Sport
Super League

Wie weiter, FCZ? Auf Sportchef Jurendic wartet eine Herkules-Aufgabe

Die FCZ-Meistermannschaft wird kaum in dieser Konstellation zusammenbleiben.
Die FCZ-Meistermannschaft wird kaum in dieser Konstellation zusammenbleiben.bild: imago-images.de

Wie weiter, FCZ? Auf Sportchef Jurendic wartet eine Herkules-Aufgabe

Wie geht es beim FC Zürich nach dem Titel weiter? Bleibt der Trainer? Wie reagiert der Sportchef, wenn Schlüsselspieler den Verein verlassen? Eine Begegnung mit Marinko Jurendic am Tag nach der Meisterfeier.
03.05.2022, 08:45
Etienne Wuillemin / ch media
Mehr «Sport»

Es ist der Nachmittag nach der grossen FCZ-Meisterparty. Die Sonne lacht vom Himmel, als Marinko Jurendic bei bester Laune in einem Café in Zürich Platz nimmt. Um 3 Uhr morgens ist er ins Bett gekommen. Nach einigen wenigen Stunden Schlaf machte er sich daran, die ersten Meister-Gratulationen zu beantworten. Es wird noch eine Weile dauern, über 200 Nachrichten haben sich angesammelt.

Die Augen des Sportchefs leuchten, als er den Sonntag noch einmal Revue passieren lässt. Die Fahrt vom FCZ-Trainingszentrum ins Tageshotel nach Pratteln. In den St.Jakob-Park. Das Spiel. Die Rückfahrt. Die Party auf dem Helvetiaplatz. Auch sein 9-jähriger Sohn Roko war mit auf dem Balkon.

Von Müdigkeit jedenfalls keine Spur bei Jurendic. Oder doch? Mitten im Gespräch schreckt er plötzlich auf, als er merkt, wie eine Polizistin auf den parkierten Wagen zugeht. «Ich muss rasch raus, ich glaube, ich habe die Parkzeit aus Versehen auf das Auto meiner Frau gebucht.» Die Busse bleibt aus, Glück gehabt.

Die Arbeit von Jurendic hat erst möglich gemacht, dass der FCZ die erste Meisterfeier seit 2009 erleben durfte. Dass es dazu kommt, zeichnete sich in den letzten Wochen ab. «Sie zu erleben, hat trotzdem einiges ausgelöst», sagt Jurendic. Verständlich, ist es doch sein erster Titel. «Ich war beeindruckt von all diesen Impressionen. Beim Anblick auf die Menschenmenge habe ich eine grosse Genugtuung verspürt für den Aufwand, den alle Beteiligten in den letzten Monaten geleistet haben.»

Immer wieder zückt Jurendic während des Gesprächs sein Handy, um Bilder und Videos zu zeigen. Besonders beeindruckt hat ihn auch, wie 600 FCZ-Fans am Samstag bereits ein stimmungsvolles Abschlusstraining veranstalteten.

Aus dem Nichts hat Marinko Jurendic eine Meistermannschaft geformt.
Aus dem Nichts hat Marinko Jurendic eine Meistermannschaft geformt.bild: imago-images.de

Es ist schon eine erstaunliche Geschichte, wie aus einer Mannschaft, die zuletzt die Ränge 8, 7 und 7 belegte, ein Schweizer Meister werden konnte. Jurendic hat einen grossen Anteil daran. Aber wie war das möglich? Gerade mit Blick darauf, dass der FCZ 2021 etwas mehr als 20 Millionen Franken einnahm, also deutlich weniger als die Konkurrenz aus Bern (gut 75 Millionen) und Basel (gut 50 Millionen).

Klar ist: Wenn nur eine überschaubare Summe an Geld zur Verfügung steht, muss jeder Transfer sitzen, sonst ist eine derartige Überraschung unmöglich. Genau das war beim FCZ der Fall. Die Aussenläufer Guerrero/Boranijasevic spielten einen wichtigen Part, genauso wie Doumbia, ­Aliti oder Dzemaili – die ersten Transfers von Jurendic, nachdem er im Sommer 2020 Sportchef geworden war.

Die Spieler des FC Zuerichs feiern auf dem Balkon des Volkshauses waehrend einer spontanen Meisterfeier des FC Zuerichs auf dem Helvetiaplatz mit ihren Fans, nach ihrem Spiel gegen den FC Basel, am So ...
Ob Top-Torjäger Assan Ceesay beim FCZ bleibt, ist noch ungewiss.Bild: keystone

Doch natürlich erwähnt ­Jurendic die Wahl des Trainers zuallererst. «Wahrscheinlich ist ‹Glücksgriff› die falsche Bezeichnung», sagt er, «sagen wir darum: die Chemie hat sofort gepasst und André war zu diesem Zeitpunkt ein beachtlicher Transfer.» Dass es Jurendic gelang, Breitenreiter den FCZ schmackhaft zu machen, hat sich ohne Zweifel als Glücksfall erwiesen.

