Türkische Untersuchungshaft gegen «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel

Türkische Untersuchungshaft gegen «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel

27.02.2017, 23:56

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam in der Türkei hat ein Haftrichter in Istanbul Untersuchungshaft für den deutsch-türkischen Korrespondenten der Tageszeitung «Die Welt», Deniz Yücel, erlassen. Der Haftrichter folgte am Montagabend dem Haftantrag der Staatsanwaltschaft.

Dem 43-jährigen Korrespondenten würden «Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung» vorgeworfen, schrieb «Die Welt».

Verdächtige können in der Türkei bis zu fünf Jahre in Untersuchungshaft gesperrt werden. Unter dem derzeit geltenden Ausnahmezustand in der Türkei können Verdächtige bis zu 14 Tage in Gewahrsam gehalten werden. Deshalb musste Yücel spätestens an diesem Dienstag einem Haftrichter vorgeführt oder freigelassen werden.

Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Er ist der erste deutsche Korrespondent, der seit Regierungsübernahme der islamisch-konservativen AKP des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2002 in Untersuchungshaft kommt.

«Die Welt» berichtete, der Haftrichter Mustafa Cakar habe in der Vergangenheit schon mehrere Journalisten der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet» zu U-Haft verurteilt. Der Staatsanwalt habe Yücel allgemein zu seinen Artikeln befragt und dann Haftantrag gestellt.

Kritische Berichterstattung

Der deutsch-türkische Korrespondent war vor etwa zwei Wochen festgenommen worden. Yücel hatte über gehackte E-Mails von Energieminister Berat Albayrak berichtet. Darin ging es auch um eine Beeinflussung der Öffentlichkeit etwa durch falsche Twitter-Nachrichten. Albayrak ist ein Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Die privaten E-Mails des Ministers hatte die linke türkische Hackergruppe RedHack beschafft. Sie sind seit Anfang Dezember auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks zugänglich. In den Texten geht es unter anderem um die Kontrolle türkischer Medienkonzerne.

Scharfe Kritik von Merkel

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kritisierte die Untersuchungshaft für Yücel in der Türkei scharf. «Die Nachricht (...) ist bitter und enttäuschend», erklärte sie am Montagabend in Berlin. «Diese Massnahme ist unverhältnismässig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat.»

Die deutsche Regierung erwarte, dass die türkische Justiz in ihrer Behandlung des Falles Yücel «den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft» berücksichtige. «Wir werden uns weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt.»

Reporter ohne Grenzen forderte die sofortige Freilassung Yücels. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien einfach absurd, hiess es. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte den Haftantrag des Staatsanwalts für Yücel einen «entsetzlichen Verstoss gegen die Pressefreiheit». (sda/dpa)

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