Sport
Eismeister Zaugg

Kann der SCB nächste Saison die ZSC Lions kopieren? Nein.

Berns Thomas Ruefenacht, links, und Zuerichs Pius Suter, rechts, kaempfen um den Puck, beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions, in der Postfinance ...
Bild: KEYSTONE
Eismeister Zaugg

Kann der SCB nächste Saison die ZSC Lions kopieren? Nein.

Ein Titan kann sich schnell erholen. Die ZSC Lions verpassten im letzten Frühjahr als Meister die Playoffs. Nun haben sie bereits wieder die Qualifikation gewonnen. Die grosse Frage deshalb: Ein Grund zur Hoffnung für den entthronten Meister SC Bern?
02.03.2020, 04:3102.03.2020, 12:45
Folge mir
Mehr «Sport»

Zum zweiten Mal hintereinander hat der Meister die Playoffs verpasst. Vor einem Jahr waren es die ZSC Lions, die im allerletzten von 50 Spielen mit einer Niederlage in Genf scheiterten. Jetzt hat es den SC Bern erwischt. Auch im 50. und letzten Spiel.

Aber die ZSC Lions haben gezeigt, wie rasch sich eine Mannschaft zu erholen vermag. Sie haben soeben die Qualifikation gewonnen. Auffallend ist die offensive Steigerung von 129 zu 166 Toren. Die hoffnungsvolle Frage also in Bern: Der SCB nächste Saison wie die ZSC Lions?

BILDPAKET -- ZUM JAHRESRUECKBLICK 2018 NATIONAL, STELLEN WIR IHNEN HEUTE FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -- Mathias Seger haelt den Pokal nach ihrem Meisterschaftssieg im Eishockey Playoff-Final ...
Der SCB wie die ZSC Lions im 2018: Zuerst Meister, in der folgenden Saison die Playoffs verpasst.Bild: KEYSTONE

Die Antwort ist: «Nein.» Das Scheitern der beiden Titanen hat nämlich völlig unterschiedliche Ursachen. Das Scheitern der ZSC Lions war ein «Betriebsunfall» einer verhältnismässig jungen Mannschaft mit einem enormen Zukunftspotenzial. Geschuldet der Verführung durch Hockey-Götter: Die Versuchung, Kulttrainer Arno del Curto nach seinem Rücktritt in Davos verpflichten zu können, war einfach zu gross.

Wenn der Trainer den Status eines Popstars bekommt und wichtiger wird als die Mannschaft, ist sportliches Unheil programmiert. Ohne Trainerwechsel hätten die ZSC Lions die Playoffs letzte Saison locker geschafft. Logisch also, dass sie sich rasch erholt haben. Sie zelebrieren diese Saison gut strukturiertes, modernes, schnelles, dynamisches, intensives, «totales» Lauf- und Tempohockey. Sportchef Sven Leuenberger hat mit Rikard Grönborg den richtigen Trainer engagiert. Einer, der die neue Zeit und das neue Eishockey personifiziert. Sven Leuenberger hat aus dem Scheitern die richtigen Schlüsse gezogen. Die ZSC Lions sind wieder ganz oben angekommen und werden nächste Saison Titelanwärter sein.

Das Scheitern der Berner ist hingegen das unausweichliche Resultat eines durch sportliches Missmanagement verursachten Zerfalls einer überalterten Meistermannschaft. Daran vermochte auch ein Trainerwechsel nichts zu ändern. Ein konservativer Bandengeneral (Kari Jalonen) hatte die Mannschaft gnadenlos ausgepresst und gecoacht, als gäbe es kein Morgen. Mit einer der langsamsten und ältesten Mannschaften der Liga sind die Playoffs schliesslich verpasst worden.

Dieses Team wird nächste Saison zwar etwas schneller sein. Aber nach wie vor bei weitem nicht auf dem Temponiveau von Zug, Ambri, Davos, Servette, Biel oder der ZSC Lions. Bern braucht zwei bis drei Jahre, um das Fundament für ein neues Meisterteam zu bauen.

Es gibt noch einen Unterschied zwischen den ZSC Lions und dem SC Bern. Die Zürcher leisten sich nicht nur die grösste Nachwuchsabteilung im Land. Sie unterhalten mit den GCK Lions ein Farmteam. Auch der SCB kümmert sich um die Ausbildung, leistet sich aber kein Farmteam. Ein Farmteam ist das «Missing Link» zwischen Junioren- und Männerhockey. So haben die ZSC Lions eine viel breitere Basis als der SCB.

Le top scorer bernois Mark Arcobello montre sa deception sur le banc lors du match du championnat suisse de hockey sur glace de National League entre le Lausanne HC et le SC Bern ce samedi 29 fevrier  ...
Berns Beste wurden diese Saison forciert, bis die Energietanks leer waren.Bild: KEYSTONE

Das Eishockey wird jünger, schneller, intensiver und offensiver. Die Verteilung der Belastung auf möglichst viele Beine spielt eine immer wichtigere Rolle. Eine einfache Statistik zeigt uns, warum der SCB auch gescheitert ist. Die Berner forcierten diese Saison die Besten bis die Energietanks leer waren. Topskorer Mark Arcobello ist am stärksten forciert worden. Er erzielte in den ersten 10 Spielen der Saison 6 Tore. In den letzten 17 hingegen nur noch ein einziges.

