Er ist nur etwa einen Zentimeter lang, sein Kopf und Halsschild sind rostrot gefärbt, das Hinterteil blau oder grünlich glänzend: der Bombardierkäfer (Brachininae). Das auch in Mitteleuropa beheimatete Insekt hat ein einzigartiges chemisches Abwehrsystem entwickelt: Bei Gefahr stösst es explosionsartig ein ätzendes Gas aus. Damit kann der Käfer Ameisen töten und grössere Angreifer wie Frösche in die Flucht schlagen.
Das komplexe System besteht aus einer Drüse, die reaktive Chemikalien (Hydrochinon und Wasserstoffperoxid) produziert, einer Sammelblase, in der sie gelagert werden, und einer Explosionskammer, wo sie gemischt und mithilfe von Enzymen zur Explosion gebracht werden.
«Wenn man sieht, wie elegant die Natur Probleme löst, merkt man, dass die technische Welt oft festgefahren ist», sagt Wendelin Jan Stark, Professor am ETH-Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften in einer Mitteilung der ETH. Er und sein Team hätten sich deshalb vom Bombardierkäfer inspirieren lassen: Die ETH-Forscher entwickelten einen chemischen Abwehrmechanismus – eine selbstverteidigende Oberfläche, die aus verschiedenen Kunststoffschichten sandwichartig aufgebaut ist.
Macht sich ein Angreifer an der Oberfläche zu schaffen und beschädigt sie, spritzt ihm heisser Schaum ins Gesicht. Damit liessen sich wertvolle Güter schützen; zum Beispiel könnten so Vandalen abgeschreckt werden. «Überall dort, wo etwas nicht angefasst werden sollte, wäre ein Einsatz denkbar», sagt Stark.
Die selbstverteidigende Oberfläche besteht aus Kunststofffolien mit einem Wabenmuster, dessen Hohlräume mit einer der zwei Chemikalien Wasserstoffperoxid oder Mangandioxid gefüllt sind. Die unterschiedlich gefüllten Folien werden aufeinandergeklebt, getrennt von einer Schicht Klarlack. Bei einem Stoss zerbricht die Trennschicht und die Chemikalien mischen sich, was zu einer heftigen Reaktion führt, bei der Sauerstoff, Wasserdampf und Wärme entstehen.
Während die heissen Gase beim Käfer als Spray austreten, produziert die chemische Reaktion der selbstverteidigenden Folie eher eine Art Schaum. Infrarotaufnahmen zeigten, dass das Gemisch 80 Grad heiss werde.
Für den Schutz von Bancomaten oder Geldtransporten könnte sich die neu entwickelte Folie besonders gut eignen, schreiben die Forscher in ihrer Studie, die im «Journal of Materials Chemistry A» erschienen ist. Es gebe zwar bereits Schutzvorrichtungen, die Diebe und Geldscheine besprühen können – doch es handle sich dabei um störanfällige, von der Stromzufuhr abhängige mechanische Systeme.
Die selbstverteidigende Folie kann für den Schutz von Geldkassetten speziell präpariert werden: Die Forscher fügen einen Farbstoff und in Nanopartikel gehüllte DNA hinzu. Wird die Folie verletzt, entwertet der Farbstoff im Schaum die Geldscheine und die DNA markiert sie zusätzlich, so dass ihr Weg zurückverfolgt werden kann.
Laborexperimente mit 5-Euro-Banknoten hätten gezeigt, dass das Verfahren funktioniert. Und auch die Kosten seien vernünftig, schreiben die Forscher. Sie rechnen mit einem Preis von gut 40 Dollar pro Quadratmeter Folie. «Die Natur imitieren und einfache Ideen mit High-Tech-Methoden umsetzen», so charakterisiert Stark die erfolgreiche Forschungsmethode. (dhr)