Zum zweiten Mal hintereinander hat der Meister die Playoffs verpasst. Vor einem Jahr waren es die ZSC Lions, die im allerletzten von 50 Spielen mit einer Niederlage in Genf scheiterten. Jetzt hat es den SC Bern erwischt. Auch im 50. und letzten Spiel.
Aber die ZSC Lions haben gezeigt, wie rasch sich eine Mannschaft zu erholen vermag. Sie haben soeben die Qualifikation gewonnen. Auffallend ist die offensive Steigerung von 129 zu 166 Toren. Die hoffnungsvolle Frage also in Bern: Der SCB nächste Saison wie die ZSC Lions?
Die Antwort ist: «Nein.» Das Scheitern der beiden Titanen hat nämlich völlig unterschiedliche Ursachen. Das Scheitern der ZSC Lions war ein «Betriebsunfall» einer verhältnismässig jungen Mannschaft mit einem enormen Zukunftspotenzial. Geschuldet der Verführung durch Hockey-Götter: Die Versuchung, Kulttrainer Arno del Curto nach seinem Rücktritt in Davos verpflichten zu können, war einfach zu gross.
Wenn der Trainer den Status eines Popstars bekommt und wichtiger wird als die Mannschaft, ist sportliches Unheil programmiert. Ohne Trainerwechsel hätten die ZSC Lions die Playoffs letzte Saison locker geschafft. Logisch also, dass sie sich rasch erholt haben. Sie zelebrieren diese Saison gut strukturiertes, modernes, schnelles, dynamisches, intensives, «totales» Lauf- und Tempohockey. Sportchef Sven Leuenberger hat mit Rikard Grönborg den richtigen Trainer engagiert. Einer, der die neue Zeit und das neue Eishockey personifiziert. Sven Leuenberger hat aus dem Scheitern die richtigen Schlüsse gezogen. Die ZSC Lions sind wieder ganz oben angekommen und werden nächste Saison Titelanwärter sein.
Das Scheitern der Berner ist hingegen das unausweichliche Resultat eines durch sportliches Missmanagement verursachten Zerfalls einer überalterten Meistermannschaft. Daran vermochte auch ein Trainerwechsel nichts zu ändern. Ein konservativer Bandengeneral (Kari Jalonen) hatte die Mannschaft gnadenlos ausgepresst und gecoacht, als gäbe es kein Morgen. Mit einer der langsamsten und ältesten Mannschaften der Liga sind die Playoffs schliesslich verpasst worden.
Dieses Team wird nächste Saison zwar etwas schneller sein. Aber nach wie vor bei weitem nicht auf dem Temponiveau von Zug, Ambri, Davos, Servette, Biel oder der ZSC Lions. Bern braucht zwei bis drei Jahre, um das Fundament für ein neues Meisterteam zu bauen.
Es gibt noch einen Unterschied zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern. Die Zürcher leisten sich nicht nur die grösste Nachwuchsabteilung im Land. Sie unterhalten mit den GCK Lions ein Farmteam. Auch der SCB kümmert sich um die Ausbildung, leistet sich aber kein Farmteam. Ein Farmteam ist das «Missing Link» zwischen Junioren- und Männerhockey. So haben die ZSC Lions eine viel breitere Basis als der SCB.
Das Eishockey wird jünger, schneller, intensiver und offensiver. Die Verteilung der Belastung auf möglichst viele Beine spielt eine immer wichtigere Rolle. Eine einfache Statistik zeigt uns, warum der SCB auch gescheitert ist. Die Berner forcierten diese Saison die Besten bis die Energietanks leer waren. Topskorer Mark Arcobello ist am stärksten forciert worden. Er erzielte in den ersten 10 Spielen der Saison 6 Tore. In den letzten 17 hingegen nur noch ein einziges.
Der letzte Spieler mit 60 Minuten Eiszeit pro Partie (der also gar nie vom Eis ging) war der kanadische Verteidiger Ted Snell Ende der 1970er Jahren beim SC Langenthal in der NLB. Die Philosophie der sportlichen Führung in Bern ist den fernen Zeiten von Ted Snell näher als dem modernen Hockey.
Das Scheitern des Titelverteidigers ist letztlich erfreulich. Weil es zeigt, wie gut unser Eishockey ist. Weil es zeigt, dass die Hockeygötter jene belohnen, die den Mut zur Jugend und zum modernen Hockey und zur Offensive haben. Auch Davos (letzte Saison noch in den Playouts) und Servette sind für diesen Mut belohnt worden.
Die Erfolge der jüngeren Vergangenheit (drei Titel in vier Jahren) haben im SCB die Balance zwischen Sport und Kommerz (vorübergehend?) aus dem Gleichgewicht gebracht: Manager Marc Lüthi ist ein Mann des Geldes, nicht des Sportes. «Mighty Marc» hat erfahren müssen, dass sein SCB eben doch eine Hockeyfirma und kein Gastronomie-Unternehmen und keine Vermarktungsfirma ist. Dass wieder höhere Investitionen ins Kerngeschäft Sport notwendig sind. Weil ihm das niemand zu sagen wagt, haben es ihm nun die Hockey-Götter vor Augen geführt. Wie zu Gotthelfs Zeiten: Geist ist wichtiger als Geld. Das ist gut so.
Aber der SCB wird länger als eine Saison und eine kompetente sportliche Führung und den richtigen Trainer benötigen, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren und wieder ein stabiles Spitzenteam zu werden.
Ein Comeback nach dem Muster der ZSC Lions wird nächste Saison noch nicht möglich sein. Aber für die Playoffs müsste es eigentlich wieder reichen – vorausgesetzt, dass die richtigen Schlüsse aus dem Scheitern dieser Saison gezogen werden.
Das macht immerhin schon ein bisschen Hoffnung.
Die Zeiten werden sich in Bern allerdings erst wieder nachhaltig und dauerhaft bessern, wenn Marc Lüthi auf dem Weg ins Büro gut gelaunt und leise, damit es Sportchef Alex Chatelain nicht hört, einen Hit der Scorpions durch die Zähne pfeift:
Mit einem Coach, der auf Verschleiss fährt nützt auch ein Farmteam wenig. Auch Kossmann ist jetzt nicht der Trainer um eine Mannschaft neu aufzubauen.