Zum Jahreswechsel stellen wir uns oft die Gretchenfrage: Was bringt uns das neue Jahr, was stellt es mit uns an? Vor allem in Zeiten, in denen die Coronaviren unseren Lebensrhythmus bestimmen und eine düstere Zukunft versprechen.
Horoskop-Gläubige finden die Antworten bei den Sternen. Sie haben die Astrologen an ihrer Seite, die ihr Schicksal in den nächsten zwölf Monaten am Himmel ablesen und ihnen verraten, wann sie einen Job finden, einen Partner, oder wann Gefahren oder Krankheiten drohen.
Doch wie zuverlässig sind die Himmelskörper in ihrer Funktion als Propheten, Hellseher und Wahrsager? Unbestritten ist wohl, dass die Sterne weder eine Stimme noch andere Übermittlungstechniken besitzen, um uns ihre Botschaften zu übermitteln.
Und wir finden wohl einen Konsens in der Annahme, dass sie keine Gabe der Prophetie besitzen, bestehen sie doch aus ziemlich lebloser Materie.
Noch entscheidender: Was um Himmels willen kümmert es die Himmelskörper, die weit im All platziert sind, wie wir Menschen auf dem Miniplaneten Erde herumwuseln? Was kümmert sie unsere Ängste, Sorgen und Sehnsüchte? Sie haben ja nicht einmal eine Ahnung, dass es uns gibt.
Man kann natürlich einwenden, dass die Sterne sehr wohl einen Einfluss auf die Erde haben. Immerhin gebe es Gravitationsfelder und andere physikalische Kräfte, die von ihnen ausgehen würden. Doch dann hätten die nächstgelegenen Gestirne einen weit grösseren Einfluss als die entfernten. Bei der Astrologie haben aber alle beteiligten Himmelskörper den gleichen Status.
Selbst bei den physikalischen Aspekten stellt sich die Frage, welchen Einfluss Wellen und Anziehungskräfte auf unseren Charakter, unser Schicksal und unsere Zukunft haben sollen. Unsere Froschperspektive aufs All wird endgültig entlarvt, wenn wir bedenken, dass wir die Sternbilder nur in der zweiten Dimension wahrnehmen.
In Wirklichkeit liegen die Gestirne in der Tiefe oft sehr weit auseinander und haben nichts miteinander zu tun. Es braucht tatsächlich ein magisches Weltbild und den unerschütterlichen Glauben an Wunder, um an Astrologie und Horoskope zu glauben.
Selbst wenn die Himmelskörper einen astronomischen oder astrologischen Einfluss auf uns Menschen hätten, so wäre er vernachlässigbar. Gene und Umwelteinflüsse bestimmen uns viel stärker: die Veranlagungen, der Charakter, die Eltern, die Erziehung, die Bildung, die Lebenserfahrungen, der Chef, die Freunde, die Lebenspartner usw.
Das Mobbing eines Chefs, das zu einem Burnout oder zur Depression führt, hat sicher nichts mit den Sternen zu tun, um nur ein Beispiel zu nennen.
Es kommt noch besser: Die Chinesen haben die Astrologie vor rund 3000 Jahren «berechnet». Doch damals gab es noch keine genauen Messgeräte und Berechnungsmethoden. Die Astronomen konnten die Sterne nicht präzis positionieren, weshalb die Interpretationen der Astrologen falsch sind.
Ausserdem haben sich die Himmelskörper in den vergangenen 3000 Jahren teilweise massiv verschoben und die Erdachse torkelt bedenklich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Widder heute ein Fisch oder ein Stier ist, ist gross. Was bedeutet, dass alle Horoskope erst recht Hokuspokus sind. Das wissen natürlich auch viele Astrologen, doch sie halten standhaft an den alten Konzepten fest.
Verständlich, denn eine Anpassung würde bedeuten, dass der Glaube an die Astrologie leiden könnte und die bisherigen Prognosen auch aus der Sicht der Astrologie samt und sonders als Fake News entlarvt würden. Das könnte ihr Businessmodell ins Wanken bringen und ihre Existenz gefährden, denn die Astrologie ist weltweit ein lukrativer wirtschaftlicher Zweig.
In Deutschland beispielsweise machen 20'000 Astrologen einen Umsatz von rund 800 Millionen Franken. Auf die Schweiz hinuntergebrochen würde dies bedeuten, dass rund 2000 Sterndeuter gegen 100 Millionen generieren.
Der deutsche Soziologe Edgar Wunder hat ausserdem herausgefunden, dass in den letzten Jahren «96 Prozent aller Prophezeiungen falsch waren». Und die restlichen 4 Prozent? Zufallstreffer.
Astrologie verrät ein egozentrisches Weltbild. Die Anhänger glauben, die Sterne glänzten zu unseren Ehren am Himmel. Oder stünden zumindest zu unseren Diensten und nähmen Einfluss auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden, unsere Liebe, unsere Berufskarriere und unser Einkommen.
Eine Anmassung. Da verwundert es nicht, dass Astrologen, die Horoskope erstellen, überdurchschnittlich narzisstisch veranlagt oder selbstverliebt sind. Dies jedenfalls fanden Wissenschafter rund um die Professorin Ida Andersson von der schwedischen Universität Lund in einer Studie heraus, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich berichtete. Das ist nicht überraschend bei Leuten, die glauben, das Zentrum des Universums zu sein. Und die von den Kunden als Vermittler prophetischer Botschaften verehrt werden.
Oder haben da vielleicht die Sterne ihre Hände im Spiel?