Da ist sie. Die fatalste aller Femmes. Die Lady mit den Schlangenaugen. Ava. Oder Eva. Eva Green. Und weil in «Sin City: A Dame to Kill for» alles nach den Gesetzmässigkeiten der grössten Gefühle geht – Liebe, Betrug, Rache, Tod – meint man, diese Ava sei die Auferstehung einer andern Eva. Jener Eva Green nämlich, die im Finale der Bond-Folge «Casino Royale» (2006) mitsamt einem venezianischen Palazzo in der Lagune versank. Schon James Bond wurde damals durch ihren Verlust existentiell durchgeschüttelt und geisterte den ganzen nächsten Film, «Quantum of Solace» (2008), als rasend böser Schatten seiner selbst durch die Welt.
Jetzt heisst Eva-Avas Mann Dwight McCarthy (Josh Brolin), ein Privatdetektiv und Fotograf, der von Ava für einen Superreichen verlassen wurde. Doch dann kehrt sie zu Dwight zurück. Und manipuliert ihn. Weil sie selbst zwar superreich sein will, doch ohne den dazugehörigen Gatten. Eine einfache Geschichte. Aber erzählt in den spektakulärsten Bildern des ganzen Films.
Denn Eva Green, die selten bekleidet zu sehen ist in «Sin City», und die beiden Regisseure Robert Rodriguez und Frank Miller verwandeln hier ganz uverschämt eine Frau in ein Blendwerk ornamentaler Ästhetik aus Licht und Linien. Und wenn Eva Green in den schwarzen Pool ihrer Supervilla springt und in ihr eigenes Spiegelbild eintaucht, dann ist das schon (mindestens) die zweite Hommage an James Bond, an jene paar Minuten, die – vor allem früher – zusammen mit der Titelhymne zu sehen waren, jene nixengleichen, sich verrenkenden Damen.
Es ist eins der ikonischen Bilder aus «Sin City» bei denen man den Atem anhält, genauso wie bei Eva Green im Dampf-Jacuzzi. Und natürlich sind all diese Bilder vollkommen nostalgisch, vollkommen dem Film noir der 40er und 50er verschrieben, es stecken enorm viel Barbra Stanwyck und Lauren Bacall in Ava und die ruppige Grossschnäuzigkeit einer Bette Davis, und damit wäre nun aber auch schon alles gesagt über die Dame im Zentrum des Films, die zugleich die schillerndste all seiner Figuren ist.
Der andere Glanzpunkt ist Johnny, gespielt von Joseph Gordon-Levitt, ein genialer junger Gambler auf der Suche nach einer valablen Vaterfigur. Dass er diese ausgerechnet im korrupten Machtmenschen Senator Roark (Powers Boothe) zu finden glaubt, das bricht ihm erst einmal die Finger und später das Herz.
Denn ohne Schmerzen geht es nicht in Sin City, jener dreigeteilten Stadt, mit den Quartieren Old Town, wo die harten Huren regieren, Sacred Oaks, wo die Reichen residieren, und den Projects, wo sich nur rohste Gewalt rentiert. Es geht um die Schmerzen der Herzen, vor allem aber der Körper.
Stellvertretend für die in sich so hoffnungslos segmentierte Gesellschaft werden sie auseinandergenommen. Köpfe und Hände werden abgesägt, Augen ausgerissen, Gesichter platzen wie eine überreife Frucht, und bei alledem spritzt das Blut mit raren roten Ausnahmen weiss. Und reisst die Gewaltorgien herunter auf die klare Zweidimensionalität von Frank Millers Comic-Vorlage. Und dies, obwohl das Sequel von «Sin City», ganze neun Jahre nach dem ersten Teil, jetzt in 3D gedreht ist.
Die Effekte, die sich lohnen, könnte sich Johnny an den Gliedern seiner multipel gebrochenen Spielerhand abzählen, und vielleicht meinten Rodriguez und Miller ja uns Kinozuschauer mit unseren 3D-Brillen, als sie die Brillen im Film wieder genauso auffällig als sinnlose weisse Löcher zeichneten wie im ersten Teil.
Aber egal, es geht in Sündenstadt nicht um Rafinesse, subtile Psychologie oder gar Sinn, es geht um einen Look und unseren Spass daran. Um die grösstmögliche Übertreibung aller Ressourcen: der Zeichen, der Figuren, des Spiels, der Todesarten und Verkehrsmittel und der wenigen Worte. Logisch, dass man da die kleinste Nebenrolle mit Lady Gaga besetzten muss.
Die Männer von Sin City sind entweder echt und tragisch wie Johnny und Dwight oder schier unverwundbare Monster wie Marv (Mickey Rourke), der die Tänzerin Nancy (Jessica Alba) beschützt, oder Manute (Dennis Haysbert), dem Handlanger von Ava. Alle Frauen sind sowieso wunderschön und entweder total verschlagene Bitches oder total geschickte Rachemaschinen. Ein Frauenbild zwischen Sexploitation und brachialfeministischem Selbstermächtigungsschund. Letzteres machte ja bei Rodriguez schon immer Spass, Rose McGowan mit der Maschinengewehr-Beinprotheses aus «Planet Terror» (2007) war wohl für Männer wie Frauen eine der befriedigendsten B-Movie-Damen der letzten Jahre.
So gesehen ist alles beim Alten und alles gut in «Sin City». Beim ersten Mal war's selbstverständlich aufregender. Und jetzt ist auch nicht mehr der ganze Film umstritten, sondern nur noch der Trailer und das Plakat. Wegen Eva Green, versteht sich.
«Sin City: A Dame to Kill for» läuft ab 18. September im Kino.