Offiziell sind alle restlos begeistert. Rennen mit Elektro-Töffs sind in Zeiten des Klimawandels eine tolle Sache. Da redet nun wirklich keiner dagegen.
Die Notwendigkeit, sich mit der Technologie von Elektrobikes auseinanderzusetzen, ist unbestritten und notwendig. Die Suche nach Investoren und Werbegeldern – der Rennsport leidet unter chronischem Geldmangel – ist mit dieser Technologie auch einfacher.
Weil die von einer italienischen Firma gebauten Bikes bei Tests in Jerez im Frühjahr alle verbrannt sind, ist die für den 7. Mai geplante Premiere (GP von Spanien) nun auf den Sachsenring verschoben worden.
Ganz vom konventionellen Rennsport mit Verbrennungsmotoren können sich aber auch die Elektromotoren nicht lösen: Den Strom zum Aufladen der Batterien lieferten auf dem Sachsenring mit Bio-Diesel getriebene Generatoren.
Rennen mit E-Bikes sind seltsam stumm. Wie wenn eine Rockband spielt und kein Ton zu hören ist. Es lärmt und kracht und tost und braust und wummert und tuckert und röhrt und knattert nicht.
#MotoE is GO!!! ⚡️@hector_garzo makes a lightning start to lead at turn 1! 👊#GermanGP 🇩🇪 pic.twitter.com/ATduhUPFw3
— MotoGP™ 🇩🇪 (@MotoGP) 7. Juli 2019
Es ist dieser Lärm, der gleich wie Vibrationen den Zuschauerinnen und Zuschauern an der Strecke in die Seele dringt. Er betört. Er ist die Begleitmusik, die aus Männern Helden macht. Der Lärm ist ein wichtiger, vielleicht sogar ein zentraler Faktor der Faszination Töffrennen.
Die E-Bikes aber huschen geräuschlos vorüber. Die Fahrer wirken wie Wesen aus einer anderen Welt. Obwohl rein optisch – Schräglagen, Zweikämpfe – kein Unterschied zu einem «richtigen» Rennen auszumachen ist.
Wenn das Safety Car lauter ist, als die Rennmaschinen 🤣 #MotoE
— Eikestad (@eikestad) 7. Juli 2019
Die Höllenmaschinen mit Elektromotoren leisten rund 160 PS, wiegen aber wegen der 100 Kilo schweren Batterie 260 Kilo, 100 mehr als ein MotoGP-Bike mit Verbrennungsmotor. Sie beschleunigen bei geschätzten Drehzahlen von bis zu 30’000/Min. auf über 260 km/h, sind aber langsamer als die Moto3-Maschinen mit 55 PS.
Niki Tuuli gewinnt den ersten #MotoE Grand-Prix. Ein Finne, natürlich. Passt zu den innovativen Skandinaviern, hier früh und gut dabei zu sein. Es war die Premiere am #Sachsenring für die elektrifizierten Motorräder. Klang übrigens so: #GermanGP pic.twitter.com/NpbmqgCfZ1
— Marco Bosch 🇪🇺 (@marcobo) 7. Juli 2019
Das Rennen sollte über 28 Kilometer oder 8 Runden führen (MotoGP-Konkurrenzen laufen über rund 100 Kilometer Distanz). Logisch, dass die Veranstaltung nach 18 Kilometern (5 Runden) vorzeitig zu Ende war. Der erste und einzige Sturz – es erwischte den Italiener Lorenzo Savadori – führt gleich zum Rennabbruch. Die überschweren Bikes werden, wenn sie durch den Sturzraum rutschen, zu Geschossen. Beim Aufprall auf die Abschrankung war das Luftkissen explodiert.
Vídeo: A queda de Lorenzo Savadori que interrompeu a corrida de estreia do MotoE - https://t.co/Ujnq65jo1F pic.twitter.com/bRDlIPBlQh
— Motorcycle Sports (@MotoSportsPT) 7. Juli 2019
Bei Töffrennen sind grosse Sturzräume notwendig. Damit die Helden nach einem Sturz nicht auf Hindernisse aufprallen. Anders als Autorennen eignen sich Motorrad-Konkurrenzen deshalb nicht für Rennen in Städten. Die E-Bikes können nicht – wie die Formel E – die Städte erobern und Volksfeste werden wie letztes Jahr in Zürich oder heuer in Bern. Sie sind an Rennstrecken gebunden. Das erschwert die Popularisierung.
Der GP-Zirkus mobilisiert in Europa und inzwischen teilweise auch in Asien an einem Wochenende mehr als 100'000 Besucherinnen und Besucher. Hunderttausend, die auch für E-Bike-Rennen an eine Rennstrecke pilgern? Nein. Die Faszination, die Seele des Rennsports, fehlt.
Kein Pilot, der gut genug für die richtige WM ist, schwingt sich auf die «Flüstertöffs». Hier fährt nur, wer keinen Platz im GP-Zirkus oder keine Zukunft mehr hat. Wie der 46-jährige einstige GP-Star Sete Gibernau. Er kam auf Platz neun. Wie der britische Bruchpilot Bradley Smith (28), der nur noch als Testfahrer gebraucht wird. Oder wie das Schweizer Talent Jesko Raffin (23). Er wäre bei weitem gut genug, um weiterhin in der Moto2-WM zu fahren. Aber er hat kein Team mehr gefunden und muss sich mit der Rolle als Ersatzfahrer und E-Bike-Pilot im Team von Tom Lüthi begnügen.
Die Startaufstellung wird in einer sogenannten «Super Pole» ausgefahren. In einer einzigen Runde, die jeder für sich allein fährt. Steht die Ampel auf Grün, darf losgefahren werden. Steht sie auf Rot, ist es zu spät und der nächste ist an der Reihe.
Jesko Raffin verpasste die Grünphase und fuhr bei Rotlicht los, wurde disqualifiziert und musste aus der letzten Reihe starten. Keine Chance mehr, nach vorne zu kommen. Es blieb ihm nur der 13. Platz. Mit einem Start aus der ersten oder zweiten Reihe hätte er um Sieg und Podest fahren können. Niki Tuuli (23), ein 2018 in der Moto2-WM gescheitertes finnisches Supertalent hat das erste elektrische Rennen gewonnen.
A place in the history books goes to @NikiTuuli! 🏆
— MotoGP™ 🇩🇪 (@MotoGP) 7. Juli 2019
The first race winner in the FIM Enel #MotoE World Cup! 👏#GermanGP 🇩🇪 pic.twitter.com/HhsWJ7T8xg
Vom kommerziellen Erfolg und der Popularität der Formel E ist die Klasse MotoE so weit entfernt wie eine 1.-August-Rakete vom Mond. Eine erfolgreiche eigenständige Serie wie die Formel E wird MotoE auf Jahre hinaus nicht. Aber es reicht, um ein Farbtupfer im Programm des GP-Zirkus zu sein.
Es war en Versuch und egal wie es rauskommt, Gratulation, dass man es wenigstens versucht.
Zudem werden nach jedem Rennen wohl Optimierungen und Neukonzeptionen angegangen, was uns in Zukunft evtl. Nützen wird.