Schweiz
Review

SRF-Arena: Alle sind sich einig, bis sich eine Primarschülerin meldet

Auch im Studio 8 im Leutschenbach wurden weitere Sicherheitsmassnahmen getroffen: Neu werden die Gäste zusätzlich durch Plexiglasscheiben getrennt.
Auch im Studio 8 im Leutschenbach wurden weitere Sicherheitsmassnahmen getroffen: Neu werden die Gäste zusätzlich durch Plexiglasscheiben getrennt. bild: srf/arena
Review

Alle «Arena»-Gäste sind einer Meinung – bis sich eine Primarschülerin einschaltet

Die Schulschliessungen beschäftigten diese Woche das Land – und so auch die «Arena»-Gäste am Freitag im Leutschenbach. Fast wie am Anfang der Pandemie war man sich parteiübergreifend einig. Einzig eine wagt zu widersprechen: Eine 12-jährige Schülerin aus Bern.
22.01.2021, 23:5624.01.2021, 12:21
Helene Obrist
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Am Freitag vermeldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 384,92 laborbestätigte Coronavirus-Infektionen pro 100'000 Einwohnende. Erstmals seit November ist der R-Wert unter 0,8. Doch Sorgen macht auch weiterhin das mutierte Virus B.1.1.7. Man habe aktuell Kenntnis von 674 Fällen, teilte das BAG am Freitag mit. Weil sich das mutierte Virus womöglich auch stärker unter Schülerinnen und Schüler verbreiten könnte, gerieten erneut die Schulen und die Frage nach einer landesweiten Schliessung in den Fokus. Darüber diskutierte auch SRF-«Arena»-Dompteur Sandro Brotz mit seinen Gästen.

Es herrschte Einigkeit unter den geladenen Politikerinnen und Politiker – eine wie man sie selten sieht im Studio 8. Primarschulen dürfen nicht geschlossen werden, zu gross seien die Konsequenzen für viele Schülerinnen und Schüler, hiess es unisono. Von SVP in Vertretung von Albert Rösti, über «Die Mitte» (Nationalrätin Ruth Humbel) bis hin zum linken Lager (Grüne Nationalrat Bastien Girod und SP-Nationalrätin Yvonne Feri) war man sich einig.

Video: watson

«Die tieferen Klassen müssen unbedingt Präsenzunterricht haben, solange das die Lage zulässt. Bei reinem Home-Schooling kann der Rückstand einiger Schülerinnen und Schüler kaum mehr aufgeholt werden und ist dann über Jahre spürbar», so Feri. Auch Nationalratskollege Rösti bläst ins gleiche Horn: «Es wäre unverhältnismässig, die Schulen zu schliessen. Für viele Familien wäre das eine riesige Belastung.»

Kaum Widerspruch gab es auch von der wissenschaftlichen Seite. Marcel Tanner, Epidemiologe und noch Mitglied der bundesrätlichen Covid-19 Taskforce, rät ebenfalls davon ab, die Schulen blind zu schliessen. Das Recht auf Bildung müsse hoch gewichtet werden, so Tanner und ergänzt: «Dieses Recht muss mit den wirklichen Risiken abgebglichen werden.»

Die einzige, die das etwas anders als die Studiogäste sieht, ist die Primarschülerin Angela aus Bern. Sie hätte ganz klar lieber Fernunterricht, so die 12-Jährige. «Meine Grosseltern wohnen im gleichen Haus und mir ist es nicht ganz wohl dabei, wenn ich zur Schule gehe. Schliesslich komme ich dort mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt und könnte das Virus dann nach Hause bringen», schlussfolgert sie.

Video: watson

Ganz froh, dass er (noch) nicht zuhause büffeln muss, ist hingegen der ebenfalls per Video zugeschaltete Gymischüler Tim aus Stans. Und er versteckt in seiner Antwort gleich noch eine indirekte Kritik an den politischen Entscheidungen des Bundesrates. «Es wäre schade, wenn wir aufgrund von zu spät getroffenen Massnahmen wieder ins Home-Schooling müssen. Das Lernen ist einfach nicht das Gleiche, wie im Klassenzimmer vor Ort.»

Kurz vor dem ersten Themenwechsel schlägt der Zürcher Schulleiter Walter Schelling eine Kompromisslösung vor: Es sei vermutlich nicht die beste Idee, nur in schwarz und weiss zu denken. «Vielleicht müssen wir auch versuchen, die Schulen auszudünnen und zusammen mit den Eltern besprechen – die das Lernverhalten ihrer Kinder ja am besten kennen – wem das Home-Schooling eher liegt und wer besser vor Ort im Klassenzimmer aufgehoben ist.»

