Der Immobilienboom hat imposante Dimensionen angenommen. Mittlerweile kann er sich mit berühmt-berüchtigten Vorgängern messen (Siehe Grafik unten). Die durchschnittlichen Preisanstiege von Wohneigentum waren auch nicht extremer, als die USA vor der Finanzkrise den grössten Boom ihrer Geschichte erlebten. Oder als in Japan der Boden unter dem Kaiserpalast in Tokio höher bewertet wurde als alle Immobilien in Kalifornien.
Diese Dimensionen gehen aus Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hervor. Sie zeigen die Preisentwicklung von Wohneigentum, nach Abzug der Teuerung. «Die Schweiz am Sonntag» hat diese Zahlen mit dem Beratungsbüro Iazi ausgewertet. Noch zeigen muss sich, ob der Schweizer Boom auch in einem Crash endet und seinen historischen Vorgängern in deren Zerstörungskraft nahekommt.
Den Anfang nimmt der heutige Boom um die Jahrtausendwende. Damals erreichen die Preise endlich ihren Tiefpunkt. Zuvor sind sie zehn quälend lange Jahre immer noch ein bisschen tiefer gefallen. Nach dem Jahr 2000 geht es nach oben: mal mehr, mal weniger steil, kurz unterbrochen im Jahr 2017, aber sonst unablässig. Doch die Zeitenwende im Jahr 2000 bemerkt kaum jemand.
An den Börsen platzt die Blase um Technologie-Firmen, die eine neue Ära hätten einleiten sollen, aber nur Geld verbrennen. Einige Überlebende werden später zu Weltkonzernen, etwa der heutige Online-Riese Amazon. Joanne K. Rowling veröffentlicht einen neuen Band über Harry Potter. George W. Bush gewinnt vor Gericht und wird Präsident der USA. In der Schweiz kann die SVP damals Christoph Blocher nicht durchdrücken, Bundesrat wird Samuel Schmid. Doch heute ist der Boom nicht zu übersehen.
Die Preise sind in zwei Jahrzehnten um 89 Prozent gestiegen. Sie haben sich also fast verdoppelt. Und der Boom zeigt keine Anzeichen von Schwäche, die Coronakrise kann ihm gar nichts anhaben. Zuletzt wird der schnellste Preisanstieg seit dem Jahr 2012 verzeichnet.
Damals befindet sich der Boom in einer besonders feurigen Phase. Die Regeln sind noch lockerer, nach denen die Banken ihre Hypotheken vergeben. Die Schweizerische Nationalbank ist beschäftigt, ihr Präsident stolpert über Devisengeschäfte seiner Ehefrau. Erst später gelingt es den Behörden, einen Gesinnungswandel zu erzwingen. Die Banken verschärfen ihre Selbstregulierung. Hypotheken werden zurückhaltender verliehen, es werden weniger hohe Preise bezahlt. Doch zuletzt lässt die Wirkung anscheinend nach. Im Coronajahr 2020 steigen die Preise so schnell wie zuvor.
Mit dem letzten Preisschub ist der Boom endgültig vorgedrungen zu den berühmtesten und berüchtigtsten Beispielen von Boomphasen.
Der Boom in den USA hat 2006 den Höhepunkt erreicht. Als er sich zum Crash wandelt, fällt das Land in die «Grosse Rezession» und reisst die Welt mit sich. Amerikas Banken haben auf unterklassige Hypotheken komplizierte Finanzprodukte aufgetürmt und in alle Welt verkauft. In der Schweiz hat die UBS sich zu viel aufschwatzen lassen, die Grossbank muss vom Staat gerettet werden. Ihr Präsident Marcel Ospel zieht sich danach ins Private zurück.
Im japanischen Boom geraten alle Relationen durcheinander, Übermut verbreitet sich. In den Bestsellerlisten toppt das Buch «Japan als Nummer 1: Lehren für Amerika». Der Marktwert japanischer Immobilien ist zwei Mal so gross wie jener aller amerikanischen Immobilien. Nach dem Crash taumeln die Banken, Zombiefirmen wandeln umher, und die Wirtschaft stagniert fast zwei Jahrzehnte lang.
Noch extremer als in der Schweiz ist es in Südeuropa. Als der Euro eingeführt wird, glauben nordeuropäische Investoren an blühende Landschaften im Süden. Unmengen an Geld fliessen. In Spanien erreichen die Preise Schwindel erregende Höhen. Dann ist Finanzkrise. Das Geld ist schnell weg. Zurück bleiben Arbeitslosigkeit, Schulden und Geistersiedlungen.
«Furchterregend» findet Donato Scognamiglio die preislichen Höhenflüge von schweizerischem Wohneigentum. Der Geschäftsführer des Immobilienberaters Iazi ist überzeugt, auch der schweizerische Boom werde irgendwann enden und die Preise einige Jahre lang sinken. Wie viel das sein wird, was die Folgen sind - wisse niemand, man könne dazu bloss Gedankenspiele machen.
So reiche es beispielsweise, wenn Wohneigentum schweizweit im Mittel etwa 10 Prozent an Wert verlören. Schön, hätten viele Hypothekarschuldner nur noch halb so viel Eigenkapital - oder gar keines mehr, sagt Scognamiglio. Insbesondere sei man gefährdet, wenn man sein Heim spät im Boom gekauft und viel bezahlt hat. Ist das Eigenkapital halbiert, ist die Bank am Zug. Sie kann Kunden zwingen, Schulden zurückzuzahlen. Doch sie muss nicht, solange die Zinsen bezahlt werden. Doch könnten die Zinsen nach dem steigen. Scognamiglio: «Die Geschichte zeigt: Es kann sehr vieles passieren, wenn ein Boom endet.» (bzbasel.ch)
Zudem hat die Bevölkerung seit dem Jahr 2000 auch um 20 Prozent zugenommen. Gleichzeitig wurde das Einzonen von neuem Landmassiv erschwert. Dass das nicht spurlos an der Preisentwicklung vorübergeht, dürfte klar sein.
Das ist toll für alle, die bereits eine Immobilie besitzen. Für Millenials in der Schweiz ist der Traum vom Eigenheim aber inzwischen fast unerschwinglich geworden.