Armin Laschet hat sich gegen Friedrich Merz durchgesetzt. Bild: keystone
Erst wurde er verspottet, nun triumphiert er: Mit Armin Laschet hat sich die CDU gegen einen Neuanfang entschieden. Das ist ängstlich, könnte aber funktionieren.
Er sei, sagte Armin Laschet in seiner Bewerbungsrede, vielleicht «nicht der Mann der perfekten Inszenierung», aber: «Ich bin der Armin Laschet, und darauf können Sie sich verlassen». Da hat er recht: Laschet ist nicht besonders spannend oder mitreissend und seine Politik ist es auch nicht, aber immerhin ist er verlässlich. Das ist es, wofür die CDU sich auf diesem Parteitag entschieden hat: Gegen das Risiko und für die Verlässlichkeit.
Das ist durchaus eine Überraschung, schliesslich galt Laschet in diesem zehrend langen Wahlkampf die meiste Zeit nicht als der Favorit. In Umfragen unter den Parteianhängern lag er bestenfalls auf Platz zwei, zuletzt gar ganz hinten. Nicht nur der alte Liebling der Basis, Friedrich Merz, auch der Aussenseiter Norbert Röttgen hatte den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten zwischenzeitlich überholt. «Der Armin», wie ihn die meisten in der Partei nennen, konnte einem fast leid tun. Er musste, seit er Kandidat war, viel Schmach über sich ergehen lassen. Früh haftete ihm das Verlierer-Image an.
Dennoch ist er nun mit 55 Stimmen Vorsprung im zweiten Wahlgang gewählt worden. Von den drei Kandidaten hat er die beste Rede gehalten. Sie war persönlich, selbstbewusst und stellenweise gar selbstironisch. Seine Wahl sagt viel aus über den Pragmatismus der CDU - und über die damit verbundenen Probleme. Sie verzichtet auf eine Richtungsentscheidung und wählt den Kandidaten, mit dem alle irgendwie leben können: Es ist eine etwas verzagte Entscheidung.
Zu keinem Zeitpunkt hat Laschets Kandidatur Flair oder Strahlkraft entwickelt. Er stand weder für eine selbstbewusste Rückbesinnung auf die Kernwerte der Partei (Merz) noch für Aufbruch und Frische (Röttgen). Typisch für Laschet waren eher Patzer und seine unglückliche Kommunikationsstrategie in der Corona-Krise. Nicht mal sein Vize unterstützte ihn mit Verve: Keine Frage, wäre Gesundheitsminister Jens Spahn als Parteichef-Kandidat angetreten, wäre der Ton dieser Kampagne forscher, vielleicht auch mitreissender gewesen.
Das Bedürfnis vieler CDU-Mitglieder nach mehr Kontur, nach einer mutigen inhaltlichen Neuausrichtung nach zwei Jahrzehnten unter Angela Merkel – es hat sich bei dieser Wahl letztlich nicht durchgesetzt. Stattdessen geht die Partei mit Laschet auf Nummer sicher.
Denn eines hat der neue Parteichef: Regierungserfahrung. Laschet selbst betonte mehrfach: Ihm habe deshalb schlicht die Zeit für den parteiinternen Wahlkampf gefehlt. Schliesslich habe ihn als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen der Kampf gegen Corona rund um die Uhr beschäftigt, anders als die beiden Konkurrenten. Allerdings gelang es ihm auch nicht, aus dieser Rolle persönlichen Profit zu schlagen, wie es in Bayern Markus Söder vormachte, dessen Popularitätswerte in der Pandemie in die Höhe schnellten. Laschet hingegen wirkte häufig getrieben, mal unklar, mal zögerlich.
Dass er trotzdem gewonnen hat, zeigt auch die Macht des «Partei-Establishments», wie es Friedrich Merz mal abschätzig nannte. Es war auffällig, wie viele Spitzenpolitiker sich in den den vergangenen Tagen für Laschet ausgesprochen haben. Kanzleramtschef Helge Braun, die scheidende Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, ja selbst CSU-Chef Markus Söder: Sie alle warben mehr oder weniger offen für Laschet. Nicht, weil sie in ihm den Heilsbringer sehen, sondern weil sie Merz und Röttgen weniger zutrauten. Auf die Delegierten des Parteitags, viele selbst Berufspolitiker, hat das offenbar Eindruck gemacht. In kaum einer Partei funktioniert Meinungsbildung so hierarchisch wie bei der Union.
