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Der Brexit-Turbo mit Schweizer Pass: Sir Henry Angest

Der Brexit-Turbo mit Schweizer Pass: Wer ist Sir Henry Angest?

Sir Henry Angest arbeitet seit langem auf die Unabhängigkeit des Königreichs hin. Der 78-Jährige gilt als einer der Vordenker und Architekten des Brexit. Er unterstützte die Anti-Europa-Bewegung zu einer Zeit, als es den Begriff «Brexit» noch gar nicht gab.
09.03.2019, 12:5609.03.2019, 13:16
Benjamin Wieland / ch media
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Sir Henry Angest an einer Party im Lancaster House in London. Getty Images
Sir Henry Angest an einer Party im Lancaster House in London. Getty Images David M. Benett

Die Verhandlungen laufen heiss. Wann genau das Vereinigte Königreich aus der EU ausscheidet, steht plötzlich wieder in der Schwebe. Der ursprüngliche Austrittstermin – Freitag, 29. März, Punkt Mitternacht – scheint nicht mehr gesetzt. Klar ist aber: Der Tag, an dem es so weit ist, wird für einen millionenschweren Banker mit Schweizer Wurzeln zum Freudentag.

Sir Henry Angest arbeitet seit langem auf die Unabhängigkeit des Königreichs hin. Der 78-Jährige gilt als einer der Vordenker und Architekten des Brexit. Er unterstützte die Anti-Europa-Bewegung zu einer Zeit, als es den Begriff «Brexit» noch gar nicht gab.

Sir Henry hat um sein Engagement nie grosses Aufsehen gemacht. So weiss hierzulande kaum jemand, dass er den Schweizer Pass besitzt. Aufgewachsen ist er in Basel, im Gundeldingerquartier. Selbst Branchenkennern sagt der Name Henry Angest meist nichts.

Was hält die Jugend vom Brexit?

Video: srf

Der Jurist und Unternehmer, der die Schweiz 1968 als 28-Jähriger verliess, übt zwar starken politischen Einfluss aus und gilt als Gross-Spender der Tories, der Konservativen Partei. Doch er schätzt seine Privatsphäre. Interview-Anfragen lehnt der Multi-Millionär in der Regel ab. Für diese Zeitung macht er eine Ausnahme, seine Antworten schickt er uns schriftlich.

Ein sauberer Schnitt

«Es gehen viele Falschinformationen und Fake News herum», sagt Angest zum möglichen harten Brexit, zu ei- nem Ausscheiden Grossbritanniens und Nordirlands aus dem Staatenbund ohne Rahmenabkommen. «Meiner Meinung nach wäre es das Beste für das Vereinigte Königreich, es käme zu einem sauberen Schnitt mit der EU. Dann wäre das Land in der Lage, die verschiedenen wichtigen Verträge neu zu verhandeln, aber ohne die Einschränkungen, die es daran hindern, das zu tun, was für das Königreich das Beste ist.»

Die Brexit-Frage spaltet Grossbritannien

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Die Brexit-Frage spaltet Grossbritannien
Die 24-jährige Madeleina Kay will in der EU bleiben, London, 14. Februar 2019.
quelle: ap/ap / matt dunham
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Englische Zeitungen haben schon lange ein Auge auf den verschwie- genen «Swiss Banker» geworfen. Das hat auch mit seinem Adelstitel zu tun. 2015 wurde Angest von der Queen geadelt. Als «Knight Bachelor» darf er sich seither Sir nennen.

Den Ritterschlag erhielt der Bewunderer von Margaret Thatcher für seine politischen Verdienste. Angest amtete jahrelang als Schatzkanzler der Tories und geizte nicht mit Spenden an die Partei. Sein Vermögen schätzte die «Sunday Times» 2018 auf 156 Millionen Pfund. Angest ist CEO, Verwaltungsrats-Präsident und Mehrheitseigner der Arbuthnot Financial Group, einer der ältesten Privatbanken Englands mit Sitz in der Londoner City.

Barnier: «Grossbritannien wird nicht in Zollunion gezwungen»
Die EU will den Eindruck vermeiden, sie würde sich in den Brexit-Verhandlungen nicht bewegen: Nach einem Treffen mit den EU-Botschaftern machte Brexit-Verhandler Michel Barnier gestern sein Angebot publik.

Demnach soll es Grossbritannien jederzeit möglich sein, einseitig die gemeinsame Zollunion zu verlassen. Barnier: «Grossbritannien wird nicht gegen seinen Willen in die Zollunion gezwungen.» Der Haken: Nordirland müsste weiterhin darin verbleiben. Denn nur so kann eine harte Grenze in Nordirland verhindert werden, solange nicht eine andere Lösung im Rahmen «alternativer Arrangements» gefunden wird.

Dass die EU eine solche neue Lösung abseits der Zollunion «nach gutem Glauben und besten Anstrengungen» verhandeln will, will Barnier in einer rechtlich bindenden Erklärung festhalten. Würde die EU gegen diesen Grundsatz verstossen, könnte ein Schiedsgericht festlegen, dass Grossbritannien seine Verpflichtungen unter dem sogenannten «Backstop» zumindest teilweise auszusetzen kann, so Barniers Angebot.

