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Schreiben über Sport in Zeiten der Krise – Nekrologe statt News

ARCHIVBILD ZUR GENEHMIGTEN FUSION VON KEYSTONE UND SDA DURCH DIE WETTBEWERBSKOMMISSION, AM MONTAG, 26. FEBRUAR 2018 - SDA Bern am Donnerstag, 23. Februar 2012, in Bern. Die Wettbewerbskommission Weko  ...
Die Sportjournalisten der sda müssen sich mittlerweile anderweitig beschäftigen.Bild: KEYSTONE

Schreiben über Sport in Zeiten der Krise – Nekrologe statt News

Worüber schreibt eine ganz auf Sport spezialisierte Nachrichten-Agentur wenn der Sport stillsteht? Eine überraschende Lösung hat eines der ältesten und angesehensten Nachrichtenbüros der Welt gefunden.
01.04.2020, 09:5602.04.2020, 05:50
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Zuerst ein bisschen graue Theorie zum besseren Verständnis. 1922 ist das «Schweizer Sportnachrichten-Bureau» von Arnold Wehrle (1899 – 1975) in Zürich gegründet worden. Daraus ist später die «Sportinformation SI AG» geworden. Neben dem 1945 in Düsseldorf gegründeten «Sportinformations-Dienst SID» war die «Sportinformation» weltweit die einzige Nachrichtenagentur, die sich auf Sport konzentrierte.

Am 1. Januar 2016 ist die «Sportinformation SI AG» in die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) integriert worden und seither die Sportredaktion der nationalen Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Sie verbreitet bereits im letzten Jahrhundert pro Jahr über 60 000 Meldungen zum nationalen und internationalen Sport.

Die SDA ist am 25. September 1894 aus der Taufe gehoben worden. Um sich «gegen die ausländische Vorherrschaft im Nachrichtenmarkt» zu stellen. Im weitesten Sinne also ein Unternehmen der «geistigen Landesverteidigung».

«Radio Beromünster» (am 28. Dezember 2008 nach 77 Jahren abgeschaltet) als damals einziger Sender der Deutschschweiz eröffnete seine Nachrichten stets mit dem Satz: «Sie hören die Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur.» Diese Einleitung zur wichtigsten Informationssendung des Landes hat während mehr als einem halben Jahrhundert Generationen geprägt. Sie verschwand beim staatstragenden Sender erst, als die SRG begann, eigene News-Journalisten zu beschäftigen.

Ein Bericht über Radio Beromünster.Video: YouTube/SRF Archiv

Im April 2018 hat die SDA die Bildagentur «Keystone» übernommen und beliefert nun die Medien mit Nachrichten, Bildern und Videos. Das Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitsplätzen ist eine Institution von nationaler Bedeutung und wird in einem immer schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld durch Bundessubventionen gestützt. Um die seriöse Verbreitung von Nachrichten sicherzustellen. Was in Zeiten der Krise von grosser Bedeutung ist. Hiermit sind wir am Ende der grauen Theorie angekommen.

In normalen Zeiten ist die Sportredaktion der Keystone-SDA das grosse Bienenhaus im Sport-Medienzirkus. Aus aller Welt tragen fleissige Journalistinnen und Journalisten ohne Unterlass den Nektar der Neuigkeiten herbei, der im grossen Bienenhaus (in der Redaktion) am Hauptsitz in Bern zum Nachrichten-Honig für die werte Kundschaft (Zeitungen, Online-Portale, Radio- und TV-Stationen) verarbeitet wird.

Längst hat die Welt-Viruskrise auch die Sportwelt lahmgelegt. Die fleissigen Bienen finden bald keine Nahrung mehr und sind sowieso dazu angehalten, nicht mehr herumzufliegen.

Noch gibt es Meldungen über Absagen, Verschiebungen und Klagen der verschiedenen Verbände, Klubs und Veranstalter zu verbreiten. Aber bald ist abgesagt, verschoben und beklagt, was abgesagt, verschoben und beklagt werden kann. Und dann?

Sandro Mühlebach ist der umsichtige Chefredaktor der Sportredaktion bei Keystone-SDA. Er hat im Rundmail an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine «To-do-Liste» in Zeiten der versiegenden Sport-Neuigkeiten verschickt.

Auf jeden ausgefallenen Hockeyspieltag liefert seine Redaktion beispielsweise zusätzlich zu den immer spärlicher werdenden News eine Nostalgie-Geschichte aus vergangenen Playoffzeiten.

Und angeregt wird das Schreiben von…Nekrologen. Also die Darstellung der Biographie und die Würdigung des Lebenswerkes eines Verstorbenen. In diesem Falle geht es um das Verfassen von Nekrologen auf Vorrat von noch lebenden Sportgrössen. Damit die Nekrologe zur Hand sind, wenn es soweit ist.

Was auf den ersten Blick ein wenig makaber scheinen mag, ist auf den zweiten Blick ein Fingerzeig, der uns in Erinnerung ruft, was in einer von jugendlichen Helden geprägten Sportwelt gerne verdrängt und vergessen wird: Haltet ein, jedes Leben ist endlich. Gleich dem Gruss der Trappisten, einem der strengsten Mönchsorden: «Memento Mori!» («Gedenke des Todes!»).

Einen Augenblick innezuhalten schadet wahrlich nicht. Und irgendwie bin ich erleichtert, dass mir Sandro Mühlebach versichert hat, über meine Wenigkeit sei kein Nekrolog geplant.

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