Wenn der Weltuntergang kommt, soll man in die Schweiz gehen – weil da alles zehn Jahre später passiert, behauptet ein alter Witz. Doch das stimmt nicht: Auch die Schweiz verändert sich, und zwar rasant. Wer unser Land, wie es heute ist, mit der Nachkriegsschweiz vergleicht, wird grosse Unterschiede bemerken. Zum Beispiel diese 14:
Der Jahrgang 1946 ist – zumindest was die Vornamen anbelangt – bodenständig schweizerisch: Hans und Verena sind die häufigsten Namen, die damals vergeben wurden. Zwanzig Jahre später waren es Daniel und Maria. Da die geburtenstärksten Jahrgänge in diese Zeit fielen, sind sie heute noch die häufigsten Vornamen der Schweiz. Wie das später mit den heute beliebtesten Namen wie Noah oder Mia (eigentlich eine Kurzform von Maria) sein wird, wissen nur die Götter.
Früher bekamen die Frauen im Durchschnitt nicht nur mehr Kinder – sie bekamen sie auch früher. 1970 beispielsweise waren sie durchschnittlich 25,3 Jahre alt, als ihr erstes Kind zur Welt kam. Mittlerweile sind sie fast 31 Jahre alt. 2015 waren die Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes nur in Italien noch etwas älter.
In den frühen Siebzigerjahren wurde rund ein Drittel aller Kinder von Frauen unter 25 Jahren geboren – 2015 waren es nur noch etwas mehr als 7 Prozent. Dafür stieg der Anteil der älteren Mütter (35 Jahre oder älter) stark an: von gut 10 Prozent auf über 30 Prozent.
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Und nun zurück zu den Statistiken ...
Die Schweizer gelten als fleissig. Aber auch hierzulande ist die wöchentliche Arbeitszeit allmählich zurückgegangen, besonders seit in den Sechzigerjahren die Samstagsarbeit abgeschafft wurde. In der Industrie fiel die Wochenarbeitszeit beispielsweise von 48 Stunden im Jahr 1945 auf 41,4 Stunden im Jahr 2016. Über alle Branchen hinweg beläuft sie sich in der Schweiz heute auf 43 Stunden.
Im Gleichschritt mit der Zunahme der Wohnbevölkerung wuchs auch die Zahl der Erwerbstätigen, zusätzlich gestützt durch die bis in die Neunzigerjahre hinein niedrige Arbeitslosenquote. 1960 zählte die Schweiz 2,7 Millionen Erwerbstätige, davon 927'000 Frauen (34%). 56 Jahre später waren es bereits 5 Millionen Erwerbstätige, fast die Hälfte davon (46%) Frauen. Mit 68,5 Prozent liegt die Erwerbsquote in der Schweiz übrigens höher als in allen EU-Staaten.
Das wachsende Heer der Erwerbstätigen verteilte sich sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Wirtschaftssektoren. Im Primärsektor (Landwirtschaft) sank ihre Zahl von 393'000 im Jahr 1960 auf 167'000 im Jahr 2016. Allein zwischen 1980 und 2016 halbierte sich die Zahl der Bauernbetriebe. Im Sekundärsektor (Industrie) war der Rückgang weniger stark: 1960 waren dort 1'263'000 Personen beschäftigt, 2016 noch 1'044'000. Da der Tertiärsektor (Dienstleistungen) indes im gleichen Zeitraum enorm wuchs – von 1'061'000 auf 3'741'000 –, wirkte sich der moderate Rückgang prozentual gesehen stark aus: Die Industrie beschäftigt heute weniger als einen Viertel aller Erwerbstätigen.
Kurz nach Kriegsende musste ein Schweizer Durchschnittshaushalt über ein Drittel (36,4%) des verfügbaren Einkommens allein für Nahrungsmittel ausgeben. Bei der Bekleidung waren es immerhin noch knapp ein Zehntel (9,5%). Bis 2015 sanken diese Anteile auf 6,3 Prozent (Nahrungsmittel) respektive 2,3 Prozent (Bekleidung).
Lediglich bei der Miete zeigt sich ein anderes Bild: 1945 musste der Durchschnittshaushalt noch 13,5 Prozent des verfügbaren Einkommens dafür aufwenden; bis 2015 stieg dieser Anteil leicht auf 14,9 Prozent. Zusammen machten diese drei Komponenten 2015 nur noch 23,5 Prozent des Haushaltseinkommens aus. 1945 waren es noch satte 59,4 Prozent gewesen.
Was waren sie klobig, in den Neunzigerjahren! Die ersten Handys konnten noch nicht viel, waren dafür aber gross. Geichwohl gab es schon 1990 rund 125'000 Handys in der Schweiz. Diese Zahl stieg innerhalb der folgenden fünf Jahre auf fast 450'000. Und danach explodierte der Bestand förmlich: Bis 2000 verzehnfachte sich die Zahl der Mobiltelefone – nun gab es über 4,6 Millionen davon im Land.
2002 übertraf die Anzahl der Mobil- erstmals diejenige der Festnetzanschlüsse. Im Jahr 2016 gibt es nicht weniger als 11,3 Millionen Handys in der Schweiz – mit anderen Worten: Für jeden Einwohner vom Baby bis zum Greis sind es im Schnitt 1,3 Handys.
Die Schattenseite der zunehmenden Motorisierung: Die Zahl der Verkehrsunfälle stieg, und damit auch die Zahl der Todesopfer, die der Strassenverkehr forderte. 1945 starben 211 Menschen auf Schweizer Strassen – zehn Jahre später waren es bereits über 1000. Der Todeszoll stieg nahezu ungebremst an und erreichte 1970 mit 1694 Toten den traurigen Höhepunkt.
