Zwei Monate lang wehrte sich Roger Federer gegen den Verdacht, er spiele in diesem Jahr nur deshalb wieder auf Sand, weil er es als bessere Vorbereitung auf Wimbledon erachte, Turniere zu bestreiten, statt in der Schweiz auf Hartplätzen und Rasen zu trainieren.
Es gehe ihm auch nicht nur um Roland Garros – sondern auch um Madrid und Rom, wo er jeweils die Viertelfinals erreicht hatte. Wer sah, wie Federer in der Ewigen Stadt kämpfte, an einem Tag zwei Spiele bestritt und dabei sein Herz auf dem Platz liess, der verstand, wie ernst er es damit gemeint hatte.
Unvergessen das Bild, wie er dort nach dem Spiel in einem Golfwagen vom Platz zurück in die Kabine gefahren wurde. Hätte man es nicht besser gewusst, man hätte meinen können, es sei der Papst, dem da gehuldigt würde. Federer sagte dazu: «Diese Emotionen und diese Energie erinnern mich wieder einmal daran, weshalb ich noch immer Tennis spiele.»
So gesehen gibt es wenig Gründe, die dagegen sprechen, auch im nächsten Jahr wieder auf Sand zu spielen. Schon vor dem Turnier sagte er, mit seinem Team bereits darüber gesprochen zu haben. Nun, nach seinem Ausscheiden, liess er offen, ob er auch 2020 wieder auf Sand spiele.
Es sei auch denkbar, nur in Paris zu spielen. Oder gar nicht. Irgendwo, darüber besteht Konsens, muss Federer, der im August seinen 38. Geburtstag feiert, Abstriche machen. Denn im kommenden Jahr könnte er in Tokio als erster Tennisspieler zum fünften Mal an Olympischen Spielen teilnehmen. Gold im Einzel bildet eine der wenigen Lücken in seinem Palmarès.
Erstmals spielte Federer 1996 in Sydney bei Olympischen Spielen. Dort verliebte er sich auch in seine heutige Frau Mirka. Während des Paris-Halbfinals sass sie zwar in seiner Box, doch davor weilte sie zwei Wochen in der Schweiz. Erstmals überhaupt hatten sie und die vier Kinder Federer nicht zu einem Grand-Slam-Turnier begleitet. Die Mädchen Charlene und Myla werden im Sommer zehn Jahre alt, die Buben Leo und Lenny sind fünfjährig. Es ist den Eltern ein Anliegen, ihnen nun mehr Stabilität zu bieten.
Federer betont bei jeder Gelegenheit, dass er seine Karriere längst beendet hätte, wenn er die Kinder nicht so oft um sich haben könnte. Er entscheide nicht nur als Spieler, sondern auch als Vater und Ehemann. Insofern ist denkbar, dass er im kommenden Jahr die Sandsaison auslässt, um wieder mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können.
Vielleicht war es deshalb auch kein Au revoir, sondern ein Adieu, als er am Freitag um 15.30 Uhr, gekleidet in eine cremefarbene Jacke unter stehenden Ovationen und zu «Roger, Roger»-Rufen winkend vom Court Philippe Chatrier lief. Auch Bezwinger Rafael Nadal applaudierte.
Sein Name verrät auch, dass Federer mit der Rückkehr auf Sand, die richtige Entscheidung getroffen hat. 2018 hatte er vor Wimbledon in sechs Monaten nur drei Matchs gegen Spieler aus den Top Ten bestritten. Nun sind es immerhin schon sechs.
Damals fehlten ihm die Referenzwerte aus Duellen mit den Weltbesten, als er zur Titelverteidigung antrat. «Zu spielen und zu gewinnen, das sind zwei Paar Schuhe. Es braucht die richtige Balance zwischen Training, Matches und Ferien», sagte er später. Im letzten Jahr hatte er diese nicht erreicht. Er scheiterte in Wimbledon in den Viertelfinals.
«Es war das erste Mal, dass er Gegenwehr hatte. Roger spielte abwartend, als es zählte», sagte Tennisexperte Heinz Günthardt. «Weil er nicht das gleiche Selbstvertrauen hatte.» In diesem Jahr bildet der Sand einen idealen Nährboden für die Rasensaison. Das war zwar nicht Federers Hauptmotiv für die Rückkehr, aber sicher eine willkommene Nebenwirkung. (tam/AZ)