Schweiz
Bundesrat

Bundesrat Cassis muss vor Parlament antraben

Bundesrat Ignazio Cassis spricht waehrend einer Medienkonferenz des Bundesrates zum Thema Strategie Landeskommunikation 2021-2024, am Freitag, 18. Dezember 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Bundesrat Ignazio Cassis: Muss sich vor Aussenpolitikern erklären.Bild: keystone

«Stalinismus» im Aussendepartment: Bundesrat Cassis muss vor Parlament antraben

Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats will vom FDP-Bundesrat Erklärungen für fragwürdige Personalentscheide.
05.01.2021, 21:3105.01.2021, 21:35
Henry Habegger / ch media
Mehr «Schweiz»

Unter Aussenminister Ignazio Cassis und seinem Generalsekretär Markus Seiler (beide FDP) wurde ein Willkür-Regime installiert, sagen Insider aus dem Aussendepartement EDA. Gemeint ist notabene die Vergabe der Botschafterposten. Starke und unbequeme Diplomatinnen und Diplomaten, mitunter die fähigsten, würden kaltgestellt oder in die Provinz abgeschoben, sagen Kritiker. Sie sprechen von «Stalinismus» an der EDA-Spitze.

Aussenpolitik-Präsidentin Moser: «Rochaden haben Fragen ausgelöst»

Alarmiert ist auch die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrats. In ihrer Sitzung von Mitte Januar muss sich Aussenminister Cassis erklären. APK-Präsidentin Tiana Moser (GLP, ZH) sagt: «Ich habe das Thema Rochaden bereits im Dezember auf die Traktandenliste gesetzt.» Sie begründet: «Die Personalpolitik im Einzelfall ist Sache des EDA. Als zuständige Kommission darf die APK erwarten, dass die Entscheide nach transparenten Kriterien erfolgen und plausibel sind. Die letzten Rochaden haben jedoch Fragen ausgelöst, die nun in der Kommission geklärt werden sollen, und damit die Plausibilität hergestellt werden kann.»

Die Zürcher GLP-Nationalrätin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission Tiana Angelina Moser nimmt die Recherchen rund um die Zuger Crypto AG ernst, sieht darin aber noch keine Staatsaffäre. (A ...
Will Antworten: Tiana Moser.Bild: KEYSTONE

Die höchste Aussenpolitikerin macht deutlich, dass sie sich um die Schweizer Diplomatie sorgt: «Für ein offenes und vernetztes Land wie die Schweiz ist ein optimaler Ressourcenvertretung im Ausland entscheidend», hält sie fest. «Das EDA und die Bundesverwaltung müssen auch für das diplomatische Spitzenpersonal als Arbeitgeber interessant und berechenbar bleiben. Nur so werden wir auch in Zukunft unsere Interessen im Ausland und den internationalen Organisationen vertreten wissen.»

SVP-Aussenpolitiker Büchel: «Cassis muss Antworten liefern»

Aufgeschreckt hat die Parlamentarier eine Reihe von unverständlichen Versetzungen. So wird einer der besten Schweizer Diplomaten, Botschafter Alexandre Fasel, in die Provinz nach Kairo versetzt statt an die Schweizer Mission bei der EU. Cassis soll im Bundesrat gesagt haben, Fasel selbst wolle nach Kairo und nicht nach Brüssel, was aber offensichtlich nicht der Wahrheit entsprach.

«Cassis wird überzeugende Antworten liefern müssen», sagt SVP-Aussenpolitiker Roland Büchel (SG) im Hinblick auf die APK-Sitzung vom 19. Januar.

Was Büchel ins Auge stiess, ist die Art, wie das EDA die Rochaden begründete. «Es ist bezeichnend, dass das EDA sagt, ausschlaggebend seien die dienstlichen Bedürfnisse». Er sehe es anders: «Entscheidend ist die ideale Interessenvertretung der Schweiz. Und da braucht es nicht Leute, die auf ihre Pension warten, sondern möglichst viele engagierte Querköpfe. So einer ist etwa Yves Rossier, der macht es richtig gut.» In Moskau liefere er «bemerkenswert gute Arbeit» ab.

