«Die Lage muss als besorgniserregend eingestuft werden», sagte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit, beim Point de Presse am Dienstag.
Mathys bezieht sich auf die aktuellen Corona-Zahlen. Die Anzahl täglicher Neuinfektionen bewegt sich momentan zwischen 2000 und 3000, ähnlich wie bei der dritten Welle im Frühling. Die Anzahl der Hospitalisationen hat sich seit Anfang Juli fast verdreissigfacht.
Erste Kantone kommen deshalb bereits wieder an ihre Kapazitätsgrenzen – und machen nun Druck auf den Bundesrat.
Heute Mittwoch verkündet der Bundesrat die Entscheidung bezüglich der vor zwei Wochen gemachten Vorschläge, die zur Konsultation zu den Kantonen geschickt wurde. Wir erinnern uns: Ungeimpfte und Ungenesene, die ein Fussballspiel oder Ähnliches besuchen wollen, sollen ab dem 1. Oktober selbst für die Kosten eines Corona-Tests aufkommen müssen.
Die offizielle Begründung für diese Massnahme lautete, dass es unfair sei, die Allgemeinheit weiterhin für die Coronatests von Ungeimpften zahlen zu lassen. Ein sanfter Druck hin zur Impfung dürfte allerdings auch dahinterstecken.
Die Chancen stehen sehr gut, dass der Bundesrat die kostenpflichtigen Tests morgen bestätigen wird. Denn viele Kantone wollen bereits einen Schritt weiter gehen. Einzig die SVP und die Grünen sind dagegen.
Letztere haben ihre Missgunst gegenüber dem Vorschlag in einem Brief an den Bundesrat zum Ausdruck gebracht. Darin schreiben sie, dass sie kostenpflichtige Tests als «kontraproduktiv» erachten.
Wir GRÜNE sind besorgt über den Verlauf der Corona-Pandemie: Die Zahl der Hospitalisationen hat sich innerhalb eines Monats bereits 3x verdoppelt. Morgen entscheidet der Bundesrat über das weitere Vorgehen. Hier unsere Forderungen: [1/3] pic.twitter.com/pEXzD3sXNV
— GRÜNE Schweiz 🌻 (@GrueneCH) August 24, 2021
«Früher waren immer alle für eine intensive Teststrategie, nun offenbar nicht mehr», sagt Grünen-Präsident Balthasar Glättli auf Anfrage von watson. «Tests schützen nicht die Getesteten, sondern die Allgemeinheit. Wichtig bleibt aus dieser Sicht, dass jene, die sich leider nicht impfen lassen wollen, wenigstens weiterhin häufig testen. Damit man die Entwicklung der Pandemie verfolgen kann und Leute rasch in die Isolation können und nicht noch andere anstecken.»
Dass kostenpflichtige Tests einen Anreiz für Ungeimpfte darstellen, sich nun impfen zu lassen, glaubt Glättli nicht. «Wir denken, dass der Aufwand von Tests, die man ja immer wieder machen muss, so oder so viel grösser ist, als sich zweimal einen Piks zu setzen.» Dies sei Anreiz genug, sich impfen zu lassen.
Auf Kantonsebene dürfte sich weniger Widerstand regen, denn bereits sind weitere Forderungen zu hören: So hat der Kanton St.Gallen, der bis anhin eher als Trödel-Kanton auffiel, verkündet, dass man eine Ausweitung der Zertifikatspflicht prüfe. Nicht nur an Grossveranstaltungen und für Clubs, sondern auch für den Besuch von Restaurants, Bars sowie von Spitälern und Heimen könnte das Zertifikat Pflicht werden.
Das Vorpreschen St.Gallens kommt nicht von ungefähr: Das Kantonsspital warnt bereits, dass die Intensivstationen bald an ihre Grenzen kommen. Mit der ausgeweiteten Zertifikatspflicht wolle man einen erneuten Lockdown verhindern.
St.Gallen steht jedoch nicht alleine da. Wie der «Blick» berichtet, steht der Kanton im Austausch mit den anderen Ostschweizer Kantonen. Auch der Kanton Aargau drohte diese Woche mit einem ähnlichen Schritt. Eine schweizweite Regelung des Einsatzes des Zertifikats würde man «begrüssen».
Basel-Stadt bläst ins gleiche Horn. Sprecherin Anna Lüthi sagte gegenüber dem «Blick», dass man nächste Woche eine Ausweitung der Massnahmen ins Auge fassen müsse, wenn sich die Situation nicht beruhige. Dazu zähle neben der zusätzlichen Zertifikatspflicht auch eine neuerliche Ausweitung der Maskenpflicht. Aber auch Basel-Stadt würde diesbezüglich eine nationale Lösung «begrüssen».
Selbst die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) pocht gegenüber dem «Tages-Anzeiger» auf eine nationale Lösung: «In der gegenwärtigen Situation mit einer schweizweit ungünstigen Entwicklung sind kantonal unterschiedliche Regelungen wenig zielführend.»
Dem stimmt auch der Präsident der Grünen zu. «Die Ausdehnung der Zertifikatspflicht ist sicher einem erneuten Shutdown zu bevorzugen», sagt Balthasar Glättli.
Also los es wird Zeit, lasst Euch Impfen!