Theresa May gewinnt Abstimmung und hat doch keinen Grund zum Feiern

Theresa May gewinnt Abstimmung und hat doch keinen Grund zum Feiern

12.12.2018, 23:32

Die britische Premierministerin Theresa May hat die Misstrauensabstimmung um ihr Amt als konservative Parteichefin gewonnen - mit 200 gegen 117 Stimmen. Sie kann damit als Parteichefin und Premierministerin weitermachen. Ein Grund zum Feiern ist das dennoch nicht.

May gestand nach der überstandenen Misstrauensabstimmung in ihrer Fraktion eine teilweise Niederlage ein. Eine «erhebliche Zahl» an Abgeordneten habe gegen sie gestimmt, sagte May am Abend vor dem Regierungssitz 10 Downing Street in London. «Ich habe mir angehört, was sie gesagt haben».

Sie wolle nun «rechtliche und politische Rückversicherungen» hinsichtlich der Backstop genannten Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und Irland suchen, wenn sie am Donnerstag zum EU-Gipfel nach Brüssel reise. Die Regelung im Brexit-Vertrag ist bei britischen Abgeordneten heftig umstritten.

Obwohl sie den Aufstand in ihrer Fraktion überstanden hat, ist weiter unklar, wie sie ihr Austrittsabkommen durchs Parlament bringen will. Eine für Dienstag angesetzte Abstimmung im Unterhaus hatte May verschoben, weil sich eine Niederlage abgezeichnet hatte.

Grosser Widerstand im Parlament

May muss damit rechnen, dass 117 Abgeordnete ihrer eigenen Partei beim Brexit-Deal im Parlament nicht mitspielen werden. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist das ein desaströses Ergebnis.

Ein Trost für May: Innerhalb der nächsten zwölf Monate kann nun kein weiterer Misstrauensantrag in der Partei gegen sie gestellt werden.

Hinter dem Misstrauensantrag gegen May standen hauptsächlich die Brexit-Hardliner ihrer Fraktion um den erzkonservativen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Das Ergebnis sei «schrecklich», sagte er nach der Abstimmung. «Sie muss dringend zur Queen gehen und zurücktreten.»

Die Britische Handelskammer appellierte an die Abgeordneten, «keine Zeit zu verschwenden» und schnell Klarheit für Unternehmen zu schaffen: «Es sind nur etwa 100 Tage, bis Grossbritannien die EU verlässt», sagte Generaldirektor Adam Marshall.

Ausgelöst wurde der Aufstand durch den Streit über das Brexit-Abkommen, das die Unterhändler Grossbritanniens und der EU in Brüssel ausgehandelt hatten. Die Brexit-Hardliner um Rees-Mogg befürchten, dass Grossbritannien durch das Abkommen dauerhaft eng an die Europäische Union gebunden wird. In weniger als vier Monaten - am 29. März - will das Land aus der Staatengemeinschaft ausscheiden.

Rücktritt nach dem Brexit

Kurz vor dem Beginn des Wahlgangs hatte sich die Regierungschefin mit einer Ansprache an ihre Parteifreunde gewandt. «Kraftvoller und bewegender Moment», schrieb ein Abgeordneter auf Twitter über den Auftritt Mays hinter verschlossenen Türen. Die Premierministerin habe klar gemacht, dass sie zurücktreten werde, sobald der Brexit vollzogen sei. Minister berichteten, May habe in Aussicht gestellt, nicht mehr bei der nächsten regulären Parlamentswahl 2022 anzutreten.

May hatte eine für Dienstag angesetzte Abstimmung über ihren Brexit-Deal auf Eis gelegt, weil sie auf eine sichere Niederlage zusteuerte. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Einen neuen Termin für die Abstimmung gibt es bislang noch nicht. May kündigte lediglich an, dass sie vor dem 21. Januar stattfinden soll. Wie sie ihr Brexit-Abkommen durchs Parlament bekommen will, ist trotz überstandenen Putsches völlig unklar.

«No-Deal»-Szenario vorbereiten

Am Donnerstag beschäftigt sich der EU-Gipfel noch einmal mit den britischen Austrittsplänen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs wollen dazu beitragen, dass der fertige EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet. Wie dies ohne Nachverhandlungen geschehen soll, ist offen.

Merkel betonte am Mittwoch im Bundestag, man arbeite hart, um einen ungeregelten Brexit ohne Vertrag zu vermeiden. Ratschef Donald Tusk stellte aber in seinem Einladungsbrief an die EU-Staats- und Regierungschefs auch klar, dass man sich nun verstärkt für ein solches Szenario wappne. «Da die Zeit davonrennt, werden wir auch den Stand der Vorbereitung für ein No-Deal-Szenario diskutieren», schrieb Tusk. Er bezeichnete die Situation in Grossbritannien als ernst. (sda/dpa/reu)

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