Ein Spiel? Ja, das auch. Es ist eine gute, zeitweise sogar eine grosse Partie. Aber eigentlich ist es mehr als nur ein Spiel: Es ist die faszinierende Konfrontation von System und Kreativität. Und nach dieser Partie können wir sagen: Die ZSC Lions können noch viel besser spielen. Die Berner hingegen nicht.
Es ist die grosse, die mächtige, die unerbittliche Hockeymaschine: Der grosse Meister Kari Jalonen hat die Mannschaft perfekt abgestimmt. Die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt. Der Gegner findet kaum Raum und Zeit, um das Spiel zu entfalten. Die Konter werden präzis, schnell und direkt gefahren.
Die grosse SCB-Hockeymaschine hat normalerweise eine Schwäche: Sie ist berechenbar. Aber diesmal ist es nicht so. Yanik Burren bricht zehn Minuten vor Schluss aus dem System aus, stürmt beim Konter in Unterzahl nach vorne. Tristan Scherwey spielt ihm die Scheibe präzis auf den Stock – 3:1. Am Ende wird es der Siegestreffer sein. Solche «Extras» braucht es im SCB-Schachspiel für einen Sieg gegen einen Grossen.
Aber eben: Es war zwar ein grosser Gegner, aber es waren nicht die wahren ZSC Lions. Wir haben einen typischen «Herbst-Meister» gesehen. Oder besser: So spielt ein Meister in der Regel im Herbst. Erst recht nach einem Trainerwechsel.
Serge Aubin hat die meisterlichen Zürcher ja erst im Sommer übernommen. Also können die ZSC Lions noch nicht mit der Präzision und Konstanz funktionieren wie der SCB, der bereits im dritten Jahr unter gleicher Leitung arbeitet und spielt.
Aber der dynamische Serge Aubin (43) ist ein «junger» Trainer: selbstsicher, aber nicht arrogant, mit klarer Linie, aber nicht stur und ein sehr guter Kommunikator. Er passt zu diesen ZSC Lions.
Eigentlich braucht es für eine grosse Mannschaft mit grossen Egos einen grossen Trainer. Dominant, autoritär und bisweilen arrogant. Einen taktischen «Ideologen», der seine Vorstellungen kompromisslos durchsetzt.
So einen Trainer hatten die Zürcher mit Hans Wallson. Er war zu dominant, zu autoritär, zu arrogant und zu sehr taktischer «Ideologe». Die Nordamerikaner haben für das, was ihm letzte Saison passiert ist, eine wunderbare Redewendung: Er verlor die Kabine. Also den Zugang zu seinen Spielern. Erst seine Amtsenthebung ebnete unter seinem Nachfolger Hans Kossmann den Weg zum Titel.
Bei der Wahl des neuen Trainers haben die ZSC Lions nichts dem Zufall überlassen. Zum Jobinterview flogen Sportchef Sven Leuenberger, Manager Peter Zahner und Verwaltungsrat Peter Spuhler nach Wien. Sie prüften Serge Aubin (zu diesem Zeitpunkt noch Trainer in Wien) und befanden ihn für gut.
Die ZSC Lions sind unter ihrem neuen kanadischen Trainer dynamischer, frecher und schneller geworden. Und die jungen Spieler bekommen Verantwortung, die Tiefe des Kaders wird genutzt: 20 Spieler haben diese Saison pro Spiel mindestens 11 Minuten Eiszeit. Beim SCB sind es 15.
Der Meister hat ganz klar die grössere spielerische Substanz und die grössere Kadertiefe als der SCB. Topskorer Jerôme Bachofner beginnt die Partie in der dritten Linie und rückt erst durch Umstellungen im Laufe der Partie nach vorne.
Die Zürcher begeistern in lichten Momenten mit variantenreichem Lauf- und Tempohockey. Sie sind nicht verspielt und in der gegnerischen Zone suchen sie den direkten Weg zum Tor.
Und warum reicht es trotzdem nicht zum Sieg? Weil Konstanz und Stilsicherheit fehlen. Minutenlang läuft das Spiel wie Örgelimusik vorwärts – aber dann folgen Phasen des Stillstandes. Zu viele Konzentrations-Durchhänger erlauben dem Gegner schnelle Gegenstösse. Die Zürcher verlieren Zweikämpfe, die sie in den Playoffs nicht mehr verlieren werden.
Es sind die typischen Mängel eines Meisters im Herbst. Die Nachlässigkeiten sind mehr dem meisterlichen Selbstvertrauen als Disziplinmängeln geschuldet. Dem Wissen, dass es dann schon noch reichen wird. Meistens reicht es. Aber nicht gegen den SCB.
Trainer Serge Aubin ist daran, das Spiel zu justieren. Dafür ist der Herbst da. Wir haben noch nicht die wahren ZSC Lions gesehen. Aber diese ZSC Lions sind besser als im Herbst 2017 – und im folgenden Frühjahr 2018 sind sie Meister geworden.