Je nach Herkunftsland sind junge Migranten in der Schweiz deutlich besser oder schlechter integriert. Dies zeigt eine noch unveröffentlichte Studie, welche der «SonntagsZeitung» vorliegt.
Ein Team um Professor Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat 8300 Teenager befragt. Die meisten sind 17 oder 18 Jahre alt. Aus den Antworten erstellten die Forscher dann einen «Integrations-Index», auf dem 100 Punkte der perfekten Integration entsprechen.
Am nächsten kamen Jugendliche aus Österreich (83) und Deutschland (80). Viel tiefere Werte erzielten Teenager aus der Türkei und Serbien (60). Dahinter folgte die Gruppe «arabische Länder und Nordafrika» (59). Die tiefsten Zahlen wiesen Kosovo (57) und Mazedonien (55) auf.
Die Teenager wurden zu drei Themen befragt: Freundeskreis, Identifikation mit der Schweiz und Bildung. Laut der «Sonntagszeitung» zeigen sich dabei grosse Unterschiede.
Nur 57 Prozent der Jugendlichen aus der Türkei und aus Mazedonien gaben an, dass unter den fünf besten Freunden ein Schweizer ist. Im Schnitt bejahrten drei von vier Personen mit Migrationshintergrund diese Frage.
Die Teilnehmer sollten ferner angeben, ob ihre Landsleute unter sich heiraten und auch grundsätzlich stärker unter sich bleiben sollten. Jeder dritte Kosovare und Mazedonier stimmte zu. Durchschnittlich waren zwölf Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund dieser Meinung – bei den Schweizern ohne ausländische Wurzeln waren es elf Prozent.
Aus der Umfrage ging hervor, dass ein Zusammenhang zwischen dem «Integrations-Index» und dem jeweiligen Bildungsgrad der Befragten besteht. 43 Prozent der Deutschen – diese Gruppe schnitt am besten ab – besuchen ein Gymnasium. Bei Teenagern aus Mazedonien und dem Kosovo sind es nur sieben Prozent.
Nina Gilgen, Integrationsdelegierte des Kantons Zürich, kritisiert die Studie. Gerade das Kriterium Bildung zeigt, dass man die Studie kritisch einschätzen müsse. «Jemand, der das Gymnasium besucht, kann genauso gut integriert sein wie jemand in der Berufsschule», zitiert die «Sonntagszeitung». Um Integration zu messen, müssen weitaus mehr Faktoren miteinbezogen werden.
Laut Baier besteht die Gefahr, «dass die Resultate politisch instrumentalisiert werden, um Stimmung gegen gewisse Gruppen zu machen». Das ist natürlich nicht das Ziel der Studie. Baier wollte herausfinden, wo man bei der Integrationsförderung ansetzen müsste.
So hat sich herausgestellt, dass Religion die Integration eher hemmt – sowohl bei Christen als auch bei Muslimen. Konfessionslose Jugendliche erzielten einen weit aus höheren «Integrations-Index».
Zudem bleiben einige lieber unter sich. Das liegt hauptsächlich daran, dass 13 Prozent der Befragten ihre Gruppe als diskriminiert wahrnehmen.
Xhezmi Tairi, Mitgründer und Präsident des albanischen Vereins zur Förderung von Integration, stellt Forderungen an beide Seiten. Migranten müssen aktiver sein – beispielsweise beim Erlernen der Landessprache. Von den Schweizern verlangt er mehr Toleranz: «Ich höre immer wieder, ich sei kein Eidgenosse.» Solche Aussagen können verletzen sein und zur Abschottung einzelner Gruppen führen.
Offenheit braucht es aber auch von den Eltern. Jugendliche, die der Meinung sind, dass Landleute unter sich heiraten sollten, gaben oft auch an, dass ihre Eltern diese Erwartungshaltung haben.
Baier kommt zum Schluss: Der Faktor Zeit fördert Integration. Je länger ein Befragter schon in der Schweiz lebt, desto höher fällt der Indexwert aus. Die Studie entkräftet zudem auch gewisse Vorurteile. Beim Rauschtrinken, bei Ladendiebstählen oder beim Cannabis-Konsum erreichten einheimische Teenager höhere Werte als die Jugendlichen mit Migrationshintergrund. (vom)