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Robo-Bombe von Dallas: Sprengstoff-Einsatz wirft Fragen auf

Solch ein Roboter wurde auch gegen den Heckenschützen von Dallas eingesetzt – allerdings: Er deponierte Sprengstoff zur Tötung des Täters.
Solch ein Roboter wurde auch gegen den Heckenschützen von Dallas eingesetzt – allerdings: Er deponierte Sprengstoff zur Tötung des Täters.Bild: AP

Die Robo-Bombe von Dallas: Einsatz von C4-Sprengstoff gegen Täter wirft Fragen auf

09.07.2016, 09:0209.07.2016, 09:43
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Es sei nicht anders gegangen, sagt die Polizei, als Micah Johnson in Dallas mit einem Roboter zu töten. Wohl erstmals wurde diese Technik so eingesetzt. Experten haben nicht nur moralische Bedenken.

Ferngesteuerte Technikkästen, die auf Rädern oder Ketten in die Gefahrenzone fahren und verdächtige Pakete untersuchen oder Bomben unschädlich machen: Das kennt man. Ein funkgesteuertes Gerät aber, das Sprengstoff heranrollt, um einen Verbrecher ausser Gefecht zu setzen, das ist neu.

«Ich kann mich nicht erinnern, dass Polizisten so ein Gerät als Liefermechanismus tödlicher Gewalt eingesetzt hätten», sagt Jusprofessor Seth Stoughton von der Universität South Carolina, ein früherer Polizist, dem «Atlantic». «Dies ist eine neue Dimension für Polizeitechnologie. Sie wirft einige Fragen auf.»

Weitere Storys zum Heckenschützen von Dallas:

Ferngesteuerte Gewalt wird in den Kriegen und Konflikten der Gegenwart zwar immer wieder moralisch und rechtlich hinterfragt, sie ist in Gestalt von grossen oder kleineren Drohnen aber gang und gäbe. Die Polizei in den USA nutzt ferngesteuerte Geräte für die Aufklärung per Kamera, das Ausbringen von Tränengas und sogar zur Rettung Verwundeter, wie das «Policemag» berichtet. Betritt die Polizei mit der Robo-Bombe Neuland?

Methode rechtlich irrelevant

Nicht unbedingt, meint Professor Stoughton. Würden Polizisten unmittelbar bedroht, werde der Einsatz von Gewalt seitens des Gewaltmonopols also in einem ersten Schritt gerechtfertigt, sei die Frage nach der Art der Gewalt nur noch zweitrangig. «Wenn jemand auf die Polizei schiesst, können sie ihn eliminieren, indem sie ihn niederschiessen, mit einem Messer erstechen oder mit einem Fahrzeug überrollen. Ich halte die Methode rechtlich für irrelevant.»

«The Verge» berichtet, mit einem ferngesteuerten Roboter habe die Polizei einen Mann vom Suizid abgehalten: Sie brachte ihm Pizza und ein Telefon. 2014 setzte die Polizei in New Mexico einen kleinen Roboter ein, um einen Verdächtigen in einem Motel unschädlich zu machen. Das Gerät fuhr in das Zimmer, eine Kartusche chemischer Munition wurde gezündet, fertig. Aber ist das so einfach?

C4-Sprengstoff im Einsatz

Als Dallas' Polizeichef David Brown ruhig erklärt, dass man das Drama nicht anders habe beenden können als mit dem Sprengstoff liefernden Roboter, sagte er nicht, was genau die Polizei eingesetzt habe. Blendgranaten und Türöffner kennt man auch aus Filmen. Aber, sagt Jurist Stoughton: «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Polizei irgendwas zur Hand hätte, was sie als Waffensprengstoff einsetzen würde.»

«The Verge» vermutete, es sei Sprengstoff, der für die Sprengung grösserer Bomben eingesetzt werde. Am Abend bestätigte Dallas' Bürgermeister Mike Rawlings genau das: Es war C4-Sprengstoff. Man habe den Mann vor eine Wahl gestellt, und er habe sich entschieden.

Der Einsatz neuer Polizeitechnik werfe seit jeher Fragen auf, sagt Jurist Stoughton: Von Schusswaffen selbst bis zu modernen Elektroschockpistolen (Taser) habe sich noch jedes Mal die Frage angemessenen Einsatzes gestellt. «Ich glaube, wir werden ähnliche Gespräche über Roboter haben, die den Tod bringen.»

Diskussion über Robo-Technik

Im Militär gibt es eine komplizierte und intensive Debatte über die Möglichkeiten von Robo-Technik, weit über Drohnen hinaus. Aber die Experten verweisen auf einen zentralen Unterschied: Sinn und Zweck des eingesetzten Militärs ist die Dominanz über den Gegner. Die Polizei dagegen sei für den Schutz der Bevölkerung da, sagt Stoughton. Und so schwer das zu erklären sei, schliesse das Menschen ein, die Böses tun. «Was es nicht einschliesst, ist der Einsatz tödlicher Gewalt, wenn es möglich ist, sie zu vermeiden.»

Die Polizei von Dallas fällte die Entscheidung, dass ihr Einsatz nicht zu vermeiden war. Die Entscheidung fällten Menschen. Das Gerät war der Lieferant. (sda/dpa)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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_kokolorix
09.07.2016 13:24registriert Januar 2015
Es wäre doch ganz bestimmt auch möglich mithilfe des Roboters ein Schlafgas oder auch Tränengas an den Amokläufer zu bringen. Dann könnte man den Täter immerhin noch befragen und vor Gericht stellen. Aber die Amerikaner sind einfach dem wilden Westen noch nicht entwachsen, sie verwechseln den Strafvollzug mit Rache. Wer Rache will der fackelt nicht lange sondern schiesst, sprengt oder tötet sonst wie. Soweit sind die Positionen zu den Islamisten nicht auseinander.
Das die Welt in der Angst vor Rache nicht besser wird zeigen eindrücklich die Gegenden wo Blutrache noch allgegenwärtig ist
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What’s Up, Doc?
09.07.2016 14:08registriert Dezember 2015
Es wird jetzt viele ankotzen das zu lesen aber es ist einfach Tatsache dass der Täter so oder so durch eine fremde Hand getötet worden wäre, entweder in der Garage oder durch den Henker in Huntsville. Eine Person die soviele Polizisten erschiesst bekommt in Texas, auch wenn er sich schuldig bekennt, nicht lebenslänglich sondern die Todesstrafe. Welcher Tod jetzt der "humanere" ist kann uns wohl keiner genau sagen. Die Tragik ist das es überhaupt soweit kommen musste.
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Gaspadin
09.07.2016 12:27registriert Juni 2016
Die Polizei hat dem Mörder einen Gefallen getan und ihm eine lebenslange Haftstrafe erspart.

Es fragt sich, ob andere Herangehensweisen nicht sinnvoller gewesen wären. Der Täter war lokalisiert und isoliert. Man hätte in seiner Schussweite alle Menschen warnen und evakuieren können und dann mit ihm verhandeln, bis er aufgibt. Länger als 96 Std. hält keiner durch. Warum konnte die Polizei kein Narkosegas einsetzen (Stichwort Nord-Ost)?

Dass der Polizistenmörder nicht von einem Richter, sondern von der Polizei zum Tode verurteilt wurde, ist ein Makel im Rechtsstaat USA.
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