watson in Sambia

watson in Sambia: Bis zu acht Studenten schlafen in einer Besenkammer – und sehen das noch positiv 

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watson in Sambia: Bis zu acht Studenten schlafen in einer Besenkammer – und sehen das noch positiv 

Ein mickriges Zimmerchen mit bis zu acht weiteren Studenten zu teilen, ist an der Universität von Sambia der Normalfall. Was von Schweizern als unvorstellbar oder gar unmenschlich bezeichnet werden würde, wird hier teilweise auch als Segen gesehen.
04.12.2014, 12:5204.12.2014, 13:20
Chishimba Kasanga, Sambia / Lusaka Star
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Ein mickriges Zimmerchen mit vier weiteren Studenten zu teilen, mag wie ein Alptraum erscheinen. Aber so schlimm ist es nicht. Eigentlich ist es gar ein Segen fürs Leben, eine unvergessliche Erfahrung, die uns lehrt, um was es während unseres Daseins auf der Erde eigentlich geht.

Autorin Chishimba Kasanga studiert im dritten Jahr Massenkommunikationsmedien an der Universität von Sambia. Diesen Artikel hat sie für watson geschrieben, er wurde vom englischen Original leicht ...
Autorin Chishimba Kasanga studiert im dritten Jahr Massenkommunikationsmedien an der Universität von Sambia. Diesen Artikel hat sie für watson geschrieben, er wurde vom englischen Original leicht angepasst. Bild: watson

Ein Zimmer mit anderen zu teilen, ist nichts ungewöhnliches an der Universität von Sambia in Lusaka (UNZA), dem höchsten Institut des Landes. Das Institut bietet 3775 Betten in Studentenunterkünften auf dem Campus. Studierende gibt es aber über 20'000. Die Regierung hat es in verschiedenen Bildungsanstalten verpasst, den Mangel an Unterkünften zu beheben.

Ein noch schöner Wohnblock der Studentenunterkünfte.
Ein noch schöner Wohnblock der Studentenunterkünfte.Bild: watson

3775 Betten für über 20'000 Studenten wirft natürlich die Frage auf: Wo finden alle einen Platz zum schlafen? Viele der «Bettlosen» finden bei anderen Studenten Unterschlupf, «squatting» (hineinkauern) nennen wir das. Auch ich, die Drittjahresstudentin im Departement der Massenkommunikation, bin davon betroffen. Ich teile mein Zimmer mit vier weiteren Studentinnen. 

Diese Erfahrung lehrt uns mehr als alles andere

Diese Situation sehe ich allerdings als Segen für mein Leben, das mir vier «Schwestern von einer anderen Mutter» geschenkt hat. Wir sind zu fünft. Ja, zu fünft in einem Raum von ca. zwölf Quadratmetern. Aber es ist nicht so schlimm, wie man denkt. Wir sind wie Schwestern, ich würde uns als eine grosse Familie bezeichnen.

Sheila, Chishimba, Kelyn, Makonde und Beauty: fünf Frauen, ein Zimmerchen.
Sheila, Chishimba, Kelyn, Makonde und Beauty: fünf Frauen, ein Zimmerchen.Bild: watson

Der Hauptgrund, warum wir an der Universität studieren, ist, dass wir die akademische Reife erreichen wollen. Aber das Leben an der Universität bietet viel mehr als nur akademische Bildung. Wir erhalten die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen und zusammenzuarbeiten. Wir sammeln Erfahrungen fürs Leben, welche wir in keinem Studiengang erlernen können.

Aus Schweizer Sicht
Wir konnten verschiedene Zimmer unserer Studenten besuchen. Die Zustände hauen uns schlicht um. In so einem Zimmerchen alleine untergebracht zu werden, würde kein Schweizer Student akzeptieren. Es sieht aus wie in einem uralten Knast. Die Räume sind rund zwölf Quadratmeter gross, fliessend Wasser gibt es in den seltensten Fällen, geschlafen wird mindestens zu zweit auf einer Matratze, wobei maximal vier Matratzen pro Zimmer erlaubt sind. Selbstredend ist dann der ganze Raum überfüllt. Teilweise sorgen höchstens zwei Kleiderschränke (in welchen alle Habseligkeiten aller Studenten Platz finden) oder einfach nur Tücher in der Mitte des Raumes für eine Aufteilung. Es ist stickig, heruntergekommen und eng. Duschen und Toiletten gibt es pro Etage. Wer geduscht und einigermassen pünktlich zur Uni erscheinen will, sollte zwei Stunden vorher aufstehen. 

