Vor der Messe checkt man noch schnell die Ratings. Welche Künstler sind hip, welche gelten als wichtig, und wo liegt aktuell ihr Preisranking. Dabei fällt auf: Am wichtigsten ist nicht gleich am teuersten.
Um es mit meinen «Lieblingskünstlern» zu illustrieren: Der amerikanische Kitschier Jeff Koons ist der teuerste. Bis 80 Millionen Dollar kosten seine buchstäblich aufgeblasenen Werke. Da muten 30 Millionen für den begnadeten Maler Gerhard Richter geradezu bescheiden an. Vor allem weil er viel malt und es auch kleinere Werke an der Messe gibt – gar unter der Millionengrenze.
Wer ein bisschen günstiger einkaufen will: der setzt auf Kunst von Frauen. Die Japanerin Yayoi Kusama ist das weibliche Pendant zu Jeff Koons: Ihre Bilder, Räume und Skulpturen sind ebenso knallig und bunt, aber fantasievoller, verspielter und ein bisschen weniger banal.
Ihr berühmtestes Werk – den gelben Kürbis – gibt es in vielen Grössen und mit unterschiedlichen Tüpfchenmustern. Ein gelbes Unikat, ungefähr einen Meter hoch, hat die Galerie Victoria Miro aktuell im Angebot – neben einem riesigen Keramik-Blumengebilde und fröhlichen Gemälden. «Der Kürbis ist schon weg, sorry», sagt man mir. Gekostet habe er zirka eine Million. Also viel, viel weniger als Werke von Macho Koons.
Soll ich jetzt noch anfügen, dass das Verhältnis von Frauen und Männern auch in der Galerien-Szene der (noch) üblichen Macht-Verteilung entspricht? Die Mehrheit der Galerien wird von Frauen geführt – die grossen, multinationalen Kunstläden wie Zwirner, Gagosian oder Hauser&Wirth aber von Männern.
Statt mich weiter darüber aufzuregen, gehe ich jetzt lieber auf die Jagd nach Kunst von Frauen. Nach guter und teurer, und solcher, die die Themen Frau, Gender und Feminismus beleuchtet. Und Freude macht.
Ich starte im Untergeschoss bei den teureren, etablierten Geschäften – und weiss, hier wirds schwierig: Bei Michael Haas hängen als Aushängeschilder wunderhübsche Frauenporträts: Eines malte Ferdinand Hodler, das andere Emil Nolde. Die Frau ist in den 1910er-Jahren Model, Geliebte, Muse. Und sie bleibt es. Die Liste der Künstler in den nächsten Galerien liest sich wie eine Auflistung der männlichen Kunstgeschichte: Picasso, Miro, Magritte, Dubuffet, Warhol.
Dann, endlich, das erste prominent ausgestellte Werk einer Künstlerin: Louise Bourgeois, die grosse Französin, die in den USA und dann weltweit erst im reifen Alter Beachtung gefunden hatte. Von ihr steht ein etwa zwei Meter hohes Türmchen aus Stoffkissen bei Aquavella, New York.
Die rauen Kissen verkörperten das männliche, die glatten das weibliche Prinzip, erklärt die Angestellte und betont, es sei eines der späten, hochgeschätzten Werke. Der Preis von vier Millionen Dollar scheint exorbitant – bis man realisiert, dass der Picasso und der Bacon daneben ein Mehrfaches kosten.
Erklären kann das niemand richtig. Man redet vom Marktwert. In der Kunst ist das nicht primär das Spiel von Nachfrage und Angebot, sondern ein nicht explizit abgesprochener, von Verkäufen und Auktionsergebnissen gestützter Erfahrungswert.
Bei der Pariser Galerie 1900-2000 ist eine Wandtapete von Cindy Sherman mit einem Doppelselbstbildnis der Künstlerin der Blickfang. Sherman zeigt sich zwar geschminkt, aber irgendwie ungeschminkt ehrlich. Also als Gegenteil von Muse und Model. 350'000 Euro für die Sechser-Edition klingt ok, eher ungewöhnlich scheint mir, dass die Galerie auf Shermans Wandbild gerahmte Zeichnungen von Francis Picabia platziert. Das sei keine Missachtung der Künstlerin, sondern mit ihrer ausdrücklicher Genehmigung und zu ihrer Freude passiert, wird mir versichert. Cindy Sherman schätze Picabia sehr.
Geschäftstüchtig und praktisch ist das. Sammler, die zu wenig Wände haben, können mit Künstlerinnentapeten, auf die sie in einer zweiten Schicht Bilder hängen, ihre Kapazität verdoppeln. Man findet an der Art Basel eine gute Auswahl an Tapeten, bei Sadie Coles eine hübsche von Sarah Lucas (460 Franken pro Rolle).
Weniger hübsch ist die Skulptur «Titty Bunny» von Lucas. Der mit einem Stuhl verschmolzene Frauenkörper aus Strumpfmaterial wirkt hässlich, ausgeliefert und doch auch wie eine ironische Antwort auf die Männerkunst. Sozusagen ein Sennentuntschi, das es in die Kunstwelt verschlagen hat.
Frauen gehen eben nicht gerade zimperlich mit Frauenbildnissen um, schon gar nicht mit ihren eigenen. Wie Sherman in ihren Selbstbildnissen scheuen auch Marina Abramovic und Jana Sterbak in ihren Performances seit Jahrzehnten keine Grenzerfahrungen. Abramovics hinterleuchtete Bilder (Krinziger, Wien) sind eine Gratwanderung zwischen Schönheit und Schmerz. Sterbaks Dokumentationen und Utensilien (Barbara Gross, München) gehören zu meinen Lieblingen dieser Messe. Etwa der Rucksack aus einem Felsbrocken oder die Objekte aus gerollten Meterbändern (21'000 Euro).
Es soll nicht so krass und doch weiblich sein, nicht schon Geschichte, sondern lieber Gegenwart? Karma International (Zürich, Los Angeles) vertreten mit Pamela Rosenkranz und Vivian Suter tolle Künstlerinnen, die junge Katja Seib (bei Sadie Coles) malt feministische Statements, Pedro Cero (Lissabon) hat poetische Aquarien mit Bergen von Mariele Neidecker (46'000 Franken). Bei Stampa (Basel) empfehle ich, Sabine Hertig anzuschauen und bei Peter Kilchmann (Zürich) Shirana Shabazis neue Siebdrucke und die Neonschrift-Arbeit von Maja Bajevic. Die bosnisch-französische Künstlerin schreibt: «Liberté pour les Libres / Égalité pour les Égaux / Fraternité pour les Frères». Sie bringt damit auf den Punkt, wie das so geht mit der Gleichheit – gerade im Kunstmarkt. (aargauerzeitung.ch)