Danach ging die Zahl der Todesopfer wieder zurück. Technische Verbesserungen und Sicherheitsmassnahmen, beispielsweise Tempolimiten oder die Gurtentragpflicht, verminderten das Risiko für tödliche Unfälle deutlich. 2016 kamen im Strassenverkehr noch 216 Menschen um – fast gleich viele wie 1945, aber dies bei einem unvergleichlich dichteren Verkehr.
Dichtestress? 1945 ein unbekanntes Wort. Damals lebten knapp 4,4 Millionen Menschen in der Schweiz, etwa 107 pro Quadratkilometer. Heute sind es mit 8,4 Millionen (203 pro km2) fast doppelt so viele. Dieser Zuwachs entspricht nicht ganz dem Zehnfachen der heutigen Einwohnerzahl der Stadt Zürich (403'000). Da all diese zusätzlichen Leute zudem mehr Wohnraum pro Kopf benötigen, wachsen die Agglomerationen ins Land hinaus – ein Vorgang, der unter dem Begriff «Zersiedlung» negative Schlagzeilen macht.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ging die Zahl der Ausländer in der Schweiz drastisch zurück. 1941, mitten im Krieg, lebten nur 224'000 Personen ohne Schweizer Pass im Land. Diese Zahl nahm nach dem Krieg rasch zu und erreichte um 1970 einen ersten Höhepunkt. In diese Zeit fallen auch die sogenannten Überfremdungsinitiativen, die die Ausländerzahl begrenzen wollten.
Nach der Ölkrise von 1973 fiel die Wirtschaft in eine Rezession; daher ging der Ausländeranteil wieder zurück – um danach erneut kräftig anzusteigen. Heute leben mit rund 2,1 Millionen so viele Ausländer wie noch nie in der Schweiz – das ist rund ein Viertel der Bevölkerung.
Vor dem Krieg stellten zwei Staaten den Löwenanteil der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz: Italien und Deutschland. Dieses Bild änderte sich allmählich; während die Zahl der Italiener hoch blieb, ging jene der Deutschen zunächst kräftig zurück. 1980 lebten mehr spanische Staatsangehörige in der Schweiz als deutsche.
Seither nahm die Zahl der Deutschen wieder stark zu: 2016 waren sie mit über 300'000 nach den Italienern die zweitgrösste Gruppe. Aber auch die Zahl der Personen aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und aus Portugal nahm enorm zu. Allein aus dem Kosovo lebten 2016 mehr als 100'000 Personen in der Schweiz, und die Zahl der Portugiesen stieg von knapp 11'000 (1980) auf knapp 270'000 (2016).
Obwohl der Anteil der Ausländer aus anderen Kontinenten – insbesondere Afrika – seit 1980 kräftig angestiegen ist (von knapp 6 auf gut 16 Prozent), stammt der überwältigende Anteil nach wie vor aus Europa. Fast vier von fünf Ausländern aus Europa kommt dabei aus der EU.
Wenn das Zwingli und Calvin wüssten! Kurz nach dem Krieg war die Schweiz mehrheitlich protestantisch (56,3%) – doch heute sind die Katholiken (37,9%) die grösste Glaubensgemeinschaft. Dies jedoch nur, weil ihr Schwundprozess langsamer verlief: Die Flucht aus den Landeskirchen hat die Evangelisch-Reformierten härter getroffen als die Katholiken; zudem erhielten diese mehr Verstärkung durch die Zuwanderung.
Die Zuwanderung dürfte auch die Gruppe der anderen Christen (zum Beispiel die Griechisch-Orthodoxen) verstärkt haben. Das gilt mit Sicherheit auch für die Muslime, die noch 1970 lediglich auf 0,2 Prozent der Wohnbevölkerung kamen. Heute sind es über 5 Prozent. Den spektakulärsten Zuwachs konnten aber die Konfessionslosen verzeichnen; sie entwickelten sich von einer winzigen Minderheit zur derzeit drittgrössten Gruppe.
Die Schweiz vergreist. Aufgrund der Zuwanderung langsamer als andere Staaten, aber auch hierzulande ist der demographische Wandel unaufhaltsam. Dies zeigt der jeweilige Anteil der Jungen (bis 19 Jahre) und Alten (65 Jahre und älter) an der Gesamtbevölkerung. 1950 war noch fast jeder Dritte (30,6%) jung, während der Anteil der Rentner unter 10 Prozent lag.
2016 haben die Alten die Jungen dank der niedrigen Geburtenrate und der höheren Lebenserwartung beinahe eingeholt: Beide Gruppen machen jetzt etwa einen Fünftel der Bevölkerung aus. Dieser Trend, der sich in Zukunft fortsetzen wird, gerät zusehends zur Belastung des Rentensystems.
Bis etwa 1970 brachten die Frauen in der Schweiz im Schnitt mehr als 2,1 Kinder zur Welt. Dieser Wert gilt als Schwelle – ohne Zu- oder Abwanderung bleibt die Bevölkerung mit dieser Geburtenrate konstant. Nach den geburtenstarken Jahrgängen Mitte der Sechzigerjahre – die Babyboom-Generation – kam der «Pillenknick». Die Geburtenrate sank in den Siebzigern deutlich und erreichte ihren Tiefststand Mitte der Neunzigerjahre. Grossfamilien, die früher nicht selten waren, sind heute eine exotische Erscheinung.
Seit 2010 bekommen die Frauen wieder mehr Kinder. 2015 wurden 86'559 Babys geboren, so viel wie seit 1993 nicht mehr. Die Geburtenrate lag in diesem Jahr bei 1,54. Dass die Schweizer Wohnbevölkerung dennoch nicht schrumpft, liegt an der steigenden Lebenserwartung und vor allem an der Zuwanderung.