Der «Observer» berichtete bereits 2010 über Spenden Angests. Die Zeitung nannte ihn damals «eine der grössten Finanzstützen der Tories». So habe Arbuthnot der Partei vor den Unterhaus-Wahlen 2010 mehrere Millionen Pfund zur Verfügung gestellt. Spenden erhielt aber auch Global Britain, ein EU-kritischer Thinktank, geleitet von Lord Pearson – damals in leitender Position bei der United- Kingdom-Independent-Party (Ukip). De- ren Parteiprogramm bestand im Wesentlichen aus einer Forderung: schnell raus aus der EU!

Dinner mit dem Prime Minister

Angest verkehrt in höchsten Kreisen. Er gehörte auch zu jener Handvoll Unternehmer und Gross-Industrieller, die von David Cameron zum Dinner eingeladen wurden. Die exklusiven, zunächst geheim gehaltenen Abendessen an der Downing Street 10 zwischen 2010 und 2012 führten den früheren Premierminister in Erklärungsnöte. Die Einladungen sollen an Parteispenden geknüpft gewesen sein.

Angest schreibt der «Schweiz am Sonntag», die Arbuthnot Banking Groupnehme in der EU-Frage, im Gegensatz zu ihm selbst, eine neutrale Haltung ein. Grössere wirtschaftliche Schwierigkeiten bei einem harten Brexit fürchtet der zweifache Familienvater offenbar nicht. Er schreibt: «Arbuthnot ist vorwiegend im Vereinigten Königreich tätig.»

In der Schweiz ist der Name des vermögenden Auswanderers im Januar aufgetaucht. Die «Bilanz» platzierte Angest mit Frau Dorothy in der Liste der 300 Reichsten der Schweiz. Sir und Lady Angests Vermögen schätzte das Blatt auf 150 bis 200 Millionen Franken. Schon zuvor war Angest regelmässig Gast in der «Rich List» der «Sunday Times», aktuell liegt er auf Rang 111. Grossbritannien wie die Schweiz dürfen Angest für sich in Anspruch nehmen: Er nahm 1985 auch die britische Staatsbürgerschaft an und ist seither Doppelbürger.

Ein chaotischer Brexit hätte für die EU verheerende Folgen

Video: srf

Zu Basel hat Angest laut eigenen Angaben immer noch enge Beziehungen. Hier würden zwei gute Jugendfreunde leben. Angest, der an der Universität Basel Jura studierte, ist Mitglied der Gesellschaft zu Feuerschützen. Als seinen Lieblingsort im Dreiländereck bezeichnet er den Zoo.

Nach London sei er aus Zufall gekommen, sagt Angest. Er arbeitete bei der Dow Bank, der Bank von Dow Chemicals. Nach Stationen in den USA, in Brasilien und Asien habe man ihn 1978 nach England geschickt. Zum Mit-Eigentümer der Arbuthnot-Bank wurde er 1985. Es handelte sich um ein Management-Buy-out, Dow hatte die Bank zuvor abstossen wollen.

«Aussterbende Spezies»

Nicht nur politisch tickt Angest konservativ – so leitet er auch «seine» Bank. Zur «Finanz und Wirtschaft» sagte Angest 2010, er sei eine «aussterben- de Spezies». Als Banker missfalle es ihm, wie bei den Grossbanken schon wieder die Unsitte um sich greife, unanständig hohe Löhne und Boni auszubezahlen, als hätte es die Finanzkrise 2008 nie gegeben.

Fühlt sich Angest noch als Schweizer nach fünf Jahrzehnten im Ausland? «Ich bin gebürtiger Schweizer und kann das nie verleugnen. Doch England war sehr gut zu mir.» Nicht zuletzt nehme er von seiner Herkunft die Sicherheit mit, dass es auch ohne EU gehe. Die Schweiz sei alleine ebenfalls gut gefahren.

Auch die Schweiz muss ihr Verhältnis zur EU neu regeln. Tipps will Angest seinem Geburtsland aber keine geben. «Dafür bin ich schlicht zu lange weg.»

Emily und Oliver – unsere zwei Briten erklären den Brexit

Video: watson/Oliver Baroni, Emily Engkent
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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MAOAM
09.03.2019 13:17registriert Juli 2018
Der 78-Jährige... reich... beeinflusst... immer das gleiche...
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Jason84
09.03.2019 14:15registriert März 2016
Die Schweiz ist nicht ohne die EU weit gekommen. Die Schweiz ist mit der EU weit gekommen. Ohne den Staatenbund als partner sähe es viel schlechter aus. Der Preis für die fehlende Mitgliedschaft ist das fehlende Stimmrecht und somit fehlende Einflussnahme auf Regelungen der EU, welche die Schweiz als Zugang zum Binnenmarkt übernehmen muss.
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