Rolle von Ex-Geheimdienstchef Seiler im Visier der Politik

Aber der ehemalige Staatssekretär soll nicht etwa auf eine andere wichtige Botschaft versetzt werden. Letzte Station Rossiers vor der Pensionierung soll Riga sein, was als Demütigung gilt. Dafür habe er «kein Verständnis», sagt Büchel.

Zu reden gibt namentlich der ehemalige und höchst umstrittene Geheimdienstchef Seiler, der die Rochaden im EDA laut Insidern entscheidend prägt.

Markus Seiler, Direktor NDB, Nachristendienst des Bundes, spricht ueber "Sicherheit Schweiz", den Jahresbericht des Nachristendienstes des Bundes, am Dienstag 2. Mai 2017, in Bern.(KEYSTONE/ ...
Soll eine entscheidende Rolle unter Cassis spielen: Markus Seiler, ehemaliger Geheimdienstchef, heute Generalsekretär von Bundesrat Cassis.Bild: KEYSTONE

Büchel sagt: «Als Generalsekretär ist er für das Organisatorische zuständig. Das Politische ist Chefsache.» Auch der Antrag an den Bundesrat für die Besetzung der Botschafterstellen gehöre in die Hand des Aussenministers und in diejenige der Staatssekretärin. «Mehr Trennschärfe» um die Rolle des Generalsekretärs verlangt etwa auch Nik Gugger, Aussenpolitiker der EVP aus Zürich.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hans Jürg
05.01.2021 22:22registriert Januar 2015
Es fällt auf, dass Herr Cassis vor allem, ja eingentlich ausschliesslich, der Öffentlichkeit dann auffällt, wenn er wieder mal etwas komplett vergeigt hat. Sonst ist er praktisch nicht existent. Man fragt sich, was er eigentlich den lieben langen Tag macht. Er ist doch Bundesrat und Aussenminister, oder? Gemerkt hat man eigentlich davon nichts bis noch weniger als nichts.
50314
Melden
Zum Kommentar
avatar
Leader
05.01.2021 21:54registriert September 2018
Je schwächer der Chef- desto stärker der Generalsekretär. Herr Seiler hat auch schon in der (Bundes) Vergangenheit seine Kompetenzen überzogen. Also nichts neues.
Wie lange schaut man wohl dieses Mal zu?
39110
Melden
Zum Kommentar
avatar
Black Cat in a Sink
05.01.2021 22:10registriert April 2015
Cassis ist unfähig, er hat bis auf die Repatriierungsflüge während der ersten Coronawelle rein gar nicht auf die Reihe gebracht! Er soll zurücktreten!
3529
Melden
Zum Kommentar
36
Eklat in der SVP: Christian Imark stellt pikante Forderung an Magdalena Martullo-Blocher
Das ist höchst ungewöhnlich. Energiespezialist Imark greift SVP-Vizepräsidentin Martullo-Blocher offen an. Sein Vorwurf: Mit ihrem Nein zum Stromgesetz gefährde sie langfristige Parteiinteressen.

Auf der einen Seite steht Christian Imark. Der SVP-Nationalrat aus Solothurn brachte am 2021 das CO₂-Gesetz praktisch im Alleingang zum Absturz. Im Februar 2024 reichte er als Mitglied des Initiativkomitees die Blackoutinitiative ein, die neue AKW wieder erlauben will. Und 2023 war er als Vertreter der Energiekommission (Urek) verantwortlich dafür, dass die SVP-Fraktion das Stromgesetz von SVP-Bundesrat Albert Rösti mit 36:18 Stimmen absegnete. Die Volksabstimmung findet am 9. Juni statt.

Zur Story