Der Mitbewohner, mit welchem man das Bett teilt, wird «Bedie» genannt, wobei meist mit dem Kopf am Fuss dieses Kollegen geschlafen wird. Wer wo schläft, hängt meist davon ab, wer als erstes aufstehen muss. Der schläft logischerweise an der Türe. Gekocht wird übrigens auch in den Räumen oder, falls vorhanden, auf dem kleinen Balkon. Ist der Freund / die Freundin zu Besuch, werden die anderen Mitbewohner mindestens auf die andere Seite des «Trenntuchs» verwiesen, lieber aber natürlich aus dem Zimmer gejagt, was bei bis zu acht Mitbewohnern allerdings nicht immer ganz einfach ist.

Fünf Frauen für alle Fälle

Wir fünf Frauen tauschen uns in allen möglichen Bereichen von Styletipps übers Kochen bis zur Körperpflege aus. Ich muss nie zum Coiffeur, meine Mitbewohnerin Beauty, «die Kosmetikerin», sorgt für eine gute Frisur, macht mir die Maniküre und berät mich in Kleiderfragen. Sie verwandelt uns in Prinzessinnen. Zudem bietet ein Kleiderschrank von fünf Frauen sicherlich für jeden Anlass die passende Garderobe – irgendeine hat immer das passende Outfit bereit.

Ein Kleiderschrank für maximal vier Personen.
Ein Kleiderschrank für maximal vier Personen.Bild: watson

Natürlich bietet das enge Zusammenleben auch Vorteile für die Universität und abzuliefernde Arbeiten. Die meisten Aufgaben werden vor dem Abgabetermin selbstverständlich von allen vier Mitbewohnerinnen gegengelesen. Wie kann so eine Situation ein Fluch sein? Und da wir alle unterschiedliche Studiengänge belegen, profitieren wir in verschiedensten Bereichen von unseren Zimmergenossinnen.

Unhygienisch, aber das schweisst zusammen

Meine Mitbewohnerin Makonde Ngawa pflegt zu sagen: «In einem überfüllten Raum zu leben, ist für viele Sambier nichts Ungewöhnliches. Das ist unsere afrikanische Kultur. Wir achten auf unsere Mitmenschen.» Die Drittjahresstudentin führt weiter aus: «Wir dürfen nicht vergessen, dass Sambia ein Drittweltland ist. Wenn wir es wie in westlichen Ländern machen wollen und höchstens zu zweit einen Raum teilen, dann bleibt der Rest auf der Strecke. Das geht nicht.»

Fünf Frauen, zwei Betten. So wird geschlafen.
Fünf Frauen, zwei Betten. So wird geschlafen.Bild: watson

Makonde spricht dabei von «Ubuntu», einer in Afrika verbreiteten Lebensphilosophie der Zusammengehörigkeit. Das unterscheidet uns vom Rest der Welt. Ja, fünf Menschen in so einem kleinen Raum ist nicht hygienisch, aber ich kenne sonst nichts, das uns besser zusammenschweissen könnte.»

Problem, aber auch ein Segen

Auch Sheila Siyakabeya, die vierte der Frauen und als Erstjahresstudentin das Küken in der Runde, sieht kein Problem in der engen Wohnsituation, alle seien immer für einander da: «Sie beraten mich beispielsweise in Liebesfragen und können dies auf einer Ebene tun, weil wir alle gleich alt sind. Wir sind wie eine Familie, obwohl wir aus verschiedenen Ecken des Landes stammen. Wir sind weit mehr als Freundinnen, wir sind wie Schwestern.

Auf diesen vier Matratzen schlafen acht Studenten. Immerhin haben sie in den «Ruinen», wie die Unterkunft der Männer genannt wird, noch einen kleinen Balkon.
Auf diesen vier Matratzen schlafen acht Studenten. Immerhin haben sie in den «Ruinen», wie die Unterkunft der Männer genannt wird, noch einen kleinen Balkon.Bild: watson

Trotz der guten Erfahrungen der fünf Girls wird Überbelegung an vielen Universitäten als Problem angeschaut, das behoben werden muss. Wir können aktuell aber nichts dagegen machen. Also was sollen wir anderes machen, als das Gute darin zu sehen? Überbelegung ist ein Problem, aber für uns ist es ein Segen.

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Leiter Unternehmensentwicklung Sven Ruoss und Sportchef Reto Fehr führen in Zusammenarbeit mit der Schweizer Hilfsorganisation B360 Education Partnerships an der Universität von Lusaka (UNZA) in Sambia ein zweiwöchiges Modul über Online-Journalismus durch. Die Studenten erhalten dabei wertvolle Inputs für ihre Newsplattform Lusaka Star. Die Zeitung wurde vor rund zwei Jahren mit Unterstützung der Zürcher Agentur Mediaschneider in ein Online-Portal umgewandelt und wird vom Studiengang Mass Communication betreut.
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