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Colectivos, korrupte Militärs – wer Maduro die Macht sichert

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Motorradgangs, Drogendealer, korrupte Militärs – wer Maduro die Macht (noch) sichert

In Venezuela tobt der Machtkampf zwischen Staatschef Maduro und dem selbst ernannten Interimspräsidenten Guaidó. Der Schlüssel zum Erfolg liegt beim Militär. Noch hat Maduro die Unterstützung – weil einige ganz viel zu verlieren haben.
28.01.2019, 12:4529.01.2019, 06:51
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Nicolás Maduro steuert ein Militärboot durch die Karibik, joggt Seite an Seite mit Verteidigungsminister Vladimir Padrino durch die Festung Paramacay und inspiziert bei einem Manöver der 41. Brigade die Truppen.

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Die Nähe zum Militär hält Maduro bislang an der Macht.Bild: EPA/MIRAFLORES PRESS

Der venezolanische Staatschef will keine Zweifel daran aufkommen lassen, wer der wahre Oberbefehlshaber der Nationalen Bolivarischen Streitkräfte ist. «Immer loyal», ruft er den Soldaten zu. «Niemals Verräter», schallt es zurück.

Das Buhlen um die Unterstützung des Militärs ist kein Zufall. Im eskalierenden Machtkampf zwischen Maduro und dem selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó ist das Militär der Schlüssel zum Erfolg. Internationale Anerkennung hin oder her – durchsetzen wird sich letztlich nur derjenige, der die Streitkräfte hinter sich weiss.

«Das Einzige, was zählt, ist: Wie viele Soldaten stehen auf der Seite von Maduro und wie viele auf der Seite von Guaidó», sagt Phil Gunson vom Forschungsinstitut Crisis Group. Entsprechend werden die Militärs in diesen Tagen umworben.

«Danke für eure Professionalität und euren Patriotismus», schmeichelt Maduro den Soldaten einer Marineeinheit, als er mit ihnen nach der Übung Arm in Arm für ein Foto posiert. «Ihr könnt immer auf mich zählen.»

Guaidó verspricht Straffreiheit

Auch Guaidó lässt nichts unversucht, um die Militärs für sich zu gewinnen. «Soldaten, stellt euch auf die Seite des Volkes», ruft er bei einer Kundgebung. Ein Amnestiegesetz, das den Soldaten Straffreiheit verspricht, wenn sie sich an der Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beteiligen, soll ihnen das Überlaufen zur Opposition schmackhaft machen.

Im Kampf um die Herzen wendet sich Guaidós Ehefrau Fabiana Rosales direkt an die Frauen der Soldatenfamilien. Sie will sie bei der Ehre packen.

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Juan Guaidó und seine Ehefrau Fabiana Rosales am Sonntag, 27. Januar, in einer Kirche in Caracas: Buhlen um die einfachen Soldaten.Bild: EPA/EFE

«Mütter, Töchter und Ehefrauen der Militärs, findet ihr es gerecht, dass die Regierung die Reputation und das Prestige der Uniform beschmutzt hat?», fragt sie in einem Video. «Erinnert ihr euch noch, als Offiziere in Galauniform ihre Töchter zum Altar führten, stolz darauf, Teil der Streitkräfte zu sein?»

Der selbst ernannte Interimspräsident und seine Frau suchen nicht von ungefähr die Nähe zu den einfachen Soldaten und den Frauen.

Ranghohe Militärs sacken Gewinne ein

Denn zumindest die Führungsriege des Militärs steht bislang treu an Maduros Seite. «Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt», versichert Verteidigungsminister Padrino. «Wir erkennen unseren Oberbefehlshaber Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an.»

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Verteidigungsminister Padrino sichert Präsident Maduro am Donnerstag, 24. Januar, vor den Medien seine Unterstützung zu.Bild: EPA/EFE

Die Loyalität dürfte allerdings weniger der sozialistischen Gesinnungen der Generäle geschuldet sein, sondern vielmehr handfesten wirtschaftlichen Interessen. Während das einst reiche Land im Elend versinkt, machen die ranghohen Militärs noch immer gute Geschäfte.

Sie sitzen an den wichtigen Schaltstellen der Macht, kontrollieren das Ölgeschäft, den Import von Lebensmitteln, Banken und Bergbaufirmen. Grosse Teile der Gewinne – Venezuela zählt zu den korruptesten Staaten der Welt – dürften in den Taschen der Generäle verschwinden.

Illegaler Bergbau und Drogenhandel

Zudem sollen zahlreiche Militärs in kriminelle Geschäfte wie illegalen Bergbau und Drogenhandel verwickelt sein. Maduros rechte Hand Diosdado Cabello, Ex-Militär und Vizepräsident der Sozialistischen Partei, gilt als einer der grössten Drogenhändler Südamerikas. Er soll das Cartel de los Soles (Kartell der Sonnen) führen – ein Verbrechersyndikat aus Offizieren.