Wenn Jurendic über Breitenreiter spricht, dann tönt das so: «Er leistet ganz grosse Arbeit. André besitzt die Fähigkeit, um einen grossen Bundesliga-Verein zu trainieren.» Jurendic meint damit nicht, dass sein Trainer gleich in den nächsten Tagen nach Deutschland wechselt, sondern «inhaltlich gesehen», also die Art und Weise, wie er der Mannschaft die Spielidee und seinen Plan vermittelt, wie er die Spieler einzeln besser macht, wie er sie klar führt und menschlich mit ihnen umgeht.

Wann folgt das Bekenntnis von Breitenreiter zum FCZ?

Doch die Frage nach dem grossen Triumph lautet eben auch: Sieht Breitenreiter in Zürich die Möglichkeit, weitere Schritte nach vorne zu machen? Ist der Verein gewillt, die Mannschaft in der Breite zu verstärken – so, dass sie auch europäisch eine gute Falle machen könnte?

Breitenreiter ist ehrlich genug, um auf ewige Treueschwüre zu verzichten. Nicht aus fehlender Loyalität, sondern ganz einfach, weil das Business so funktioniert. Jurendic sieht die Trainer-Frage gleichwohl entspannt.

«Ich weiss auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig ein passendes Umfeld für einen Trainer ist. Und ich glaube schon, dass André dieses intakte und professionelle Umfeld beim FCZ vorfindet. Zudem bin ich überzeugt davon, dass die Arbeit hier in Zürich nicht abgeschlossen ist mit diesem Titel.»
Der neue FCZ Cheftrainer Andre Breitenreiter, Mitte, spricht waehrend der Pressenkonferenz neben FCZ-Praesident Ancillo Canepa und Sportchef Marinko Jurendic, aufgenommen am Mittwoch, 9. Juni 2021 im  ...
Mit André Breitenreiter hat Jurendic voll ins Schwarze getroffen.Bild: keystone

Im Gegensatz zu Breitenreiter laufen die Verträge der beiden Schlüsselspieler Ceesay und Doumbia aus. Zu dieser Situation sagt Jurendic: «Es gibt noch keine finalen Entscheidungen. Wenn es tatsächlich so wäre, dass sie uns Ende Saison verlassen, wird es keine ‹Bad Feelings› geben. Im Gegenteil: beide Spieler haben einen grossen Anteil am Erfolg. Wir respektieren es, wenn sich ein Spieler dafür entscheidet, einen Vertrag zu unterschreiben, den er vielleicht nur einmal im Leben vorgesetzt erhält.»

Der 44-jährige Sportchef tut das in der Überzeugung, dass beim FCZ auch neue Chancen entstehen – und ein fruchtbares Umfeld entstanden ist, das nicht von einzelnen Namen abhängig ist. Es wäre eine Leistung, die sogar noch höher einzuschätzen ist als der Meistertitel 2022.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So feiern der FC Zürich und seine Fans den Meistertitel
1 / 15
So feiern der FC Zürich und seine Fans den Meistertitel
Am Sonntag, 1. Mai 2022, ist es fix: Der FC Zürich ist erstmals seit seit 2009 wieder Schweizer Meister. Dementsprechend gross sind die Emotionen nach dem Schlusspfiff.
quelle: keystone / patrick straub
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Keine Fussball-Fans im Büro, bitte!
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
FCZBVB180
03.05.2022 09:15registriert März 2016
Ich habe bis auf zwei Spiele (ausgerechnet zwei Derbys) jedes Spiel gesehen diese Saison. Für mich ist ganz klar, der Schlüsselspieler zum Erfolg von dieser Saison ist Doumbia. Glücklicherweise war er nie verletzt, ihn annähernd gleichwertig zu ersetzen wäre in diesem Kader nicht möglich gewesen. Hoffe er wird verlängern, ansonsten muss auf dieser Position drigend was kommen. Habe gelesen, er hätte Angebote von Vereinen aus (sportlich) weniger atraktiven Ligen, bei denen jedoch das Geld stimmt. Könnte ich ihm nicht übel nehmen, mit bald 30 und seinem Werdegang.
260
Melden
Zum Kommentar
2
Hirscher über sein Comeback: «Ich will nicht, dass man für mich Ausnahmeregeln macht»
Heute Morgen ging die Nachricht eines spektakulären Comebacks durch die Sportwelt. Marcel Hirscher, 67-facher Weltcupsieger, kehrt in den Ski-Weltcup zurück, wobei er künftig für den niederländischen Verband antreten wird. Nun meldete sich der Österreicher zu Wort.

Fünf Jahre sind vergangen, seit Marcel Hirscher 2019 seine Skischuhe an den Nagel gehängt hatte. Am Mittwochmorgen wurde bekannt, dass der Österreicher ein Comeback auf die nächste Saison hin plant. Nun äusserte sich der achtfache Gesamtweltcup-Sieger über seine Rückkehr in den Skizirkus.

Zur Story