44'842 Neuinfektionen meldet das BAG, eine Rekordzahl seit Beginn der Pandemie. Da stellt sich die Frage, ob das Gesundheitswesen irgendwann doch noch überlastet sein wird. Bis jetzt sind die Spitalzahlen stabil geblieben und die Belegungszahlen auf den Intensivstationen sind gegenüber letzter Woche um 12 Prozent zurückgegangen.
Aber wird die Entkoppelung von Fallzahlen und Spitalzahlen bestehen bleiben? Dazu haben Forschende der Empa-Abteilung «Multiscale Studies in Building Physics» mit Wissenschaftern der Philipps-Universität Marburg und des Kantons Graubünden mögliche Szenarien für die Schweiz und Deutschland berechnet. Und diese Szenarien zeigen, dass es für den Zeitraum vom 17. Januar bis Ende März nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems wegen Omikron kommen wird.
In die Berechnungen eingeflossen sind die aktuellen Daten zu Alter, Impfstatus, Booster-Status und Reproduktionszahl. Und die Resultate deuten darauf hin, dass die Omikron-Variante keine Rekordzahlen bei den Aufnahmen in Intensivstationen verursachen dürfte. Weder in Deutschland noch in der Schweiz und das selbst unter ungünstigen Bedingungen. Resultate übrigens, die nach der fachlichen Begutachtung auch in einer Fachzeitschrift publiziert werden sollen,
Die Forscher um Hossein Gorji von der Empa und Harald Renz, Institutsleiter in Marburg, berechneten drei Szenarien mit unterschiedlichen Reproduktionszahlen. Sie rechneten mit 1,3, was ungefähr der aktuellen Situation entspricht; ausserdem mit 1.5 und 1.8 Personen, die eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. In der Schweiz ging man aufgrund der mRNA-Impfstoffe mit einer etwas längeren Impfwirkung als in Deutschland aus, wo auch Astrazeneca verimpft worden ist.
Die Forschenden betonen, dass auch bei ihren Berechnungen Unsicherheiten bestünden. Zum Beispiel, weil die exakte Gefahr durch die Omikron-Variante, darunter auch langfristige Folgen bei schweren Fällen, sowie die Wirksamkeit von Impfstoffen und das Abklingen des Schutzes noch nicht genau erforscht sind. Deshalb handle es sich hier nicht um eine Prognose, sondern um plausible Szenarien. Die Berechnungen seien aber robust und die Szenarien zutreffend. Zudem stünden sie im Einklang mit der Entkopplung von Fallzahlen und Hospitalisierungen in Grossbritannien und Südafrika.
Gemäss den Wissenschaftern sollte die Belegung der Intensivstationen in der Schweiz und Deutschland durch Omikron-Patienten kaum kritische Werte erreichen, solange die effektive Reproduktionszahl unter 2 bleibt. Mit diesem R-Wert wird die Infektiosität des Virus erfasst. Dazu sagt Harald Renz:
Im Moment liegt dieser R-Wert in der Schweiz bei 1.2.
Wolle man die momentane Entkopplung zwischen Fallzahlen und Hospitalisationen aufrechterhalten, sei es notwendig, die Immunität in der Bevölkerung weiter zu verbessern. «All unsere Szenarien gehen implizit davon aus, dass in den nächsten Wochen weiterhin die geltenden Massnahmen zählen oder neue ergriffen werden, um die Verbreitung des Virus einzudämmen», betont Empa-Abteilungsleiter Ivan Lunati.
Und weil der Impfschutz mit der Zeit nachlasse, gelten die Prognosen nur zum jetzigen Zeitpunkt – mit den aktuellen Impfstoff-Verwendungen und den seit den Impfungen verstrichenen Zeiträumen in beiden Ländern.
Renz rechnet auf den Normalstationen in den Spitälern mit leichter Verzögerung mit einem deutlichen Anstieg an Covid-Patienten. Dann, wenn der R-Wert über 1.5 steigt. Dass er nicht mit einem Anstieg auf den Intensivstationen rechnet, sei den dreifachen Impfungen geschuldet, die relativ gut vor schweren Verläufen mit Omikron schützen. Hinzu komme die hohe Infektiosität des Virus, verbunden mit einer deutlich geringeren Krankheitsschwere. So schnell wie die Welle ihren Gipfel erreiche, werde sie wieder abschwellen.
Dabei gebe es auch Ausreisser. «Damit ist gemeint, dass es regionale Unterschiede im Rahmen der Omikron-Welle durchaus geben kann mit stärkerem und weniger starkem Ausbruchsgeschehen und damit auch unterschiedlicher Belastung des Gesundheitswesens. Aber insgesamt gehen wir davon aus, dass wir eher keine Überlastung mit Covid-Patienten in den Krankenhäusern sehen werden», sagt Renz.
Ihre Modelle sollen auch einen Beitrag zur zukünftigen Handhabung der Pandemie beitragen. Ivan Lunati schliesst aus den Analysen der gesamten Bevölkerung in beiden Ländern, dass sich Massnahmen stärker auch an individuellen Merkmalen orientieren sollten, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden: «Ich denke, es ist an der Zeit, Strategien eigens für unterschiedliche Risikogruppen umzusetzen.»
Die künftige Entwicklung ist nach Renz von der Stärke der Omikron-Delta-Kreuzimmunität bestimmt. «Die zentrale Frage aus immunologischer Sicht ist, ob die leichte Omikron-Infektion zu einer starken Immunität führt», sagt Renz. Dazu gebe es noch nicht hinreichend Daten. In den nächsten Wochen sollten dazu erste gute Publikationen erscheinen.
«Es wird sicherlich auch nach Omikron immer wieder weitere Varianten geben, die das Infektionsgeschehen dominieren können und von denen wir heute nicht wissen, ob sie gegebenenfalls gefährlicher oder weniger gefährlich sind, als Delta und Omikron», sagt der Professor der Philipps Universität Marburg.
Dabei müsse die Immunitätslage im Auge behalten werden. «Jüngere Daten zum Effekt der Booster-Impfung zeigen, dass der Schutz gegenüber Omikron nur etwa vier Monate anhält. Das heisst also nach gegenwärtigem Stand des Wissens muss auch an eine Auffrischung der Booster-Impfung gedacht werden.»
Gerade die optimistischen Szenarien dieser Wissenschafter könnten aber die Corona-Disziplin der Bevölkerung beeinflussen. «Natürlich sind wir alle Corona-müde, die Batterien sind weitestgehend leer», sagt Harald Renz. Die Bewältigung der Pandemie beruhe aber weiter auf drei Säulen: Das Impfen, das Testen und drittens die allgemeinen Hygiene- und Abstandsmassnahmen. «Wir werden nicht umhinkommen, uns auch in der Zukunft mit diesen drei Säulen zu befassen. Bei geschickter Kombination der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sollte es möglich sein, einen Weg zu finden in ein normales Alltagsleben wieder zurückzukehren, ohne allzu viele Einschränkungen».
Vielleicht sollten wir anfangen, die Probleme zu beheben? Also Berufe im Medizinischen Bereich attraktiver zu machen, Herstellung von Gütern vereinfachen etc. Was wurde da bisher getan in zwei Jahren? Nüt...