Fussballprofi im Ausland. Der Fan stellt sich eine Glitzerwelt vor. Hat Xherdan Shaqiri vor Augen, wie er im dicken Audi vorfährt. Denkt an den funkelnden Brillanten in Granit Xhakas Ohrläppchen. Oder an das Napoli-Trio Inler, Behrami und Dzemaili, Stars in der Serie A.
Von Fabian Stoller nehmen Schweizer Fussballfans keine Notiz. Auch er ist Fussballprofi, auch er im Ausland und das schon in der vierten Saison. Hapoel Petah Tikva, Hapoel Haifa (beide in Israel) und Platanias Chania (Griechenland) hiessen seine Stationen, bevor er im Januar einen Vertrag bei Ethnikos Achnas auf Zypern unterschrieb.
Stoller ist bewusst, dass es sich nicht um die erste Adresse im Weltfussball handelt, aber das stört ihn nicht. «Endlich kann ich wieder spielen, das ist das Wichtigste für mich», sagt er am Telefon. Das zweite Halbjahr auf Kreta sei schwierig gewesen, nach einem Trainerwechsel habe der Neue nicht auf ihn gesetzt, ihn fertig gemacht.
«Er ordnete Einzeltraining an und begründete es damit, dass ich schlechte Werte bei den Leistungstests gehabt hätte. Dabei war ich der Beste des ganzen Teams!» Ihm sei klar geworden, dass er unter diesem Trainer keine Zukunft habe.
Stoller löste den Vertrag auf und tauchte kurz vor Weihnachten ohne Job in der Schweiz auf, hielt sich selber fit und hoffte auf Angebote. «Ein Klub aus Aserbaidschan wollte mich verpflichten, doch erst nach einem Probetraining. Das war mir zu unsicher, auch wenn ich dort wesentlich mehr verdient hätte als jetzt auf Zypern. Aber hier kann ich spielen, spüre das Vertrauen des Trainers.»
Sieben Meisterschaftsspiele hat Ethnikos Achnas seit Stollers Ankunft ausgetragen, der Schweizer spielte jedes Mal durch. Sein Arbeitgeber ist in der zweiten Tabellenhälfte, aber der 25-Jährige ist überzeugt, den Klassenerhalt zu schaffen.
Auf Zypern gefällt es ihm, Stoller spricht von der guten Lebensqualität auf der Insel. «Es ist halt schon etwas anderes, ob es draussen grau und kalt ist, oder ob man am Meer wohnt und fast immer die Sonne scheint.» Mondän in einer Strandvilla lebt der Auslandprofi nicht, «aber ich habe eine schöne, moderne Wohnung mit einem grossen Balkon und in der Überbauung gibt es zwei Swimming Pools.»
Nur mit dem Linksverkehr hatte er anfangs Mühe. «Einmal hatte ich Glück, dass es keinen Unfall gab. Man muss sich wirklich sehr darauf konzentrieren, alles richtig zu machen. Wenigstens fahren die Leute hier normal, nicht wie in Israel.»
Zu Fuss sei er in zehn Minuten am Meer. Seine neuen Teamkollegen hätten ihn schon vorgewarnt, dass man sich im Sommer kaum konzentrieren könne bei all den Bikini-Schönheiten, sagt Stoller lachend. Die in ganz Europa bekannte Party-Hochburg Ayia Napa liegt bloss 15 Autominuten entfernt – eine Tatsache, die dem Schweizer unwichtig ist: «Ich bin nicht der Typ, der jeden Abend feiern muss.»
Das Niveau der zypriotischen Liga einzuschätzen sei schwierig, sagt der defensive Mittelfeldspieler. Sicher sei es weniger hoch als in der Super League. «Ich habe bei Ethnikos einen Vertrag bis im Sommer. Aber ich möchte gerne zu einem grossen Verein in Zypern.» Er glaube daran, dass er das Können dazu habe. «Was ich bis jetzt gesehen habe, davor muss ich mich nicht verstecken.»
Trainer Apostolos Makridis bestätige ihn in seinen Eindrücken. «Als ich ihm sagte, ich sei beeindruckt von Vero Salatics Leistungen (der GC-Captain spielte 2011/12 eine Saison bei Omonia Nikosia, Anm. d. Red.), sagte er mir ‹ja, aber du bist besser!›» Der Trainer sei sogar so weit gegangen, dass er mit Stollers Manager, Mattia Galli, gewettet habe, dass er nächste Saison in der Champions League spiele.
«Man darf ja träumen im Leben», ist Stollers Kommentar dazu. Gleichzeitig erhält man aber den Eindruck, dass er weiterhin, trotz seinem bisherigen Karriereverlauf, nach wie vor fest daran glaubt, dieses Ziel auch zu erreichen.
Wie schnell es manchmal gehen kann, davon hat ihm auch schon Selver Hodzic erzählt. Sein einstiger Teamkollege bei Thun kam mit den Berner Oberländern auf wundersame Art und Weise zu Spielen in der Champions League, schoss gar das 1:0 zum ersten Sieg der Thuner in der Königsklasse gegen Sparta Prag. Mit Hodzic telefoniere er regelmässig, sagt Stoller, auch mit anderen Fussballkollegen. Ivan Rakitic gehört dazu, «mit ihm habe ich in der Junioren-Nati oft das Zimmer geteilt.»
Rakitic ist heute ein Superstar, Captain des FC Sevilla in der Primera Divison. Mit 25 Millionen Franken ist sein Marktwert hundert Mal höher als derjenige Stollers. «Ich stelle mir auch manchmal die Frage, wieso meine Karriere so verlaufen ist. Aber grundsätzlich bin ich zufrieden. Ich kann Fussball spielen und davon leben.»
Manchmal müsse man, um zwei Schritte vorwärts zu kommen, zuerst einen Schritt zurück machen. «Wichtig ist, dass ich spielen kann. Nur so kann ich auch mich aufmerksam machen.» Es brauche halt bisweilen auch die nötige Portion Glück, um vorwärts zu kommen.
Grundsätzlich würde Stoller gerne in die Schweiz zurückkehren und in der Heimat spielen, «weil die Liga einfach besser ist.» Andererseits gefällt es ihm im Süden, finanziell passe es auch. «Wohnung, Auto und Steuern bezahlt der Klub. Ich bin zwar sicher nicht Millionär, aber es stimmt soweit.»
Langweilig sei ihm zwar nie, betont er. Dennoch hätte er gegen etwas Gesellschaft nichts einzuwenden, zumal seine Freundin derzeit in der Schweiz sei. Genau wie seine beiden Hunde, die er ebenso vermisse. Stoller ist nebst dem täglichen Mannschaftstraining häufig im Kraftraum, er schreibt ein Tagebuch, telefoniert oft mit Familie und Freunden in der Heimat und er betätigt sich ab und zu auch in seinem erlernten Beruf als Polygraf.
Zudem hat er sich vorgenommen, eine weitere Fremdsprache zu lernen. Englisch spricht er seit dem Wechsel ins Ausland täglich, französisch seit einem Jahr regelmässig mit der Freundin. Hebräisch verstehe er seit seiner Zeit in Israel ziemlich gut und dank den zwei Saisons bei Locarno könne er auch nicht schlecht italienisch. «Sprachen beherrschen, ist immer wertvoll», sagt Fabian Stoller. Schliesslich weiss er nie, wohin ihn die nächste Station seiner Fussballreise führt.