Irgendwann im Dezember muss es passiert sein. Roger Köppel sass vor seinem Laptop, als ihn ein Geistesblitz durchfuhr: Wieso lange Sätze schreiben, wenn's auch anders geht. Kürzer. Prägnanter. Träfer. Und vor allem: wütender. Der Trump'sche Twitter-Duktus, so die Erkenntnis des «Weltwoche»-Chefs, muss eingeschweizert werden.
Noch vor den US-Wahlen startete Köppel einen ersten zögerlichen Versuchsballon auf Facebook. Ein Griff in die Neowutbürgervokabular-Kiste förderte Folgendes zutage: «Eliten-TV», «Machtkartell», «abgestraftes Establishment». So weit so gut. Solides Nach-oben-Boxen in zwei Sätzen. Aber nichts, was sich gross vom kommunen Classe-politique-Bashing abhob.
Da geht noch mehr, beziehungsweise weniger, wird sich Köppel im lichtlosen Raum, « einzig beschienen vom fahlen Schimmer [s]eines iPhone-Bildschirms», gedacht haben. Reduce to the max, less is more. Bei Köppel heisst das: Weniger Inhalt, mehr Empörung.
Im neuen Jahr lieferte der «Spiegel» die ideale Vorlage: Das Cover des deutschen Magazins zeigte eine Comic-Version von Donald Trump, in der linken Hand den abgetrennten Kopf der Freiheitsstatue, in der rechten ein bluttriefendes Messer. Und Köppel lief zur Höchstform auf:
FAKE NEWS media knowingly doesn't tell the truth. A great danger to our country. The failing @nytimes has become a joke. Likewise @CNN. Sad!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 25. Februar 2017
Von da an ging's rasant voran. Respektive bergab, jedenfalls für Liebhaber vollständiger Sätze. Köppel hatte ein Hoch, auch wenn zumindest die Kadenz der Einträge noch nicht ganz an diejenige seines Lehrmeisters im Weissen Haus heranreichte.
We should start an immediate investigation into @SenSchumer and his ties to Russia and Putin. A total hypocrite! pic.twitter.com/Ik3yqjHzsA
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 3. März 2017
Mit einem wütenden Post gegen die Berichterstattung des «Blick» hat sich Köppel dann endgültig in die Sprachwelt Donald Trumps geschrieben. «Fake News». «Lügenpresse». Trump-Sprech in Reinkultur.
In den Köppel'schen Facebook-Verlautbarungen spielen Satzzeichen, abgesehen vom grosszügigen Gebrauch von Ausrufzeichen, keine grosse Rolle mehr. Syntax ist etwas, das zwischen zwei Buchdeckel gehört, nicht in den Facebook-Feed. Artikel interessieren in Zeiten der totalen Beliebigkeit niemanden mehr, und Verben sind so überflüssig wie alle Schweizer Medien links der «Weltwoche».
Wichtig ist, dass die Kommentare nicht länger als zwei Sätze sind. Der erste Satz führt in aller Kürze ein, worum es geht (auf Facebook lesen auch Leute mit, die den Grossteil des Jahres unter einem Stein verbringen, «einzig beschienen vom fahlen Schimmer [e]ines iPhone-Bildschirms»). Der zweite Satz liefert dann eine wortgewaltige Auslegung des Vorfalls. Interpretation mit dem Vorschlaghammer.
Fehlt noch das Schlussbouquet: Die geballte Schurkerei der Anderen/Linken/Medien/Merkel/Ausland/EU/Bern/Bösen/Gutmenschen in einem Wort:
Dass Köppel fast grenzenlose Bewunderung für den US-Präsidenten empfindet, weiss man spätestens seit seinem Offenbarungseid im Editorial der «Weltwoche»:
In dem gleichen Leitartikel, in dem Köppel seinen vor Scham nur leicht verhohlenen Indianertanz schildert, gesteht er, dass ihm Trump persönlich nicht sonderlich sympathisch sei. Seine, Köppels, Begeisterung, habe weniger mit der Person und dem Charakter Trumps zu tun, als mit dem demokratischen Erdrutsch, den er entfesselt habe.
#USR3 Das Schweizervolk geht manchmal bemerkenswert gleichgültig mit den Grundlagen seines Wohlstands um. So sad.
— Eric Gujer (@ericgujer) 12. Februar 2017
Trumps Charakter hin oder her, den Social-Media-Kommunikationsstil des US-Präsidenten zu kopieren, ist dem SVP-Nationalrat nur billig.
In der Schweizer Polit- und Medienlandschaft steht Köppel mit dieser Taktik aber noch ziemlich alleine da. Parteikollegen wie Lukas Reimann, Andreas Glarner und Natalie Rickli, den sozialen Medien allesamt sehr zugetan, beschränken sich meist darauf, Artikel mit einer provokativen Überschrift zu posten.
Noch schlimmer: Rickli und Reimann begehen sogar den fatalen Fehler, Einträge zu posten, die mehr als drei Zeilen umfassen. In der naiven Hoffnung, irgendein Facebook-User werde die ellenlangen Ausführungen zur USR, Asylpolitik oder Billag zu Ende lesen.
Köppel macht das nicht mehr. Köppel hat erkannt, dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne in den sozialen Medien einem Wimpernschlag gleicht. Köppel hat seinen Kommunikationsstil dem postfaktischen Zeitalter angepasst.
Eine Linguistin hat Trumps Kommunikationsstil untersucht und kommt zum Schluss: «Trump spricht wie ein Viertklässler».
Köppel hingegen spricht nicht wie ein Viertklässler. Er spricht eigentlich ganz normal. Ein bisschen schneidend, ein bisschen schnarrend, und manchmal bellt er auch. Aber ganz offensichtlich hält er seine Facebook-Freunde für Viertklässler.
Und lauscht man ganz tief in den Facebook-Feed von Roger Köppel hinein, so hört man das Echo der Stimme von Donald Trump. Oder eben: Doger Krumpel.