Marco von Ah, der Medienchef des Schweizer Fussballverbandes, schickt an diesem Nachmittag nach dem Training in Rapperswil-Jona zwei Spieler zu den Journalisten: Gelson Fernandes und Fabian Schär. Während Fernandes etwas verloren dasteht, stapeln sich vor Schär die Mikrofone und Notizblöcke.
Verständlich: Der Innenverteidiger zeigte an der EM in Frankreich starke Leistungen. Dabei rückte er zuvor als Unsicherheitsfaktor ins Vorbereitungscamp ein. Doch das Vertrauen des Trainers und das Siegtor gegen Albanien wendeten das Blatt: Mittlerweile ist der 24-jährige Wiler ein Schlüsselspieler in der Mannschaft von Vladimir Petkovic
Fabian Schär, die WM-Qualifikation
startet gleich mit dem schwerstmöglichen
Spiel gegen Europameister Portugal.
Gut oder schlecht?
Fabian Schär: Ob wir zum Auftakt oder
erst im fünften Spiel gegen sie antreten,
ist für mich nebensächlich. Wir gehen gegen
Portugal wie in jedes Spiel: Wir wollen
gewinnen. Wir versuchen, am Dienstag
die Ersten zu sein, die den Europameister
besiegen.
Granit Xhaka hat gesagt, er wünsche
sich eine bessere Qualifikation als die
letzte, welche die Schweiz als Gruppenzweiter
abgeschlossen hat. Was
heisst das in Ihren Augen?
Ganz einfach: Unser Ziel ist Platz 1 und die
direkte Qualifikation für die WM in Russland.
Portugal tritt morgen ohne Ronaldo
an. Was heisst das für die Schweiz?
Bei Portugal geht es immer um Ronaldo,
Ronaldo, Ronaldo. Alles andere interessiert
fast nicht. Dabei hat man im EM-Final
gesehen: Sie sind vor allem eine starke
Gemeinschaft. Nach der Verletzung von
Ronaldo haben sie im Kollektiv brilliert.
Sie sind auch ohne Ronaldo stark. Auf das
müssen wir aufpassen und gut vorbereitet
sein.
Sie spielten persönlich eine tolle EM.
Was haben Sie aus Frankreich mitgenommen?
Sehr viel. Ich bin mit grossem Selbstvertrauen
in die Vorbereitung mit Hoffenheim
eingerückt und konnte mein Niveau
halten. Jetzt hoffe ich, dass es so weitergeht.
Ist nach den Leistungen in Frankreich
auch in der Nationalmannschaft Ihr
Stellenwert gestiegen?
Ich habe in der Nationalmannschaft schon
vorher bewiesen, dass auf mich Verlass
ist, wenn es mich braucht. Aber klar, eine
solche EM stärkt den Rücken.
Sie geniessen bei Vladimir Petkovic
viel Vertrauen – auch in Phasen, in denen
es im Klub nicht nach Wunsch
läuft.
Vertrauen ist für mich das Wichtigste. Ohne
Vertrauen und die entsprechenden
Worte des Trainers fühle ich mich nur
halb so gut.
Vor der EM standen Sie in der Kritik.
Dann der Steigerungslauf in Frankreich.
War das das Verdienst von Petkovic?
Vor dem ersten Spiel gegen Albanien waren
wir ja bereits länger zusammen. In
dieser Zeit habe ich mir viel Selbstvertrauen
geholt und das dann umgesetzt auf
dem Platz. Zudem hatte ich während der
schwierigen Phase in Hoffenheim immer
Kontakt mit Vladimir Petkovic, das hat
mir viel bedeutet. An der EM ging es super
los für mich mit dem Tor gegen Albanien,
danach war ich im Flow.
Die Abwehr ist mittlerweile der gewünschte
Stabilisator der Mannschaft.
Eine Folge dessen, dass Petkovic mit
Sommer, Lichtsteiner, Djourou, Rodriguez
und Ihnen konsequent auf die
gleichen fünf Spieler setzt?
Ach, wissen Sie, Fussball ist schnelllebig:
Wenn wir gegen Portugal zwei Tore kassieren,
heisst es, die Abwehr ist der
Schwachpunkt. Wir haben bewiesen, dass
wir auch verteidigen können – nicht nur
die Verteidiger, sondern die ganze Mannschaft.
Wenn alle an die Defensive denken,
ist es nur logisch, dass es funktioniert.
