Die Influencer sind verzweifelt! Auf Facebook treiben sich nur noch Oma und Opa rum, Instagram versaut ihnen mit einem neuen Algorithmus die Reichweite und Snapchat ist seit dem neusten Update unbrauchbar. Eine Lösung muss her! Vero will genau das sein und präsentiert sich der Influencer-Community als Messias der sozialen Medien.
Dabei verwenden die App-Entwickler geschickt Trigger-Wörter, auf welche die digitalen Trendsetter bereitwillig anspringen. «Authentisch» soll das neue Netzwerk sein, «echt» und auch frei von bösen Algorithmen, die bestimmen, was jemand sieht – oder eben nicht.
Vor allem auf Instagram rufen Influencer ihre Schäfchen dazu auf, ihnen auf dem neuen Netzwerk zu folgen. Die Beweggründe scheinen klar: Die berühmten Influencer erhoffen sich endlich wieder eine grosse Reichweite, die unbekannten User sehen eine reelle Chance, bald zehntausende Follower zu haben.
Ein weiterer, zentraler Punkt, durch den sich Vero abheben möchte, sind Werbeanzeigen. Diese fehlen auf dem Portal nämlich gänzlich. Stattdessen möchte man «irgendwann in der Zukunft» eine kleine Gebühr erheben, um das Portal zu finanzieren. Wie hoch diese ausfallen wird, teilte Vero bisher nicht mit. Der ersten Million Nutzern will man den Zugang aber auf Lebzeiten schenken. Ein geschickter Schachzug, der die Nutzerzahlen explodieren lässt – zu den Early Adoptern zu gehören ist immer noch ein Statussymbol.
Dank dem werbefreien System müsse man ausserdem keine Daten von Nutzern sammeln, weil es ja nicht nötig sei, persönlich zugeschnittene Werbung zu platzieren. Das man sich bei Vero aber ausschliesslich mit seiner Handy-Nummer registrieren kann, wirkt da natürlich widersprüchlich. Vero begründet das mit der Sicherheit. Man wolle es den Leuten erschweren, Fake-Accounts anzulegen.
Stattdessen setzt Vero auf In-App-Käufe. In der Anwendung wird für diverse Produkte geworben, die man dann direkt in der App kaufen kann. Bereits 2016 vermeldete die Plattform stolz, dass über Vero ein Aston Martin DB5 verkauft wurde – für 825'000 Pfund! Der Kauf wurde dabei komplett in der App abgewickelt. Neu ist das nicht. In China ist dies dank dem sozialen Netzwerk Weibo bereits Alltag.
Vero wurde bereits 2015 von einem dreiköpfigen Team gegründet. Zu diesem gehört unter anderem auch der libanesische Milliardär Ayman Hariri. Er ist der Sohn des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten, der 2005 bei einem Attentat getötet wurde. Saad Hariri, der amtierende Ministerpräsident von Libanon, ist sein Halbbruder.
Ayman Hariri wurde vor allem als CEO des saudiarabischen Bauunternehmens Saudi Oger bekannt. Es hat der Familie Hariri zu ihrem enormen Reichtum verholfen. 2017 musste die Firma allerdings Insolvenz anmelden, nachdem Missmanagement und Korruptionsvorwürfe überhand nahmen. Ein Jahr zuvor war bereits bekannt geworden, dass Hariri und seine Firma ausländische Arbeitskräfte nicht mehr bezahlten und sie teilweise ohne Nahrung und medizinische Versorgung in den Arbeiterwohnungen zurückliessen.
So, Vero... on top of technical issues, I’m not hearing too many positive things about the founder, or his other business dealings either. Not cool for the platform claiming to be “True and Authentic.” #deletemyaccount
— Cody Seelye (@codyisthinking) 27. Februar 2018
Vero hat im Moment mit massiven Serverproblemen zu kämpfen. Registrieren oder anmelden ist kaum möglich, Fotos hochladen klappt nur teilweise. Der Hype um das Portal und der damit verbundene Ansturm scheint Vero ernsthafte Probleme zu bereiten.
Natürlich führt das nur dazu, dass umso mehr Leute die App herunterladen. Schon jetzt ist Vero bei den App-Downloads in vielen Rankings in den Top Ten. Die Rangliste der am meisten heruntergeladenen Social-Media-Apps führt Vero sogar an – zumindest im App Store von Apple.
Ob sich Vero tatsächlich als ernsthafte Konkurrenz von Instagram, Facebook und Snapchat etablieren kann, ist im Moment fraglich. In der Vergangenheit gab es immer wieder unzählige neue soziale Netzwerke, die ähnlich gefeiert wurden. Zuletzt war dies Ello, welches damit punkten wollte, einen besseren Datenschutz zu bieten. Und spätestens, wenn die ersten Benutzer bezahlen müssen, könnte Vero ins Stolpern geraten.