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Ein gigantischer Eisberg – so gross wie das Wallis – ist in der Antarktis abgebrochen

This Nov. 10, 2016 aerial photo released by NASA, shows a rift in the Antarctic Peninsula's Larsen C ice shelf. According to NASA, IceBridge scientists measured the Larsen C fracture to be about  ...
Ein 175 Kilometer langer Riss im Larsen-C-Schelfeis. Bild: AP/NASA

Ein gigantischer Eisberg – so gross wie das Wallis – ist in der Antarktis abgebrochen

12.07.2017, 12:2712.07.2017, 15:15
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In der Antarktis hat sich ein ganz besonderes Spektakel ereignet: Ein Rieseneisberg hat sich abgelöst. Damit ist in der Antarktis einer der grössten Eisberge entstanden, die Forscher bisher registriert haben. Mit rund 5000 Quadratkilometern wird er fast so gross sein wie der Kanton Wallis. Der Koloss hat sich vom Larsen-C-Schelfeis gelöst, wie Wissenschaftler des Forschungsprojekts «MIDAS» am Mittwoch auf Twitter melden.

Durch das Abbrechen des Eisberges, der voraussichtlich den Namen A68 erhalten soll, verringerte sich die Fläche von Larsen C den Forschern zufolge um ein Zehntel. Larsen C ist das nördlichste und grösste Eisschelf der Antarktis. 

«Der Eisberg wird wahrscheinlich relativ stabil sein und nicht in viele Teile zerfallen.»
Daniela Jansen

Schelfeise sind auf dem Meer schwimmende Eisplatten, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. «Das ist ein natürlicher Prozess im Schelfeis», sagt die Glaziologin Daniela Jansen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. «Sonst würde es ja immer weiter ins Meer hinauswachsen.» Schliesslich fliesse von Land her immer neues Eis nach.

epa05700702 A handout photo made available by NASA on 06 January 2017 shows an oblique view of a massive rift in the Antarctic Peninsula's Larsen C ice shelf, Antarctica, 10 November 2016. Icebri ...
Nahaufnahme des Risses.Bild: EPA/NASA

Erholt sich das Schelfeis?

Trotzdem sind die Wissenschaftler alarmiert. Denn noch sei völlig unklar, ob das jetzige Kalben tatsächlich ein normaler Prozess ist oder sich das Schelfeis im Anschluss dauerhaft zurückzieht, so Jansen.

«Unbestritten ist jedoch, dass die Temperaturen an der Antarktischen Halbinsel in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen sind, weshalb wir hier einen Zusammenhang vermuten beziehungsweise nicht ausschliessen können.»
Olaf Eisen

In den letzten zwei Jahrzehnten sind bereits sieben Teile Schelfeis von insgesamt zwölf an der Antarktischen Halbinsel zerfallen oder sehr stark zurückgegangen. «Das hat ziemlich sicher mit der Erwärmung zu tun», sagt die Glaziologin. Experten vermuten, dass Schmelzwasser an der Oberfläche die Schelfeis-Teile instabil werden lässt.

«Ein Problem für das Verständnis dieses Prozesses sind unsere kurzen Beobachtungsreihen», schreibt AWI-Wissenschaftler Olaf Eisen in einem Blogbeitrag. Seit rund 40 Jahren können Forscher überhaupt erst flächendeckend auf Daten zurückgreifen, die solche Beobachtungen möglich machen.

«Wenn mehr Eis ins Wasser fliesst, steigt der Meeresspiegel.»
Daniela Jansen

«Unbestritten ist jedoch, dass die Temperaturen an der Antarktischen Halbinsel in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen sind, weshalb wir hier einen Zusammenhang vermuten beziehungsweise nicht ausschliessen können», schreibt der Forscher weiter.

A graphic that shows how the Larsen B Antarctic ice shelf has collapsed from 1995 to the present day, with alarming speed over the recent months. Part of the Larsen B ice shelf in Antarctica, has coll ...
Im Jahr 2002 löste sich beim Larsen-B-Schelfeis ein Eisberg ab.Bild: AP IMAGE COURTESY OF TED SCAMBOS/PA

Bereits im Jahr 2002 löste sich vom Larsen-B-Schelfeis ein Eisberg ab. «Danach ist die Kante immer weiter abgebröckelt, das Schelfeis hat sich nicht erholt», betont die Wissenschaftlerin. Wenn aber in der Bucht Schelfeis fehle, haben die Gletscher weniger Halt. «Wenn mehr Eis ins Wasser fliesst, steigt der Meeresspiegel.»

Kein Risiko für Schiffe

Der Eisberg kann auf dem Meer treibend Tausende Kilometer zurücklegen. «Er wird vermutlich entlang der antarktischen Halbinsel nach Norden driften und dann weiter Richtung Osten», sagt Jansen. Es sei schon vorgekommen, dass Eisberge bis an die brasilianische Küste schwimmen. Eine Gefahr für die Schifffahrt oder für Menschen bestehe aber nicht.

Wahrscheinlich sei, dass der Eisberg vor der Inselgruppe South Georgia, 1400 Kilometer östlich der argentinischen Küste, im wärmeren Ozeanwasser vollständig schmilzt. «Das kann ein Jahr oder länger dauern», sagt Jansen. «Der Eisberg wird wahrscheinlich relativ stabil sein und nicht in viele Teile zerfallen.» Per Satellit wären seine Positionen sehr gut zu bestimmen. «Schiffe können so gewarnt werden.» (whr/can/sda/dpa)

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