Noch spielt sich alles hinter verschlossenen Türen ab. Doch was da in den Berner Amtsstuben erprobt wird, wäre eine kleine Revolution. Ringt sich der Bundesrat tatsächlich dazu durch, könnte dies Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga bei ihrer sozialdemokratischen Basis in Erklärungsnöte bringen: Die Verwaltung klärt ab, ob ein Unternehmen die Schweizer Autobahnen besser bauen und betreiben könnte als ein Bundesamt.
Konkret geprüft werden die Auslagerung in eine öffentlich-rechtliche Anstalt oder in eine Aktiengesellschaft. Eine klassische Privatisierung dürfte politisch nicht mehrheitsfähig sein. Als valables Szenario gilt jedoch eine «Autobahn AG», die sich zu 100 Prozent im Besitz der Eidgenossenschaft befinden könnte; vergleichbar mit den SBB und der Post, die quasi privatwirtschaftlich organisierte Staatsbetriebe sind.
Als der Bundesrat im Sommer 2018 unter der damaligen CVP-Verkehrsministerin Doris Leuthard den Prüfauftrag erteilte, sah er gute Gründe für eine Auslagerung. Problem Nummer eins: Das Bundesamt für Strassen (Astra) muss sich um immer mehr Nationalstrassen-Kilometer kümmern. Problem Nummer zwei: Das Astra trägt seit je (zu) viele Hüte. Es ist Geldgeber, Planer, Bauherr und Aufsichtsbehörde zugleich.
Müssen seine Aufgaben aufgeteilt werden? Auch um die Effizienz zu steigern? Um einfacher an Fachkräfte heranzukommen? Beim Bund brüten hochrangige Beamte über solche Fragen. Beteiligt sind zum einen das Generalsekretariat von Sommarugas Infrastrukturdepartement und das Astra. Zum anderen das Finanzdepartement von SVP-Bundesrat Ueli Maurer, allen voran die Eidgenössische Finanzverwaltung.
Offiziell äussert sich niemand zum Stand der Dinge. Beim zuständigen Astra erklärt ein Sprecher: «Die Art und Weise der Prüfung und die Ergebnisse werden dem Bundesrat Ende 2021 in einem Aussprachepapier unterbreitet.» Anschliessend fälle die Regierung ihren Entscheid, dem man nicht vorgreifen wolle.
Informationen von CH Media zeigen jedoch: Ein «Daumen runter» ist nicht unwahrscheinlich. Unter Sommaruga dürfte es die Auslagerung der Autobahnen schwer haben, wie zu vernehmen ist. Die Skepsis im Umfeld der SP-Bundesrätin ist gross - auch wenn die Finanzexperten des Bundes offenbar die Vorteile eines solchen Schritts sehen.
Die Ära Leuthard war weiterhin vom New Public Management geprägt. Und damit von der Überzeugung, dass weniger Staat in den staatsnahen Betrieben gut sei. Sommaruga spricht beim Service public lieber vom Ende der Phase, «in der man das Gefühl hatte, es komme alles gut, wenn man die Politik draussen lasse». So formulierte sie es einmal in einer Parlamentsdebatte.
Die Nationalstrassen aus der Verwaltung auszulagern: Diese Idee propagierte Economiesuisse schon vor Jahren. Der Wirtschaftsdachverband erhoffte sich so «Effizienzgewinne» bei den operativen Tätigkeiten. Es war Anfang 2008, als das Astra infolge der Neuen Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) die Nationalstrassen übernahm. Diese Lösung habe sich bewährt, sagt SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher:
Die Sozialdemokraten lehnen eine wie auch immer gelagerte Auslagerung ab; selbst eine in eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Graf-Litscher warnt davor, eine zentrale Infrastruktur dem Einfluss des Staats zu entziehen. «Die Autobahnen werden von den Steuerzahlenden finanziert», gibt sie zu bedenken. «Deshalb darf es schon gar nicht passieren, dass eine privatwirtschaftlich aufgestellte Firma damit Gewinne erzielt.»
Umfassende Reformen gab es zuletzt in Deutschland. Die Ausgangslage war dabei ähnlich wie einst in der Schweiz. Anfang dieses Jahres ging die Verantwortung für die Autobahnen von den 16 Länderverwaltungen an den Bund über. Dabei entschied man sich jedoch direkt für eine privatrechtliche Gesellschaft: Die Autobahn GmbH befindet sich vollständig im Besitz des Bundes. Sie soll den Bau und den Unterhalt günstiger und effizienter machen.
Doch in der Praxis hapert es. «Schlechte Planung, überzogene Gehälter und riesige Ausgaben für Berater», fasste die «Süddeutsche Zeitung» zusammen. Staatliche Finanzkontrolleure bescheinigten der Autobahn GmbH grobe Fehler. Konkret beklagen sie unter anderen überdurchschnittlich hohe Gehälter. Ebenso sei das Budget für Berater um über 300 Prozent überschritten worden. Weitere Probleme zählte das «Handelsblatt» soeben in einer Bilanz auf:
Aus solchen Beispielen müsse die Schweiz ihre Lehren ziehen, sagt SP-Nationalrätin Graf-Litscher. «Sonst wird der Service public leichtfertig aufs Spiel gesetzt.» (aargauerzeitung.ch)