Der frühere CEO der Credit Suisse, Tidjane Thiam (58), stolperte über die Beschattungsaffäre bei der Grossbank: Dieses Narrativ kommt ins Wanken. Ein Artikel der «New York Times» rückt die Zeit des Ivorers bei der Grossbank in ein anderes Licht. Rassismus und seine schwarze Hautfarbe haben demnach eine weit grössere Rolle gespielt. «Andere Bankchefs haben weit grössere Skandale überstanden», schreibt das Blatt. «Es ist eine offene Frage, ob ein CEO mit einem anderen Hintergrund den Skandal überlebt hätte.»
Seit Beginn seiner Amtszeit habe Thiam rassistische und abwertende Erfahrungen in der Schweiz gemacht. An der Geburtstagsfeier des Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner letztes Jahr sei Thiam der einzige anwesende Schwarze gewesen - bis ein als Hauswart verkleideter Schwarzer auf der Bühne zu tanzen begonnen habe, während er den Boden kehrte. Thiam und weitere Anwesende, darunter der Chef der britischen Pharmafirma GSK, hätten den Saal daraufhin verlassen. Als sie zurückgekommen seien, hätten Freunde von Rohner auf der Bühne eine Musicalnummer zum Besten gegeben, für die sie sich Afro-Perücken aufgesetzt hätten.
An der Generalversammlung im Jahr 2016 habe ein Aktionär zu Thiam gesagt, die Bank heisse «Suisse - Credit Suisse». Er habe wissen wollen, ob Thiam wegen seiner Herkunft Interessenskonflikte habe. Seine Herkunft sei an der Versammlung als «dritte Welt» verunglimpft worden.
Im «überwiegend weissen Zürich» sei Thiam aufgefallen. In der Bahnhofstrasse sei er immer wieder von Passanten angesprochen worden, was ihn Energie kostet habe. Er habe aufgehört, mit seinem Porsche Cayenne zur Arbeit zu fahren, weil er Schlagzeilen fürchtete, sollte auch nur ein kleiner Disput mit einem anderen Verkehrsteilnehmer entstehen. Seine Söhne seien im Tram oft die einzigen Schwarzen gewesen - «und die ersten, deren Tickets kontrolliert wurden». Die Zeitung schreibt: «Schon wenn sie im Ausgang vor einem Club auftauchten, wurde getratscht».
Thiam selbst habe ähnliche Erfahrungen gemacht. So sei er von Mitarbeitern des Zolls aufgehalten worden, als er von Zürich nach Genf geflogen sei - obwohl es sich um eine Reise innerhalb der Schweiz gehandelt habe. Auch die hiesigen Medien spielten laut der «New York Times» eine unrühmliche Rolle: In einem Leserkommentar eines «speziell kritischen Finanzblogs» sei geschrieben worden, hoffentlich schicke Thiam sein Geld nach Hause: «Dann können wir das als Entwicklungshilfe deklarieren». Andere Medien hätten ihn als «zu wenig schweizerisch» und «ungeliebt» bezeichnet.
Obwohl die Bank unter der Führung von Thiam profitabler geworden sei und die Vermögensverwaltung in gewissen Bereichen gar den ewigen Konkurrenten UBS überholt habe, soll Thiam Mitarbeitern anvertraut haben, dass er sich von anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung nicht geschätzt fühle.
«Ob es Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder eine andere Form von Intoleranz ist, Thiam wurde in der Schweiz immer als jemand angesehen, der nicht hierher gehört», schreibt die «New York Times». Die Zeitung weist im Artikel auch daraufhin, dass Thiams Lifestyle, zu dem Flüge in der First Class und Aufenthalte in Presidential Suites in Hotels gehörten, nicht gut angekommen sei, zumal in jener Zeit viele Stellen abgebaut wurden. «Ein solcher Anti-Elitarismus ist etwas schwieriger zu analysieren», schreibt die Zeitung. Die Schweizer hätten eine unterschwellige Abneigung gegen jene, die ihr Vermögen zur Schau stellten.
Thiams Schwester Yamousso sagt der Zeitung, es würde sie interessieren, ob die Schweizer «jetzt endlich die Ehrlichkeit haben, zuzugeben, dass ein Schwarzer an der Spitze einer ihrer prestigeträchtigsten Institutionen unerträglich war».
Thiam trat zurück, nachdem bekannt geworden war, dass seine Nummer zwei Iqbal Khan, der von der Credit Suisse zur UBS wechseln wollte, von der CS beschattet wurde. Dabei kam es zu einem Handgemenge in der Zürcher Innenstadt, als Khan seinen Überwacher zur Rede stellte. Später wurden weitere Vorwürfe laut. Es sollen weitere Angestellte der Credit Suisse im Auftrag von deren Sicherheitsdienst überwacht worden sein. Die Finma hat eine Untersuchung eingeleitet.
Urs Rohner und die Credit Suisse nahmen auf Anfrage der «New York Times» keine Stellung zu den Vorwürfen.
Ich denke, dass der Hund eher hier begraben ist. Maximal abgehoben. Hockt in seinem Bunker an der Goldküste. Sein Arbeitsweg war vom Bunker zur Bank. Am Abend von der Bank zum Bunker. Ansonsten wurde er nie gesehen.