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«Hatte nie niederträchtige Absichten»: Relotius spricht über Betrug

«Die allerwenigsten» Texte waren echt – Relotius spricht erstmals über seinen Betrug

01.06.2021, 11:4401.06.2021, 15:01
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epa07241842 German journalist Claas Relotius holds his award trophy of the Reemtsma Liberty Award, a German journalist award, in Berlin, Germany, 22 March 2017 (issued 20 December 2018). German weekly ...
Claas RelotiusBild: EPA EVENTPRESS

Der frühere «Spiegel»-Reporter Claas Relotius hat zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Betrugsskandals bei dem deutschen Nachrichtenmagazin erstmals ausführlich in einem Interview über seine gefälschten Texte gesprochen.

Der Zeitschrift «Reportagen» sagte er auf die Frage, wie viele seiner insgesamt 120 verfassten Texte in seiner Journalistenzeit korrekt waren: «Nach allem, was ich heute über mich weiss, wahrscheinlich die allerwenigsten.» Er habe «in der unverrückbaren Überzeugung geschrieben, es würde bei der Erzählform Reportage keinen Unterschied machen, ob alles 1:1 der Realität entspricht oder nicht».

«Reportagen» veröffentlichte am Dienstag auf seiner Webseite das ungewöhnlich lange Interview mit mehr als 90 Fragen an den früheren «Spiegel»-Reporter, der Ende 2018 die Medienbranche schwer erschüttert hatte. Relotius hatte für den «Spiegel» Reportagen geschrieben, die fehlerhaft waren und die zum Teil erfundene Szenen, Gespräche und Ereignisse enthielten. Er war als Journalist mit Preisen überhäuft worden und genoss hohes Ansehen.

epa07240335 An illustrative picture shows the article 'Jaegers Grenze' (Hunters' Border) by Juan Moreno and Claas Relotius in the German magazine 'Der Spiegel' (issue No. 47 f ...
Bild: EPA/EPA

Der «Spiegel» machte den Betrugsfall selbst öffentlich und arbeitete diesen akribisch auf. Relotius, der damals für das Gesellschaftsressort tätig war, hatte die Fehler laut «Spiegel» eingeräumt. Seine Karriere bei dem Nachrichtenmagazin war vorbei. Es folgten weitere personelle Konsequenzen im Haus, das Magazin überarbeitete zudem seine redaktionellen Standards.

Viele andere deutsche Redaktionen steuerten bei ihren Quellenchecks nach. Für das Magazin in der Schweiz, das das Interview nun veröffentlichte, hatte Relotius in seiner Journalistenzeit ebenfalls mehrere Texte geschrieben.

Relotius drückte an einer anderen Stelle sein Bedauern aus: «Ich habe offensichtlich sehr viel Verantwortungsgefühl ausgeschaltet, am meisten gegenüber Kollegen, aber auch gegenüber realen Menschen, über die ich geschrieben habe. Ich hatte beim Schreiben nie niederträchtige Absichten, und ich wollte auch niemanden verletzen, indem ich etwas Falsches schreibe. Dass ich das getan habe, bereue ich am meisten.» (aeg/sda/dpa)

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36 Kommentare
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Roli_G
01.06.2021 12:51registriert Januar 2021
«Nach allem, was ich heute über mich weiss, wahrscheinlich die allerwenigsten.»

Was für eine schräge Formulierung! Wie wenn er das nicht genau weiss...
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Maya Eldorado
01.06.2021 13:22registriert Januar 2014
Er wäre besser Romanschriftsteller geworden.
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Dong
01.06.2021 13:36registriert Oktober 2016
Mir deucht er hat wohl noch heute nicht das einfachste Verhältnis zur Wahrheit ...
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