Anzahl Spieler, mit mehr als 20 Minuten Eiszeit pro Spiel:

  • SC Bern: 7
  • Lugano, Langnau, Gottéron und Servette: je 3
  • ZSC, Ambri und Lausanne: je 2
  • Biel, Zug, Davos und Lakers: je 1

Der letzte Spieler mit 60 Minuten Eiszeit pro Partie (der also gar nie vom Eis ging) war der kanadische Verteidiger Ted Snell Ende der 1970er Jahren beim SC Langenthal in der NLB. Die Philosophie der sportlichen Führung in Bern ist den fernen Zeiten von Ted Snell näher als dem modernen Hockey.

Das Scheitern des Titelverteidigers ist letztlich erfreulich. Weil es zeigt, wie gut unser Eishockey ist. Weil es zeigt, dass die Hockeygötter jene belohnen, die den Mut zur Jugend und zum modernen Hockey und zur Offensive haben. Auch Davos (letzte Saison noch in den Playouts) und Servette sind für diesen Mut belohnt worden.

Die Erfolge der jüngeren Vergangenheit (drei Titel in vier Jahren) haben im SCB die Balance zwischen Sport und Kommerz (vorübergehend?) aus dem Gleichgewicht gebracht: Manager Marc Lüthi ist ein Mann des Geldes, nicht des Sportes. «Mighty Marc» hat erfahren müssen, dass sein SCB eben doch eine Hockeyfirma und kein Gastronomie-Unternehmen und keine Vermarktungsfirma ist. Dass wieder höhere Investitionen ins Kerngeschäft Sport notwendig sind. Weil ihm das niemand zu sagen wagt, haben es ihm nun die Hockey-Götter vor Augen geführt. Wie zu Gotthelfs Zeiten: Geist ist wichtiger als Geld. Das ist gut so.

Aber der SCB wird länger als eine Saison und eine kompetente sportliche Führung und den richtigen Trainer benötigen, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren und wieder ein stabiles Spitzenteam zu werden.

Ein Comeback nach dem Muster der ZSC Lions wird nächste Saison noch nicht möglich sein. Aber für die Playoffs müsste es eigentlich wieder reichen – vorausgesetzt, dass die richtigen Schlüsse aus dem Scheitern dieser Saison gezogen werden.

Das macht immerhin schon ein bisschen Hoffnung.

Die Zeiten werden sich in Bern allerdings erst wieder nachhaltig und dauerhaft bessern, wenn Marc Lüthi auf dem Weg ins Büro gut gelaunt und leise, damit es Sportchef Alex Chatelain nicht hört, einen Hit der Scorpions durch die Zähne pfeift:

«The future’s in the air
I can feel it everywhere
Blowing with the wind of change.»
watson Eishockey auf Instagram
Selfies an den schönsten Stränden von Lombok bis Honolulu, Fotos von Quinoa-Avocado-Salaten und vegane Randen-Lauch-Smoothies – das alles findest du bei uns garantiert nicht. Dafür haben wir die besten Videos, spannendsten News und witzigsten Sprüche rund ums Eishockey.

Folge uns hier auf Instagram.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
1 / 148
NLA-Trikotnummern, die nicht mehr vergeben werden
HC Davos: 5 - Marc Gianola.
quelle: keystone / fabrice coffrini
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wenn Hockeyspieler im Büro arbeiten würden
Das könnte dich auch noch interessieren:
32 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Sloping
02.03.2020 05:22registriert Oktober 2014
Ich sehe beim SCB Parallelen zur Situation von Lugano nach der schmächlichen 0:4 Viertelfinalniederlage in den letzten Playoffs. Damals wurde der Vergolder, was der Hinterletzte seit Jahren gemerkt hat, auch aufgrund des immensen Drucks der Fans, endlich zum Teufel gejagt. Das Problem für den neuen Sportchef Domenichelli war das Gleiche wie es für einen möglichen Nachfolger von Chatelain sein wird: Die Mannschaft für die nächste Saison hat der alte Sportchef quasi schon fixfertig aufgestellt und die besten Schweizer Spieler sind längst vom ausgetrockneten Markt.
1125
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lindros88
02.03.2020 07:05registriert Februar 2014
Eigentlich spielt es für den neutralen Eishockeyfan (sofern es solche überhaupt gibt) keine Rolle ob der SCBern, die ZSC Lions der HC Lugano, HC Davos oder auch der EV Zug. Ein grosser Verein, der während der Qualifikation in Problemen steckt und im besten Fall sogar an den Playoffs scheitert ist immer ein grosser Spass!!
10325
Melden
Zum Kommentar
avatar
maylander
02.03.2020 07:09registriert September 2018
Die ZSC Lions hatten unter Leuenberger einige Coaches durchgetestet und einfach Glück gehabt. Das mit AdC ging in die Hose aber sonst konnten sie es immer ins positive drehen. Leuenberger hat mit zwei Klubs als Meister die Play Offs verpasst und ist immer noch als Sportchef tätig.
Mit einem Coach, der auf Verschleiss fährt nützt auch ein Farmteam wenig. Auch Kossmann ist jetzt nicht der Trainer um eine Mannschaft neu aufzubauen.
6515
Melden
Zum Kommentar
32
Meier trifft in letztem Saisonspiel – McDavid knackt 100-Assist-Marke

Nico Hischier, 1 Assist, 2 Schüsse, 21:33 TOI
Timo Meier, 1 Tor, 2 Schüsse, 21:46 TOI
Jonas Siegenthaler, 1 Schuss, 17:47 TOI​

Zur Story