Die Wirtschaft trete «geschlossen» gegen die Selbstbestimmungs-Initiative an, betont der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Die SVP-Initiative, über die das Volk am 25. November abstimmt, verlangt den Vorrang des Landesrechts vor dem internationalen Recht. Eine «gefährliche Initiative» sei das, sagt Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer: «Sie würde unserer Exportnation, aber auch unserem Rechtsstaat schweren Schaden zufügen.»
Doch nicht alle Unternehmer und Top-Manager teilen diese Warnungen. Rolf Dörig, Verwaltungsratspräsident des Versicherungskonzerns Swiss Life und des weltweit grössten Stellenvermittlers Adecco, wird Ja stimmen. Dörig, einst Mitbegründer der wirtschaftsnahen «Freunde der FDP», sagt zur «Schweiz am Wochenende»: «Es geht bei dieser Abstimmung nicht um Parteipolitik. Auch nicht um die völlig unbestrittene Menschenrechtskonvention oder den Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind.»Der Swiss-Life Präsident kritisiert die «immer extensivere Anwendung» von Völkerrecht.
Er sieht die Vorlage ganz nüchtern: «Es geht um die Bundesverfassung, die über allem zu stehen hat. Um den Vorrang unseres Schweizer Rechts gegenüber einer immer extensiveren Auslegung und Anwendung von internationalem Recht innerhalb unseres eigenen Landes», erklärt Dörig. Eine Klärung im Sinn der Selbstbestimmungs-Initiative tue not: «Anders als die meisten Länder haben wir das Verhältnis zwischen Landesrecht und supranationalem Recht nicht klar geregelt.»
Auch Unternehmer Mark Ineichen, Chef von «Otto’s», hält den Landesrechts-Vorrang für «absolut richtig». Während Economiesuisse warnt, die Initiative betreffe auch 600 Wirtschaftsabkommen, die einheimischen Unternehmen einen sicheren Zugang zu internationalen Märkten ermöglichen, sieht Ineichen keine Gefahren: «Die Wirtschaft ist anpassungsfähig, wir finden selber Lösungen.» Die Unabhängigkeit der Schweiz sei «ein 100-prozentiger» Standortvorteil im internationalen Wettbewerb.
Der liberale Denker Gerhard Schwarz, früher NZZ-Wirtschaftschef und Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse, ist noch nicht definitiv entschieden, betont aber, dass die Selbstbestimmungs-Initiative «durchaus vereinbar mit liberalen Grundsätzen» sei. «Sie ist keine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort», sagt Schwarz.
«Ich halte diese Warnungen für materiell falsch und für abstimmungstaktisch unklug.» Das Volksbegehren liege im Grundsatz richtig, wenn es Landesrecht vor Völkerrecht stelle: «Das ist nichts Extremes. Diesen Vorrang gibt es in ähnlicher Form auch anderswo, etwa in Deutschland.» Vorbehalte hat Schwarz indes bezüglich der Rückwirkungs-Klausel der Initiative: «Das ist problematisch, weil es zu Rechtsunsicherheit führt.»
Die Wortmeldungen aus der Wirtschaft lassen vermuten, dass sich der Abstimmungskampf in den verbleibenden zwei Wochen zuspitzen wird. Economiesuisse verteilte 2,2 Millionen Abstimmungszeitungen gegen die «schädliche» Initiative. Der Verband ist über die Umfrageresultate beunruhigt: Zwar lehnen gemäss GfS 55 Prozent die Initiative ab, aber sie scheint nicht, wie bei Volksbegehren üblich, im Zeitverlauf an Zustimmung zu verlieren.
Zum Finale blasen auch die Befürworter. Sie setzen auf Zeitungs-Inserate: Nach Christoph Blocher schaltet nun auch sein Sohn, Dottikon-ES-Chef Markus Blocher, Anzeigen für die SVP-Initiative. Markus Blocher ist im Gegensatz zu seiner Schwester, Nationalrätin Magdalena Martullo, parteilos. Und auch Miriam Baumann-Blocher, Chefin des Basler Läckerli-Huus, engagiert sich im Komitee. Die Familie Blocher bietet also alle Kräfte auf.
Ausserhalb der SVP bleiben Unternehmer, die offen für die Initiative eintreten, in der Minderheit. Ein prominenter Multi-Verwaltungsrat, der Ja stimmt, will sich in der Zeitung nicht zitiert sehen. Einer, der «nach reiflicher Überlegung» seine befürwortende Haltung publik machte, ist der Ex-Bankier Konrad Hummler. Der Freisinnige erkennt keinen Widerspruch zu seiner Parteizugehörigkeit: Selbstbestimmung sei ein «freisinnig-demokratisches Anliegen».