Zu Barack Obama hatte Angela Merkel ein sehr gutes Verhältnis. Geopolitisch gab es keine nennenswerten Differenzen und auf der persönlichen Ebene herrschte ebenfalls Harmonie. Mit Donald Trump bekommt es die Kanzlerin mit einem Mann zu tun, der menschlich und politisch völlig anders tickt. Kommt dazu, dass der US-Präsident mit starken Frauen nicht gut kann. Beim Treffen im Weissen Haus muss die Kanzlerin daher tief in ihre psychologische Trickkiste greifen.
Trump betreibt eine nationalistische Wirtschaftspolitik. Er ruft seine Landsleute auf, in den USA zu produzieren und amerikanische Güter und Dienstleistungen zu konsumieren. Deutschland ist hingegen Exportweltmeister und hat wie China einen riesigen Handelsbilanzüberschuss mit den USA.
Der Präsident hasst Handelsbilanzdefizite. Sein wichtigster Berater in dieser Frage, Peter Navarro, hat schon vor Wochen Deutschland der Währungsmanipulation bezichtigt. Der Euro sei im Verhältnis zu Deutschlands Wirtschaftspotenz viel zu tief bewertet, maulte Navarro.
Zwar trifft dies in der Sache zu, nur kann Deutschland daran wenig ändern. Zuständig für die Geldpolitik ist die Europäische Zentralbank (EZB), und diese ist politisch unabhängig. Gerade Jens Weidemann, der Präsident der Bundesbank, ist der grösste Kritiker von EZB-Präsident Mario Draghi und fordert vehement eine härtere Geldpolitik.
Zum Glück für Merkel tobt offenbar in Sachen Handelspolitik im Weissen Haus ein gewaltiger Streit zwischen dem wirtschaftlichen Nationalisten Navarro und Gary Cohn, dem Vorsitzenden des nationalen Wirtschaftsrates. Der ehemalige Goldman Sachs Banker Cohn will Trump eher auf einen liberalen Kurs drängen. Das berichtet die «Financial Times». Sie will auch wissen, dass Navarro derzeit eher die schlechteren Karten hat. Vielleicht wird die Handelssuppe nicht so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde.
In der Flüchtlingsfrage gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Trump will Mauern und Einreiseverbote. Auch wenn sie inzwischen einen viel härteren Kurs verfolgt als noch im Herbst 2016, steht Merkel immer noch für eine Willkommens-Kultur für Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet.
Noch vor Amtsantritt hat Trump der deutschen «Bild»-Zeitung ein Interview gewährt. Darin hat er Angela Merkel vorgeworfen, ihre Flüchtlingspolitik sei «ein Desaster». Klugerweise hat die Kanzlerin darauf nicht geantwortet. Nachdem Trump mit der ersten Version seines Einreiseverbotes für Muslime Schiffbruch erlitten hatte, soll Merkel ihm in einem Telefongespräch die Feinheiten des Völkerrechtes erklärt haben. Dass sich der Präsident und die Kanzlerin in dieser Frage einig werden, ist unwahrscheinlich.
Wo der Präsident in der Nato-Frage steht, ist – milde ausgedrückt – unklar. Einmal bezeichnet er das Verteidigungsbündnis als «obsolet». Dann wiederum lässt er seinen Vize und seinen Verteidigungsminister versichern, die USA würden nach wie vor hundertprozentig zum Verteidigungsbündnis stehen.
Sicher ist auf jeden Fall, dass Trump mehr von den Deutschen verlangt, mehr Geld und mehr Aufwand. Dabei hat er für einmal nicht Unrecht: Die Deutschen kommen der Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung aufzuwenden, seit Jahren nicht im Entferntesten nach. Das gilt auch dann, wenn man die zivilen Aufwendungen – Aufbauhilfe in Afghanistan beispielsweise – dazuzählt.
So verständlich die deutsche Beisshemmung in Sachen Militär auch sein mag, sie entspricht nicht mehr den geopolitischen Verhältnissen. «Zeit»-Herausgeber Josef Joffe spricht deshalb in der «New York Times» von einem glücklichen Zufall: «Genau zu dem Zeitpunkt, in dem Trump die Europäer dazu auffordert, endlich ihre Armee in Form zu bringen, haben die Deutschen realisiert, dass sie eine strategische Bedrohung an ihrer Ostfront haben.»
Joffe meint natürlich Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin. In dieser Frage muss Merkel sehr viel Fingerspitzengefühl an den Tag legen. Trump ist bekanntlich ein Putin-Versteher. Dazu kommt, dass sich die Indizien mehren, wonach das Trump-Team schon im Wahlkampf mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet hat. Der Präsident ist in diesem Punkt sehr empfindlich – ebenfalls milde ausgedrückt.
Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hat die Kanzlerin die EU resolut dazu gebracht, zusammen mit den USA Sanktionen gegen Russland durchzuführen. Diese Sanktionen zeigen Wirkung. Putin will sie deshalb so rasch wie möglich loswerden. Er kann dabei auf die Unterstützung von Trump zählen. Wegen KremlGate muss der US-Präsident jedoch vorsichtig agieren. Wahrscheinlich werden die beiden um den heissen Russland-Brei herumreden.
Wie bei der Nato ist Trumps Haltung zur EU widersprüchlich. Letztlich muss man davon ausgehen, dass er sie nicht mag. Das hat er in abschätzigen Bemerkungen und Tweets zum Ausdruck gebracht. Auch seine Bewunderung für den Brexit und dessen Anführer Nigel Farage sprechen eine deutliche Sprache.
Trump hat in dieser Frage sehr viel Gemeinsamkeiten mit Putin. Auch der russische Präsident unternimmt alles, um die europäische Einheit zu untergraben. Beide, Putin und Trump, würden viel lieber mit jedem einzelnen europäischen Staat Deals abschliessen, weil sie sich davon mehr Einfluss versprechen. Für Deutschland hingegen ist die EU von grösster Bedeutung, sowohl politisch wie auch wirtschaftlich. Merkel wird mit Zähnen und Klauen dafür kämpfen.
Nicht nur politisch, auch psychologisch wird das Treffen zwischen Merkel und Trump sehr interessant werden. Auf der einen Seite sitzt ein Testosteron getriebener Macho, der eine kindliche Lust am Zerstören hat und sich eine nationalistische Welt wünscht. Auf der anderen Seite sitzt eine Frau wie sie pragmatischer und nüchterner nicht sein könnte, und die für der Erhalt einer liberalen Weltordnung kämpft – und für beide steht viel auf dem Spiel.