Video: watson

Während der erste Themenblock des Abends eher zahm über die Bühne ging, gab die Diskussion rund um das Testen schon mehr zu reden. Beinahe geraten sich SP-Nationalrätin Feri und Kollege Rösti in die Haare. Letzterer forderte schon während der Diskussion über die Schulschliessungen Corona-Tests an den Grenzen. «Nur so können wir verhindern, dass Schulen geschlossen werden müssen», so der ehemalige SVP-Parteipräsident.

Sie sei jetzt schon etwas verwundert über den Themenspagat zwischen Schul- und Grenzschliessungen, so Feri spitzzüngig in Richtung Rösti. Es gehe ihm keineswegs um irgendwelche Parteipolitik, poltert dieser durch vier Plexiglasscheiben zurück. «Wir wollen nicht die Grenzen schliessen, sondern testen! Es geht jetzt darum, dass wir verhindern, dass weitere mutierte Viren in die Schweiz reinkommen.» Wie das denn gehen soll mit all den Grenzgängern und TGVs von Frankreich, will Feri von Rösti wissen. «Die Zöllner müssen in der Krise halt umdisponieren und etwas weniger Drogenstichproben machen und den Fokus auf negative Coronatests legen», schlägt Rösti vor.

Video: watson

Ob die Tests an den Grenzen nötig sind, dazu äussert sich Epidemiologe Tanner nicht. Doch dass das Testen im Kampf gegen die Corona-Pandemie unglaublich wichtig sei, könne er bestätigen. Es sei aber sinnvoller, gezielte Massentests zu machen, anstatt ganze Kantone oder gar Länder durchzutesten. «Die Ergebnisse dieser Massentests sind eine enorm wichtige Grundlage. Wir können nicht einfach weitere Massnahmen ergreifen oder lockern, ohne zu wissen, wo die Infektionsherde wirklich sind.»

Zuletzt wird auch noch die Impfthematik angesprochen. Ja, es sei bisher im Schneckentempo geimpft worden, aber mit der Zulassung des Impfstoffs von Moderna nahe Besserung, prophezeit Tanner. Und ja, dass sich ein südafrikanischer Milliardär ins Thurgau für die Impfung einfliegen liess, sei «völlig daneben», gibt Nationalrätin Humbel zu bedenken. Für viel mehr Statements zum Thema reicht es dann zeitlich aber auch nicht mehr. Moderator Brotz verspricht deshalb eine eigene Impf-«Arena».

Bis zu diesem Zeitpunkt gilt daher wohl nur: Weitermachen! (Mit dem Impfen und dem Durchhalten).

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So wird in Luzern geimpft
1 / 45
So wird in Luzern geimpft
Eine über 90-jährige Frau wird als erste Person im Kanton Luzern und als eine der ersten Personen der Schweiz mit dem Impfstoff von Pfizer/Biontech gegen Corona geimpft, in einem Pflegeheim im Kanton Luzern, am Mittwoch, 23. Dezember 2020. (KEYSTONE/Urs Flüeler)
quelle: keystone / urs flueeler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So wird Dating nach Corona aussehen (vermutlich)
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
140 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ökonometriker
23.01.2021 07:28registriert Januar 2017
Die Schulen sollten mit den Eltern Lösungen finden. Jede Familie soll selbst entscheiden können, ob sie Fernunterricht oder lernen vor Ort bevorzugen.
Manche Kinder lernen schneller und haben keine Probleme mit Fernunterricht. Besonders, wenn noch das Grosi zu Hause wohnt.
In anderen Familien arbeiten beide Eltern ausser Haus oder die Kinder sind schon so schulisch am Anschlag. In so einem Umfeld wäre Präsenzunterricht viel besser.

Daher ist die von W. Schelling vorgeschlagene Lösung, die Schulen auszudünnen, die beste Lösung.
49881
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gusto
23.01.2021 08:17registriert Mai 2016
Ich muss zugeben, dass mir Röstis Auftritt gestern gefallen hat. An den Grenzen sollte tatsächlich ein PCR-Test zur Einreise verlangt werden. Auch an den Flughäfen hätte man schon längst mit Fiebermessgeräten zu arbeiten beginnen sollen. Die Einreise in die Schweiz ist meiner Meinung nach zu einfach und kann verheerende Folgen nach sich ziehen, Stichwort britische Skitouristen.
37157
Melden
Zum Kommentar
avatar
Demo78
23.01.2021 02:21registriert August 2017
Starkes Statement der Schülerin!
425212
Melden
Zum Kommentar
140
Das SRF gibt Sparmassnahmen mit Stellenabbau bekannt

Dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) drohen ab 2025 Verluste: Es seien weitere Einsparungen und ein Stellenabbau unumgänglich, teilte das Unternehmen am Montag mit. Welche Bereiche betroffen sind, ist offen - noch liegen keine konkreten Zahlen vor.

Zur Story