Opernbesprechung: Im Tanzschritt durch Tschaikowskys «Eugen Onegin»

Opernbesprechung: Im Tanzschritt durch Tschaikowskys «Eugen Onegin»

13.09.2015, 13:20

Herzschmerz gepaart mit viel Lebensfreude hat Regisseurin Lydia Steier in Tschaikowskys Oper «Eugen Onegin» gepackt. Die Premierengäste am Theater St. Gallen waren am Samstag hingerissen von der farbenfrohen Inszenierung.

Die Oper nach dem Roman von Alexander Puschkin, die Pjotr Iljitsch Tschaikowski 1877 während einer grossen Lebenskrise komponierte, spreche auch die Menschen der heutigen Zeit an, sagt Regisseurin Lydia Steier in einem Interview im Programmheft zur Oper. «Onegin hat eine grosse Anziehungskraft auf uns, weil er mit der inneren Leere, die er empfindet, so modern wirkt.»

Dieser melancholisch besungenen Leere setzt Steier bunte, lebenslustige Szenen mit viel Tanz und üppigem Chorgesang entgegen. Der temporeiche Tanz der Tanzkompanie des Theaters St. Gallen und die fröhlichen Lieder, wunderschön gesungen vom Chor des Theaters St. Gallen, vom Opernchor St. Gallen und vom Theaterchor Winterthur machen die zweieinhalbstündige Herzschmerz-Oper zu einem abwechslungsreichen, unvergesslichen Abend. Das sonst eher zurückhaltende St. Galler Publikum geizte nicht mit Bravo-Rufen und spendete zwischendurch immer wieder spontanen Applaus.

Idylle auf dem Land

Die Bühnenausstattung von Susanne Gschwender ist unaufdringlich aber sehr wirkungsvoll. In den ersten beiden Akten steht das idyllische Landleben mit blauem Himmel, an dem dank Videoprojektion echte Wolken vorbeiziehen und einem kleinen, herzig verzierten Häuschen im Zentrum. Das Häuschen lässt sich drehen und gibt den Blick frei in Tatjanas Mädchenzimmer, wo sie sich zwischen den aufgereihten Puppen einer Matroschka dem Liebeskummer hingibt.

Die städtische Kulisse im dritten Akt setzt den Gegenpol und zeigt eine dekadente Gesellschaft, in der das Kokain auf dem Silbertablett serviert wird. Passend dazu zeigen die Edel-Prostituierten goldenen Kitsch und viel nackte Haut (Kostüme: Anna Eiermann).

Liebe und Leere

«Gewöhnung ist der Ersatz für alles Glück», singen die älteren Frauen im idyllischen Dorf auf dem Land. Doch Olga (Susanne Gritschneder) und ihre Schwester Tatjana (Evelina Dobraceva) träumen vom Liebesglück.

Die lebenslustige Olga hat ihren Prinzen in Lenski (Roman Payer) gefunden und Tatjana träumt sich durch ihre Romane, die sie bei jeder Gelegenheit nah vor die bebrillte Nase hält. Als Lenski seinen Freund, den weitgereisten, weltgewandten Eugen Onegin (Nikolay Borchev) mit in ihr idyllisches Eltern-Häuschen bringt, ist es um Tatjanas Herz geschehen.

Tatjana schreibt ihm einen Liebesbrief, doch der Angebetete ist auf der Suche nach irgendwas oder vielleicht auch einfach nach sich selbst. Überheblich lehnt der Schönling die Liebe der naiven jungen Frau ab und macht stattdessen ihrer Schwester schöne Augen. Als Onegin auf dem Fest zum Namenstag der unglücklichen Tatjana ihre Schwester Olga verführen will, fordert der gehörnte Ehemann seinen Freund zum Duell.

Verpasstes Glück

Lenski stirbt und Onegin zieht wieder in die Welt. Nach jahrelangem ziellosen Reisen trifft der von Schuldgefühlen Geplagte auf einem dekadenten Fest unter Oligarchen auf Tatjana. Aus der unsicheren jungen Frau ist eine selbstbewusste Fürstin, die Frau des erfolg- und steinreichen Gremin, geworden, mit dem sie eine Tochter hat. Onegin erkennt sein verpasstes Glück und verliebt sich in Tatjana. Doch die gereifte und erfahrene Frau entscheidet sich für Mann und Kind.

www.theatersg.ch (sda)

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