Simon Ammann
Skispringen

Warum Simon Ammann mit seinem Auftritt noch mehr Profil gewonnen hat

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Kein Rücktritt

Warum Simon Ammann mit seinem Auftritt noch mehr Profil gewonnen hat

Simon Ammann (32) geht es nicht gut. Aber er ist ein grosser Champion. Deshalb ist er heute noch nicht zurückgetreten.
18.02.2014, 21:03
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Sogenannte Medienkonferenzen werden vor und nach Wettkämpfen sowie bei ganz besonderen Ereignissen abgehalten. Simon Ammanns letzter Wettkampf ist schon eine ganze Weile her. Als olympischer Titelverteidiger sprang er am letzten Samstag auf der grossen Schanze bloss auf den 23. Rang.

Die Ankündigung einer Medienkonferenz im «House of Switzerland» mit Simon Ammann bringt Unruhe in den olympischen Nachrichtenzug. Also doch. Jetzt tritt er zurück. Die «Cristal Lounge» ist brechend voll. Kameras werden aufgestellt, Mikrofone in Stellung gebracht und die Spannung ist schon fast körperlich spürbar. Zumal sich Simon Ammann auch noch um 20 Minuten verspätet.

Mit 20 Minuten Verspätung tritt Simon Ammann in der «Cristal Lounge» vor die Medien.
Mit 20 Minuten Verspätung tritt Simon Ammann in der «Cristal Lounge» vor die Medien.Bild: KEYSTONE

Was wird er sagen? Ein grosser Moment bahnt sich an. Der Rücktritt eines grossen Champions. Einer der grössten Schweizer Sportler aller Zeiten. Vierfacher Olympiasieger. Es wird nicht einfach sein, passende Worte zur Würdigung dieser Karriere zu finden.

Der Panzer ist wieder zusammengewachsen

Aber Simon Ammann tritt nach seinen fünften Olympischen Spielen (1998 bis 2014) nicht zurück. Das stellt er gleich klar. Und doch ist es eine der speziellsten Medienkonferenzen, die ich je erlebt habe. Denn Simon Ammann gibt zu, dass es ihm nicht gut gegangen ist. Wie er so da vorne sitzt, bleich und ein wenig unsicher, fast ein wenig zerbrechlich, wird klar: Es geht ihm auch jetzt noch nicht gut. 

Nach dem letzten Wettkampf, dem enttäuschenden 23. Platz, hatte er so etwas wie einen Zusammenbruch. Er sagt, das habe er inzwischen überwunden. Auch dank seinem starken Umfeld. «Wir Skispringer sind sensibel. Aber mein Panzer ist wieder zusammengewachsen.»

Er schildert noch einmal den langen und oft schwierigen Weg bis nach Sotschi. Wie er im Sommer 2011 seiner Freien gesagt habe, er könne vom Skispringen nicht lassen. So ist Sotschi 2014 sein grosses Ziel geworden. Dafür hat er alles investiert. Er ist gescheitert.

Der Champion kaut länger an einer Niederlage

Ein grosser Champion kann nach einem solchen Scheitern nicht einfach tun, als sei gar nichts gewesen und lachen und scherzen und zur Tagesordnung übergehen. Diese Niederlage hat er noch nicht verdaut. Und er hat die Grösse, das auch offen zuzugeben. 

Er sitzt da und hat nichts von dem gekünstelten Auftreten so mancher Sportstars. Er ist auf eine sympathische Art und Weise ehrlich. Eine ganz grosse Persönlichkeit. Auf die Frage, ob er denn nach dem Wettkampf nun die Spiele noch etwas genossen habe, sagt er: «Ich konnte Zeit mit meiner Familie verbringen. Das war sehr schön.» Aber von Geniessen mag er nicht reden. «Ich bin nicht gekommen, um Ferien zu machen.»

Simon Ammann verabschiedet sich ohne Erfolgserlebnis aus Sotschi.
Simon Ammann verabschiedet sich ohne Erfolgserlebnis aus Sotschi.Bild: AP/AP

Viel Wirbel um den «Funken»

Er sagt, der Funke sei erloschen – und sofort kommt die Reaktion aus dem Plenum: Ob das also bedeute, dass er doch zurücktreten werde? Wenn doch der Funke erloschen sei. Er präzisiert: «Der Funke für Sotschi ist erloschen. Aber nicht der Funke für meinen Sport.»

Über den Rücktritt werde er bis zur Saisonschluss-Veranstaltung in Planica nicht mehr reden. «Bis dahin gebe ich keine Auskunft mehr zu diesem Thema.» Er habe Verpflichtungen gegenüber allen, die ihn nach Sotschi gebracht haben. Es sei selbstverständlich, dass er diese Saison zu Ende bringen werde.

Das Ende bleibt offen

Selbst jene Chronistinnen und Chronisten, die ihn seit Jahren begleiten, lässt er ein bisschen ratlos zurück: Wird Simon Ammann Ende Saison zurücktreten und sagt es einfach jetzt noch nicht? Weil es ja nicht sein könne, dass eine so grosse Karriere so endet?

Es ist wahrscheinlich etwas anderes: Einer der grössten Champions unserer Sportgeschichte wirkt so, als sei er in Sotschi an seine Grenzen gestossen. Als habe er zum ersten Mal realisiert, dass sich seine Karriere dem Ende zuneigen könnte.

Für einen, der mit einer solchen Leidenschaft einen Sport betreibt, der so grosse Erfolge gefeiert hat und der Beste der Welt war, muss diese Einsicht wirken wie ein Schock. Ein «normaler» Sportler hätte jetzt den Rücktritt erklärt. Aber Simon Ammann ist kein «normaler» Sportler. Er ist, das darf man ruhig noch einmal sagen, ein grosser Champion. Auf diese Art und Weise tritt er nicht von der Bühne. Und wenn er hier in Sotschi tief im Herzen daran gedacht haben sollte, am Ende dieser Saison zurückzutreten, so ist noch lange nicht sicher, ob er im Frühjahr immer noch so denken wird.

Es wäre keine Überraschung, wenn er am Schluss der Saison nicht den Rücktritt erklärt und weiter fliegt.

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