Die Defensive funktioniert – nur Tore
schiesst die Nati kaum. Ein Fall für Sie
mit Ihrer fantastischen Torquote. Wissen
Sie, wie oft Sie für die Schweiz
schon getroffen haben?
Sieben Mal.
Genau, in 24 Spielen. Im Klub hingegen
war es in der vergangenen Saison
in gleich vielen Spielen nur ein Tor.
Warum?
Ich kann mir das auch nicht erklären: Eigentlich
sollte es ja umgekehrt sein, weil
die Automatismen im Klub besser funktionieren.
In der Nationalmannschaft hatte
ich bisher das Glück, oft am richtigen Ort
zu stehen und dass die Standards so gut
getreten werden.
Themawechsel: Warum spielen Sie eigentlich
immer noch in Hoffenheim?
Nun, es gab einige Anfragen in der Sommerpause.
Aber ich fühle mich nach wie
vor sehr wohl in Hoffenheim.
Waren Sie zu teuer für andere Klubs?
(lacht) Das weiss ich nicht. Es gab Gespräche mit den wenigen Vereinen, die für
mich interessant waren. Ich habe mir immer
gesagt: Wenn ich wechsle, dann muss
es ein markanter Schritt vorwärts sein.
Sie sind erst vor einem Jahr vom FC
Basel in die Bundesliga gewechselt
und hatten bei Hoffenheim keine einfache
Saison. Wäre ein Wechsel in diesem
Sommer nicht zu früh gekommen?
Es war ja nicht so, dass ich mit aller Macht
auf einen Wechsel gedrängt habe. Es gab
Anfragen von Vereinen, bei denen jeder
Spieler sich Gedanken macht. Der Wechsel
zum Verein, der mich interessiert hat,
war dann aus verschiedenen Gründen
nicht möglich. Ich bin froh, in Hoffenheim
zu sein und weiterhin in der Bundesliga
zu spielen und hoffentlich bessere Leistungen
zu zeigen als in der letzten Saison.
Um welchen Verein handelte es sich?
Der FC Valencia hatte Interesse und ich
und mein Umfeld führten auch Gespräche
mit den Spaniern. Zum Zeitpunkt, als die
Gespräche stattgefunden haben, war es
aber nicht möglich, den Transfer sofort
abzuwickeln. Noch einmal: Es ist für mich
überhaupt kein Problem, in Hoffenheim
zu sein. Im Gegenteil: Ich freue mich sehr
auf die neue Saison mit unserem jungen
Trainer, der im Sommer erstmals eine
komplette Vorbereitung mit uns absolviert
hat und seine Ideen einbringen
konnte.
Julian Nagelsmann ist mit 29 der
jüngste Trainer in einer Bundesliga
und gerade mal fünf Jahre älter als
Sie. Wie war es, als er das erste Mal
vor die Mannschaft stand?
Die erste Ansprache eines Trainers hat
grosses Gewicht. Er hat da auf Anhieb die
richtigen Worte gefunden und allen das
Gefühl gegeben, dass sie wichtig sind.
Als Nagelsmann übernahm, war Hoffenheim
gefühlt abgestiegen. Es war
mutig, in dieser Situation einen so jungen
Trainer zu installieren.
Ich fand es cool und wurde vom ersten
Tag an bestätigt. Das Verhältnis zuvor mit
Huub Stevens war ja ein bisschen schwierig.
Julian ist in einer sehr schwierigen Situation
gekommen und hat die Mannschaft
schnell aus dem Keller geholt. Das
beweist seine Klasse und dass er die absolut
richtige Wahl war.
Sie haben es angetönt: Unter Vorgänger
Stevens spielten sie kaum. Wie hat
Nagelsmann Sie wieder stark gemacht?
Das Wichtigste für mich war, dass ich wieder
auf dem Platz stehen durfte. Julian hat
auf mich gesetzt, sein spielerischer Fussball
passt gut zu mir. An der EM konnte
ich nochmals einen Schritt nach vorne
machen und hatte dann eine gute Vorbereitung.
Ich habe ein gutes Gefühl: Wenn
ich meine Leistungen abrufe, wird Julian
auf mich setzen
Sie duzen den Trainer?
Ja, alles andere wäre bei seinem Alter komisch.
Das hat aber null Einfluss auf seine
Autorität. Er ist als Trainer voll und ganz
respektiert.
Hat Nagelsmann Ihren Abgang verhindert?
Das weiss ich nicht mal so genau.