.

Auch Enthalten wär' genial, eine akzeptable Wahl. Doch federleicht ist die Version, ein Ja wär' allerhöchster Lohn.

Es ist Zeit, dass etwas geht, dass die Welt sich leicht bewegt. Die CVP, sie unterstützt alles, was uns Frauen nützt.

Ich bitte Sie, tun Sie das auch, gemässigt nur, so will's der Brauch. Der Kompromiss ist für Sie da, treten Sie ein und sagen Sie Ja!»

Die Vorlage sieht vor, dass in Verwaltungsräten börsenkotierter Konzerne beide Geschlechter mindestens zu 30 Prozent vertreten sind, in der Geschäftsleitung zu 20 Prozent. Ein Entscheid steht noch aus.

Neben der Geschlechterklausel enthält die Revision des Aktienrechts noch weitere brisante Punkte:

Verantwortung von Konzernen im Ausland

Aktivistinnen- und Aktivisten von "Fastenopfer" und "Brot fuer Alle" bei einer symbolischen Aktion mit einem Goldbarren gegen Menschenrechtsverletzungen beim Goldhandel am Montag,  ...
Aktivisten demonstrieren vor dem Bundeshaus gegen Menschenrechtsverletzungen im Goldhandel.Bild: KEYSTONE

Im Gesetz soll ein Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungs-Initiative verankert werden. Ziel ist, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz Menschenrechte und Umweltschutz auch im Ausland respektieren müssen.

So müssten Verwaltungsräte künftig beispielsweise überprüfen, welche Auswirkungen ihre Geschäfte auf die Menschenrechte in den betroffenen Ländern haben. Zudem wären sie verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, um Schäden an Leib und Leben oder Eigentum zu verhindern.

Eine Mehrheit des Nationalrats stimmte dem Gegenvorschlag zu – gegen den Willen der SVP und eines Teils der FDP. Mit dem Gegenvorschlag will der Rat erreichen, dass die Initianten die Konzernverantwortungs-Initiative zurückziehen.

Regeln gegen Abzocker

Thomas Minder, Parteilos-SH, spricht zum Jadggesetz, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 5. Juni 2018 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Thomas Minder ist der Vater der Abzocker-Initiative.Bild: KEYSTONE

Weiter sollen nach dem Willen des Nationalrats auch die Bestimmungen der 2013 angenommenen Abzocker-Initiative im Gesetz verankert werden. Bisher sind die Regeln lediglich in einer Verordnung festgelegt. 

Gemäss dem Verfassungsartikel müssen die Aktionäre börsenkotierter Unternehmen über die Gesamtsumme der Vergütungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung abstimmen. Antrittsprämien und Abgangsentschädigungen sind verboten.

Ginge es nach den Linken, müssten die Regeln eigentlich noch strenger werden. Die Löhne seien bisher nicht gesunken, sagte SP-Frau Susanne Leutenegger Oberholzer. Die Schweiz habe heute europaweit die höchsten Entschädigungen.

Die rechtsbürgerliche Seite warnte ihrerseits davor, die Schweizer Unternehmen gegenüber ausländischen zu benachteiligen. Das Gesetz sei so auszugestalten, dass die Gesellschaften die Statuten nicht ändern müssten, forderte Petra Gössi (FDP). 

Über die Frauenquoten wird im Anschluss im Detail beraten.

Die SVP bekämpft das gesamte Paket. Sie wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückschicken und ihn damit beauftragen, eine neue Version zu präsentieren, die sich auf die Abzocker-Gesetze beschränkt. Der Nationalrat hatte dafür jedoch kein Gehör: Er hat den Rückweisungsantrag am Morgen abgelehnt. 

(jbu)

Mit Material der SDA

In Spanien ist die Regierung ziemlich weiblich

Video: srf

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Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen (10.03.2019)
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quelle: keystone / gian ehrenzeller
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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pbel
14.06.2018 18:00registriert April 2017
Ich finde die Idee von Quotenfrauen schlimm. Das diskreditiert alle Frauen die es durch Intelligenz und Fleiss in solche Gremien geschafft haben als: war nicht qualifiziert, aber musste halt auch noch sein.
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