Sag das doch deinen Freunden!
Noch immer hält uns der Aberglaube eisern im Würgegriff und versklavt uns geistig. Dabei deutete vor nicht allzu langer Zeit einiges darauf hin, dass wir uns von dieser Fessel befreien könnten. Bildung, Wissenschaft und Technik schienen uns vor dem kindlichen Glauben an Wunder und Hokuspokus zu erlösen.
Doch unsere Welt wurde immer komplexer und überforderte uns heillos. Wir wurden zwar gebildeter, verstanden aber immer weniger, wie die Welt um uns herum funktioniert. Also flüchten wir wieder in den Aberglauben und basteln uns ein Weltbild, bei dem alles wieder so einfach und harmonisch erscheint.
Ein Beispiel für den geistigen Rückfall ins Mittelalter liefert – wen wundert’s – die katholische Kirche. Sie holt den Satan wieder aus der Rumpelkiste und kultiviert ihn mit allen Ehren.
So fand kürzlich an der päpstlichen Hochschule «Regina Apostolorum» ein «Grundkurs Exorzismus» statt. Über 200 Geistliche und Laien aus 35 Länder liessen sich zu Exorzisten ausbilden. Die Teufelsaustreiber treiben in ihren Diözesen ihr Unwesen und verstehen sich als Seelsorger, die die Besessenen befreien, wenn der Satan angeblich von ihnen Besitz ergriffen hat.
Der berühmteste Exorzist ist Padre Gabriel Amorth. Der 90-jährige katholische Priester hat in seiner Teufelskarriere rund 50‘000 Satanssaustreibungen vorgenommen. Ich würde am liebsten ein Interview mit dem Leibhaftigen machen und ihn fragen, ob er in Amorth einen Gegner oder Helfershelfer sieht.
Nicht alle Bischöfe machen den faulen Zauber mit dem Satan mit, was Professor Paolo Morocutti bedauert. Morocutti ist der Ober-Exorzist des Vatikans, der seine Schüler im Beschwören des Leibhaftigen ausbildet. Er wünscht sich, dass alle Diözesen einen Teufelsaustreiber engagierten.
In den südlichen Ländern, die noch stark katholisch geprägt sind, ist die Rate höher als in Nordeuropa. In Deutschland zum Beispiel haben nur 7 von 27 Bistümern einen Exorzisten. Aber auch dies sind 7 zu viel.
Doch wie stellt ein Exorzist fest, ob ein Gläubiger besessen ist? Der Kölner Prälat Helmut Moll, Experte in Sachen Exorzismus, nennt vier Punkte, wie er dem Internetportal www.kath.ch verriet: flüssiges Sprechen in einer fremden Sprache; Ereignisse der Vergangenheit oder Zukunft offenbaren; Besitz übermenschlicher Kräfte sowie Gottesferne und Abneigung gegenüber allem, was Gott symbolisiert – etwa das Zurückweichen vor Kreuzen. Der Teufel hat sich wohl krumm gelacht, als er diese vier Kriterien las.
In Wahrheit wenden sich vor allem Gläubige an Exorzisten, die psychisch krank sind und unter einer Depression oder Psychose leiden. Und dies sind Fälle für den Psychiater und nicht für Teufelsaustreiber. Es besteht sogar die Gefahr, dass Exorzismus-Rituale die Krankheitssymptome verstärken. Doch wer glaubt, mit Gott im Bund zu sein, überschätzt sich gern und verliert die Selbstkritik. Dem Satan wäre es recht – wenn es ihn denn gäbe.
Der berühmteste Schweizer Teufelsaustreiber ist der Bischofsvikar Christoph Casetti aus dem Bistum Chur. Das überrascht nicht, denn die erzkonservativen Bischöfe Wolfgang Haas und Vitus Huonder pflegen die Mär vom Gehörnten mit viel Liebe und Hingabe.
Denn Gläubige, die an den Teufel glauben, müssen sich in den Schoss der Kirche werfen, um sich vor dem Satan geschützt zu fühlen. Den Geistlichen dient der Teufel somit als potentes Disziplinierungswerkzeug. Casetti kann den Ansturm der Besessenen offenbar nicht allein bewältigen, denn in seinem Bistum fuhrwerken ganze zehn Exorzisten.
Die Renaissance des Exorzismus ist in der katholischen Kirche ein junges Phänomen. Vor 30 Jahren waren die Teufelsaustreiber bei uns weitgehend ausgestorben. Als die Hardliner im Vatikan das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen begannen, hauchten sie dem Satan neues Leben ein.
Seither fürchten sich die Gläubigen wieder vor ihm. Der moderne Teufel ist also das Kunstprodukt einer erfolgreichen PR-Aktion. Seither schiessen seine Aktien durchs Dach, und immer mehr Gläubigen steigt der Schwefelgeruch in die Nase. Es ist wie bei allen Geschäften: Das Angebot bestimmt die Nachfrage.