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Putschversuch in Türkei – Dutzende lebenslange Haftstrafen

Putschversuch in Türkei – Dutzende lebenslange Haftstrafen

26.11.2020, 13:53
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Nach dem gescheiterten Putsch: Feststimmung in Istanbul

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Nach dem gescheiterten Putsch: Feststimmung in Istanbul
Geschätzt 500'000 Menschen fanden sich am 16. Juli auf dem Taksim-Platz in Istanbul ein.
quelle: x90085 / ammar awad
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Mehr als vier Jahre nach dem Putschversuch in der Türkei hat ein Gericht in der Hauptstadt Ankara Urteile gegen Hunderte Beteiligte gefällt.

Insgesamt seien in dem Hauptverfahren 475 Menschen angeklagt, darunter auch Anführer, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Das Gericht sprach unter anderem wegen «Umsturzversuchs», «Attentats auf den Präsidenten» und «vorsätzlicher Tötung» Strafen von bis zu 79-facher lebenslangler Haft unter erschwerten Bedingungen aus. Unter den Verurteilten seien hochrangige Militärs, Piloten und Zivilisten. Sie alle seien rund um den Luftwaffenstützpunkt Akinci an der Putschnacht beteiligt gewesen, hiess es. Von dort aus wurde dieser geleitet.

Am Abend des 15. Juli 2016 hatten Teile des Militärs gegen die Regierung Erdogan geputscht. In Istanbul und der Hauptstadt Ankara gab es Gefechte zwischen Putschisten und staatstreuen Sicherheitskräften. Die Putschisten setzten Panzer und Kampfjets ein und feuerten unter anderem auf Zivilisten, die sich ihnen entgegenstellten und damit einem Aufruf Erdogans folgten.

Auch das Parlamentsgebäude in Ankara wurde beschossen. Der Luftwaffenstützpunkt Akinci in der Nähe der Hauptstadt war dabei eine wichtige Basis der Umstürzler in der Putschnacht. Mehr als 250 Menschen wurden getötet, 2000 verletzt. Der Aufstand wurde schliesslich niedergeschlagen.

Höchststrafen erhielten zum Beispiel Piloten, die in der Nacht etwa das Parlament und das Polizeihauptquartier bombardiert haben sollen. Auch vier Männer, die dem Gericht nach ein Attentat auf den Präsidenten geplant hatten, wurden zu 79-facher lebenslanger Haft verurteilt. 365 der Verurteilten sind Anadolu zufolge in Untersuchungshaft. Der Prozess hatte am 1. August 2017 begonnen.

Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen weist das zurück. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu sagte der Nachrichtenagentur zufolge am Donnerstag, dass bis zum heutigen Tag 292 000 Menschen in Einsätzen gegen die Gülen-Bewegung festgenommen wurden, 96 000 seien verhaftet worden. Die Suche nach Beteiligten geht seit 2016 ohne Unterlass weiter. (aeg/sda/dpa)

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Erdogan spricht sich weiterhin für Todesstrafe aus
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Erdogan spricht sich weiterhin für Todesstrafe aus
Zu einer Grosskundgebung in Istanbul gegen den gescheiterten Militärputsch haben sich am 7. August hunderttausende Demonstranten versammelt.
quelle: epa/epa / sedat suna
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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dergraf
26.11.2020 15:49registriert April 2016
Ob der sogenannte Putschversuch nicht inszeniert wurde, ist nicht klar.
Aber so konnte sich der Sultan die absolute Macht sichern und alles was nicht seiner Meinung war und ist, in die Gefängnisse bringen oder sonst verschwinden lassen.
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Victor Paulsen
26.11.2020 14:13registriert April 2019
Ich frage mich, bei wievielen die Strafen nur total übertrieben sind und wieviele wirklich unschuldig sind.

Demokratie ade
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chrissy_dieb
26.11.2020 15:37registriert Januar 2020
Was ich mich seit diesem Freitag Abend 2016 frage: Wer steckt dahinter? Tatsächlich Gülenisten? Einfach Regimekritiker? Sonst wer? Was sagen die Angeklagten? Mich würde eine Zusammenfassung des Kenntnisstandes wahnsinnig interessieren.
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