Die Unterstützer haben schon Recht, in Zeiten der Pandemie schadet es nicht, wenn die alte Kanzlerpartei CDU jemanden an der Spitze hat, der sich mit den Techniken und Erfordernissen der Macht auskennt. Merz und Röttgen hatten zwar auch schon Führungsämter. Aber das ist lange her, und beide scheiterten recht kläglich. Laschet hingegen hat als Spitzenkandidat eine Wahl gewonnen und Koalitionsverhandlungen geführt. 2017 auch auf Bundesebene, wie er gern betont.
Im öffentlichen Wettstreit mit den beiden anderen Bewerbern bewies Laschet zudem oft, dass er sich, wenn es konkret wird, mit vielen Themen einfach besser auskennt. Während Merz und Röttgen zum Philosophieren neigen, kennt Laschet jeden politischen Frontverlauf und jeden Interessenvertreter in seinem Bundesland genau. Die CDU entschied sich also, was durchaus ihrer Tradition entspricht, für einen Generalisten, nicht für einen Spezialisten. Für einen Realpolitiker, nicht für einen Theoretiker.
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Für einen umgänglichen noch dazu. Die meisten, die ihn persönlich kennen, mögen Laschet. Merz und Röttgen haftet in vielen Unionskreisen der Ruf an, Egomanen zu sein, Diven, Selbstdarsteller. Laschet hingegen achtet auf Ausgleich und einen freundlichen, humorvollen Ton. Das ist in Zeiten der Pandemie und der AfD-Konkurrenz nicht nur eine persönliche, sondern auch eine politische Stärke.
In seiner Parteitagsrede sagte Laschet: «Polarisieren ist einfach.» Das ist die Melodie seiner Rede, ja seiner ganzen Kandidatur. Und es ist eine bewusste Abgrenzung vom vermuteten Führungsstil eines Friedrich Merz. Die CDU, so Laschet, müsse «integrieren können». Die CDU sei «keine One-Man-Show». Sie brauche «keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden». Sondern einen Spitzenpolitiker, «der führt und zusammenführt, auf den sich alle verlassen kännen.» Die CDU hat sich also gegen einen Polarisierer in Chief entschieden und für einen Versöhner.
Friedrich Merz’ Anspruch war es, die AfD zu halbieren. Für Röttgen sind die Grünen Hauptkonkurrent und liebster Koalitionspartner zugleich. Laschet hat sich in der Mitte positioniert, dort möchte er auch die Nach-Merkel-CDU halten. Er versteht sich als Brückenbauer und Schnittmengen-Sucher. «Mass und Mitte» ist das Motto seiner Regierung.
Machtpolitisch ist das nicht verkehrt. Sowohl die FDP, aber auch die Grünen, beides potenzielle Koalitionspartner im Bund, schätzen ihn. Laschet vollbringt das Kunststück, in Düsseldorf sowohl unter dem Spitznamen «Türken-Armin» zu firmieren, dem Integration wichtig ist, als auch die umstrittenen Thesen von Thilo Sarrazin zu verteidigen. Seine Integrationsfähigkeit reicht also über die CDU hinaus. Merz hingegen wäre den Grünen schwer zu vermitteln gewesen, mit Röttgen ist die FDP verfeindet.
Der Parteichef wird nun versuchen die Merzianer in der CDU ebenso einzubinden wie die #Röttgang, die Anhänger Röttgens. Aus einem heterogenen Haufen ein Team zu machen, das kann er, wie in NRW bewiesen. Aber reicht das? Im schwierigen Corona-Wahlkampf muss Laschet auch Begeisterung erzeugen.
Daran könnte er schon scheitern, bevor es überhaupt richtig los geht. Denn Markus Söder und Jens Spahn sind schon jetzt weitaus populärer. Laschet muss aufpassen, dass er nicht wie Annegret Kramp-Karrenbauer ein Vorsitzender ohne Autorität bleibt - und andere, lautere den Kurs vorgeben. Allerdings ist Laschet nicht zu unterschätzen: Auch in der nordrhein-westfälischen CDU galt er früher als höchstens zweite Wahl. Beharrlich und trotz mehrerer Niederlagen arbeitete er sich nach oben. Als etwas langweilig und ohnehin chancenlos galt in Unionskreisen übrigens auch mal eine gewisse Pastorentochter. Fast 21 Jahre ist das jetzt her.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.