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Präsident Maduro (rechts) und Diosdado Cabello, der als einer der grössten Drogenhändler Südamerikas gilt.Bild: AP/AP

«Der steckt bis zum Hals in allen illegalen Aktivitäten in Venezuela. Aber er weiss, wie man sich schützt und Abstand zu den schmutzigen Geschäften hält», zitiert das auf Sicherheitsthemen spezialisierte Portal Insight Crime einen Mitarbeiter des US-Justizministeriums.

Maduro habe kriminelle Offiziere gezielt auf die höchsten Ebenen befördert, in der Hoffnung, dass sie im Falle eines Regierungswechsels am meisten zu verlieren hätten und deshalb umso entschlossener für den Status quo kämpfen würden, heisst es in der Analyse. 

Motorradgangs als Stütze Maduros

Maduros Gefolgsleute haben bei einem Regimewechsel viel zu verlieren. Anders sieht es in den niedrigen Rängen aus: Dort dürfte deutlich mehr Unzufriedenheit mit Maduros sozialistischer Regierung herrschen. Die einfachen Soldaten und ihre Familien leiden ebenso an den Versorgungsengpässen wie die Zivilbevölkerung. Es sind vor allem jene Soldaten, die Guaidó zum Überlaufen animiert.

Um einen Putsch zu verhindern, werden sie allerdings mit Hilfe kubanischer Militärgeheimdienstler streng kontrolliert. Dennoch kommt es immer mal wieder zu kleineren Aufständen. Erst vor einer Woche lehnte sich eine Gruppe Nationalgardisten gegen Maduro auf.

Eine weitere Stütze von Maduros Macht sind die «Colectivos». Diese bewaffneten Motorradgangs wollen ebenso, dass alles so bleibt, wie es ist.

Die Gruppen beherrschen ganze Stadtviertel, kontrollieren die Verteilung subventionierter Lebensmittel und gehen unbehelligt von der Polizei ihren illegalen Geschäften nach. Im Gegenzug erledigen sie die Drecksarbeit und prügeln bei Protesten gegen die Regierung auf die Demonstranten ein.

Erster Erfolg für Guaidó

Wenn der selbst ernannte Interimspräsident Guaidó die Militärs und Milizen auf seine Seite ziehen will, muss er ihnen etwas bieten: Nur wenn sie keine Zukunft für Maduros Regierung mehr sehen und gleichzeitig eine sichere Ausstiegsoption haben, dürften sie die Seiten wechseln.

Einen ersten Erfolg seiner Charmeoffensive konnte er schon verbuchen: Der Militärattaché an der venezolanischen Botschaft in Washington sagte sich am Wochenende von Maduro los und stellte sich in den Dienst von Guaidó. «Es reicht», sagte Oberst José Luis Silva in einer Botschaft an seine Kameraden. «Keine Gewalt gegen die Bürger mehr.» (meg/sda/dpa)

Juan Guaidó erklärt sich zum Staatschef Venezuelas

Video: srf
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36 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RandomNicknameGenerator
28.01.2019 13:09registriert Oktober 2018
Liebes Watson-Team,
Es wäre sehr interessant, wenn ihr die von Chavez eingeführten Veränderungen beleuchten könntet - mir Vorteilen wie der gesunkenen Armut und Nachteilen wie dem gesunkenen BIP und der Abhängigkeit vom Erdölpreis. Diese bilden schliesslich die Grundlage zum System Maduro und dementsprechend zum Grund der wirtschaftlichen Problemen.
Danke!
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FrancoL
28.01.2019 13:24registriert November 2015
Ich bin gar kein Freund von Maduro, aber ich bin Realist. Venezuela gehört zu den korruptesten Ländern der Welt und ob nun Maduro der die Opposition an der Macht ist wird die Korruption nicht von heute auf morgen weg sein. Sie wird das Geld nur in andere Taschen fliessen lassen, "verarscht" wird immer noch das Volk.
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Stinkstiefel
28.01.2019 19:38registriert Juni 2015
Die im Artikel verlinkte Karte ist mindestens in Bezug auf die Schweiz völliger Blödsinn.

Die Schweiz anerkennt (seit 1945) nur Staaten, keine Regierungen. Hat Cassis vor wenigen Tagen auch klar so bestätigt. Die Position der Schweiz ist also weder für noch gegen Maduro. Man anerkennt den Staat Venezuela, zu inneren Angelegenheiten haben wir aber keine offizielle Position. Das wird als Einmischung gewertet und ist mit dem schweizerischen Neutralitätsgedanken nicht vereinbar.

Faktisch ist man mit jenen in diplomatischem Kontakt, die die effektive Hoheit ausüben.
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