Joseph Schumpeter ist der Lieblingsökonom der Manager, denn der in die USA ausgewanderte Österreicher prägte den Ausdruck «schöpferische Zerstörung». Darunter versteht er den an sich banalen Vorgang, dass man, um etwas Neues aufzubauen, zuerst Altes zerstören muss.
Die Manager sind gemäss Schumpeter die Agenten dieser schöpferischen Zerstörung. In der einschlägigen Literatur findet man daher wahre Elogen darauf, wie man verkrustete Strukturen einreissen kann und Mitarbeiter flexibler macht. Mark Zuckerberg bringt diese Denkweise wie folgt auf den Punkt: «Bewegt Euch schnell und macht Dinge kaputt», predigt er seinen Facebook-Mitarbeitern. «Wer nichts kaputt macht, der bewegt sich nicht schnell genug.»
Donald Trump würde prima zu Facebook passen. Er bewegt sich schnell, und seine Zerstörungswut ist gewaltig. Nur hat er sich nicht ein Unternehmen, sondern die bestehende Weltordnung zum Ziel ausgewählt. Seit er einen Fuss ins Weisse Haus gesetzt hat, verfolgt er dieses Ziel.
Als Erstes hat Trump geplante Handelsverträge wie TPP und TTIP gestrichen. Danach hat er angeordnet, bestehende Verträge wie Nafta neu zu verhandeln. Aus dem Pariser Klimaabkommen ist er ausgestiegen und den Atomvertrag mit dem Iran hat er platzen lassen.
Alle diese Verträge wären ohne die amerikanische Schutzmacht nicht entstanden. Die Vereinigten Staaten sind – oder waren es zumindest bis anhin – der unbestrittene Anker einer liberalen Weltordnung. Sie waren Garant für Demokratie, Rechtsstaat und freien Handel. Nie mehr seit der Belle Epoque, der Hochblüte vor dem Ersten Weltkrieg, waren die Zölle so tief und der internationale Handel so intensiv wie heute.
Die USA waren nicht nur Garant, sie sind auch der grösste Nutzniesser dieser Ordnung. Der Dollar ist die Leitwährung der Welt und ermöglicht es den Amerikanern – etwas polemisch ausgedrückt –, grüne Scheinchen gegen reelle Gegenwerte einzutauschen. Der ehemalige französische Finanzminister und spätere Präsident Valéry Giscard d’Estaing sprach daher auch von einem «exorbitanten Privileg» der USA.
Trump hingegen sieht die USA als Opfer. Europa und Kanada würden sein Land «plündern wie ein Sparschwein», klagte er im Vorfeld des G7-Treffens. Entgegen den Fakten behauptet er, die anderen Staaten würden höhere Zölle erheben als Nordamerika. Sein Handelsberater Peter Navarro sprach gar davon, dass es für Kanadas Premierminister Justin Trudeau «einen speziellen Platz in der Hölle» gäbe.
Wohlgemerkt, der Präsident und seine Entourage sprechen hier von den engsten Verbündeten und wichtigsten Handelspartnern der USA.
Weil die Wirtschaft brummt, kann sich Trump diese Eskapaden leisten. Dabei ist dies kaum sein Verdienst. Die US-Wirtschaft befindet sich am Gipfel eines Wachstumszyklus. «Der Präsident hat eine Wirtschaft geerbt, die einen weiten Weg hin zu einer Erholung hinter sich hat», stellt Neil Irwin in der «New York Times» fest.
Für den Rest der Welt wird Trump hingegen immer mehr zu einer Bedrohung. Seine Bewunderung für Putin und andere Diktatoren lösen inzwischen mehr Kopfschütteln und milden Spott aus. Sie bringen zum Ausdruck, dass der US-Präsident die Grundwerte des liberalen Westens nicht mehr teilt.
Trumps Auftreten am G7-Gipfel war der vorläufige Gipfel seiner Verachtung für den Westen. Vielleicht war es gar der Anfang vom Ende. Der Historiker Max Boot schreibt in der «Washington Post»: «Die atlantische Allianz kam 1941 in Kanada auf die Welt, möglicherweise ist sie dort 2018 gestorben.»